Der niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) hat sich scharf von Bestrebungen in öffentlichen Debatten distanziert, bestimmten Wissenschaftlern die Meinungsäußerung zu speziellen Themen zu untersagen. „Die Lage bei uns ist längst nicht so dramatisch wie etwa in den USA und Großbritannien. Aber auch in Deutschland gibt es immer wieder Vorfälle, dass beispielsweise einigen Professoren das Recht abgesprochen wird, sich etwa zur Kolonialpolitik zu äußern. Das können wir nicht unwidersprochen hinnehmen. Der freie Diskurs unterschiedlicher Ansichten von jeder Person ist ein wichtiger Bestandteil der freien Gesellschaft“, betont Thümler im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Sorgt sich vor verkürzten Diskursen: Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) – Foto: MWK/C. Brauers

In Hannover war eine Diskussion mit dem anerkannten Afrika-Forscher Prof. Helmut Bley von der Stadtverwaltung abgesagt worden, nachdem eine Anti-Rassismus-Initiative dagegen protestiert hatte. Bley könne als „alter weißer Mann“ nicht glaubwürdig über Rassismus reden, meinte die Initiative. Thümler sagt, es sei  „ein Fehler“ gewesen, statt eine Debatte zu führen, die Quasi-Ausladung von Prof. Bley zu tolerieren.

Wissenschaftsminister warnt: „Wehret den Anfängen!“

Thümler betont, dass die Wissenschaftsfreiheit dem Ministerium zu recht Grenzen setze. Welche Veranstaltungen in Hochschulen stattfinden und wie der wissenschaftliche Dialog geführt werde, sei in erster Linie Sache der Hochschulen selbst. Hier wolle sich das Ministerium nicht einmischen. Das gilt auch für den Fall eine Seminars an der Uni Hannover, bei dem ein Polizist über Erfahrungen aus seinem Berufsalltag hätte berichten sollen. Studentische Gremien wie AStA und Fachschaftsrat hatten daraufhin auf die Ausladung des Polizisten gedrungen, da dieser ein repressives System vertrete.

Thümler sagte, für diese Argumentation habe er keinerlei Verständnis. Der Polizeibeamte stehe für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und nicht für einen Zwangsapparat. Daher könne es gegen seine Teilnahme an dem Seminar keinerlei Einwände geben. Deshalb habe der hannoversche Uni-Präsident Prof. Volker Epping seine volle Unterstützung, wenn er den Vorfall in den Gremien der Uni ansprechen wolle. Einschätzungen, wonach es in Deutschland keine Anzeichen dieser „Cancel Culture“ gebe, teile er nicht, fügte Thümler hinzu: „Vielleicht erleben wir das bisher nur in Einzelfällen. Aber es schwappt herüber zu uns. Für mich gilt aber auf jeden Fall die Losung ,Wehret den Anfängen‘.“

Flagge zeigen für den Meinungsaustausch

Ein fruchtbarer Dialog mit dem Ziel, die eigene Meinung zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, könne nur bei einem unbefangenen Austausch von Argumenten klappen, betont der Minister. Dazu müsse jeder berechtigt sein, sich in Themen einzuarbeiten und seine Haltung dazu anderen mitzuteilen. Was beispielsweise Prof. Bley angehe, sei dies ein Mann, der sich schon vor Jahrzehnten in die Probleme afrikanischer Geschichte und Kultur eingearbeitet habe, der den Menschen hier die Probleme des Kolonialismus und des Rassismus erst nahegebracht habe. „Es ist geradezu abwegig, wenn so jemandem vorgehalten wird, er sei das Sprachrohr für Rassismus.“

Man stürzt sich gern auf einen Randaspekt, anstatt sich auf die Kernaussage zu konzentrieren.

Thümler sieht eine Ursache für die Entwicklung von „Cancel Culture“ in einer Verrohung des öffentlichen Diskurses. Anstatt in Rede und Gegenrede die Argumente der anderen Seite aufzunehmen, zu prüfen und abzuwägen, pickten einige Teilnehmer nur noch die Schwachpunkte heraus und nutzten diese für emotionale Gegenangriffe. „Man stürzt sich gern auf einen Randaspekt, anstatt sich auf die Kernaussage zu konzentrieren“, sagt Thümler.

Die Verkürzung der Diskurse über Twitter und Facebook fördere diesen Trend zusätzlich. „Man ist dann oft darauf aus zuzuspitzen, einen Skandal zu erzeugen. Das führt zu Problemen. Wir sollten vielmehr Flagge zeigen für den freien und offenen Meinungsaustausch.“ Entwicklungen hin zu einer „Sprachpolizei“, einer übertriebenen Empörung über Äußerungen, die man für nicht politisch korrekt hält, müssten aufgehalten werden.