Das gibt’s nur im Kapitalismus: Kaum geht die Gewinnmarge um einen Prozentpunkt zurück, wird man als Unternehmen quasi schon für tot erklärt. Da ist es dann auch egal, ob man allein in der ersten Jahreshälfte einen Nachsteuergewinn von 10 Milliarden Euro gemacht hat. Wer hinter den Gewinnerwartungen zurückbleibt, wird zurückgelassen – selbst wenn es sich um den zweitgrößten Autobauer der Welt handelt.

In der aktuellen Diskussion wird die VW-Krise teilweise so dargestellt, als würde der 680.000-Mitarbeiter-Konzern demnächst kollabieren. Einige Autokunden sind mittlerweile sogar dermaßen verunsichert, dass sie vom Kauf einer Volkswagen-Marke zurückschrecken, weil sie glauben, dass es für diese Neuanschaffung demnächst keine Ersatzteile mehr geben könnte. Da muss sich dann auch der VW-Vorstand die Frage gefallen lassen, ob die Androhung von Massenentlassungen und Werksschließungen in der Öffentlichkeit wirklich so eine gute Imagestrategie ist.

Böser Seitenhieb auf VW-Markenchef Thomas Schäfer: Die Gewerkschafter nehmen dem 54-Jährigen die Androhung von Massenentlassungen sichtbar übel. | Foto: Link

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies hat sich von der allgemeinen Hysterie zwar nicht anstecken lassen. Er flog gestern trotzdem nach Detroit, um sich eine Stadt anzuschauen, die den Zusammenbruch ihres wichtigsten Wirtschaftszweigs bereits hinter sich hat: „Motor City“ war einmal das Zentrum der amerikanischen Automobilindustrie, wurde nach deren Zusammenbruch zur ärmsten Großstadt der USA und erlebt nun als Hotspot für Digitalisierung, Startups und grüne Technologien eine bemerkenswerte Renaissance. Aus insgesamt 40 Personen besteht Lies’ Delegation, hoffentlich sind auch ein paar Vertreter der niedersächsischen VW-Standorte mit dabei – nur zur Sicherheit.

Olaf Lies ist in „Motown“ angekommen. Ob er vor Ort auch ein Musikalbum aufnimmt, ist noch unklar. | Foto: MW

In der heutigen Rundblick-Ausgabe haben wir die Abhängigkeit vom Automobil ebenfalls überwunden. Anstelle der Volkswagen-Krise beschäftigen wir uns mit folgenden Themen:

  • Der Planer: CDU-Landeschef Sebastian Lechner hat am Wochenende seinen „Niedersachsenplan“ umgerissen. Die Details müssen zwar noch ausformuliert werden, sicher ist aber: Der 43-Jährige will die Zukunft des Landes ganz papierfrei angehen.
  • Die Unzufriedenen: Die Kassenärztliche Vereinigung in Niedersachsen (KVN) kommt zu dem Ergebnis, dass das jüngste Honorar-Plus für die Haus- und Facharztpraxen unterm Strich ein Minus bedeutet.
  • Die Mahner: Ist der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) gerechtfertigt oder ist beim Einsatz der Computertechnologie eher Vorsicht angesagt? KI-Fachleute aus Norddeutschland rufen zu mehr Bodenständigkeit, aber auch zu mehr Investitionen auf.

Einen digitalen Dienstag wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link