Ende November lag ein riesiger Batzen Geld bereit für die Hilfsbedürftigen: 970 Millionen Euro stellte das Land Niedersachsen zur Verfügung, damit Unternehmen, finanzschwachen Bürgern, sozialen Einrichtungen und Krankenhäusern in der Energiekrise geholfen werden konnte. Seit gestern nun, gut drei Monate später, geht die Zuständigkeit für dieses Geld in andere Hände über. Im Entwurf des zweiten Nachtragshaushaltsplans, den das Kabinett am Dienstag vorgelegt hat, sollen die einzelnen Ministerien diese Sondertöpfe verwalten. Bisher lag alles in der Obhut des Finanzministers.

Gerald Heere und Martina Wethkamp stellen den Entwurf des zweiten Nachtragshaushaltsplans vor. | Foto: Wallbaum

Heißt das nun, dass die Ministerien damit auch die Freiheit haben, das Geld für andere Zwecke auszugeben – zumal etwa der Bedarf nach einem „Härtefallfonds“ deutlich geringer geblieben war als zunächst vermutet? Die Leiterin der Haushaltsabteilung im Finanzministerium, Martina Wethkamp, sieht das nicht so: „Wir übertragen diese Etats einschließlich der Zweckbindung“, betonte sie. Wenn man davon abweichen wolle, reiche eine normale Unterrichtung im Haushaltsausschuss nicht aus. Laut Landeshaushaltsordnung können jedoch innerhalb der Titelgruppen Ausgaben verschoben werden. So hängt alles davon ab, wie konkret die jeweiligen Titelgruppen bezeichnet werden.

Der neue Nachtragsetat, den Finanzminister Gerald Heere (Grüne) am Dienstag vorstellte, enthält zusätzliche Ausgaben von 776 Millionen Euro – davon fließt knapp die Hälfte, das sind 362 Millionen Euro, unter anderem über den Kommunalen Finanzausgleich an die Städte und Gemeinden. Die meisten Ausgaben werden gedeckt durch höhere Umsatzsteueranteile, Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und 78 Millionen Euro, die aus der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft (HannBG) abgezweigt werden. Ausgegeben wird das Geld für die Ausweitung der Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge von bisher 15.000 auf 20.000, für die Kommunen, die auch für Vorhaltekosten und wie bisher über die Flüchtlingspauschale Erstattungen erhalten, sowie für die Fortsetzung der Sprach-Kindergärten ab Jahresmitte, da der Bund aus der Finanzierung aussteigt. Allein für die Sprach-Kindergärten fließen 12 Millionen Euro.



1,25 Millionen Euro werden ausgegeben, damit ein Konzept für eine Landesliegenschaftsgesellschaft entwickelt werden kann. 22 Millionen Euro fließen für Wohnraumförderung. Es entstehen 44 weitere Plätze im Maßregelvollzug (23 Millionen), ein Dachsanierungsprogramm für Landesgebäude (acht Millionen), eine bessere IT-Ausstattung der Polizei (4,5 Millionen) und ein Schutz-Bekleidungsprogramm für Polizisten (5 Millionen). Für die Jahre 2024 bis 2026 werden 210 Millionen Euro für Klinikneu- und -umbauten zusätzlich eingeplant. Für 48,6 Millionen Euro sollen in einer ersten Stufe drei Gebäude saniert werden: Das Landesamt für Verbraucherschutz in Lüneburg, die Zentrale Polizeidirektion in Hannover und das Polizeikommissariat in Peine.

Auch ein Zuwachs an 48 neuen Stellen, sogenannten „Vollzeiteinheiten“, ist mit dem Nachtragsetat vorgesehen. Die Hälfte dafür wird für die Landesaufnahmestelle geplant, da mehr Plätze auch mehr Betreuungspersonal erfordern. Acht Stellen gibt es für die Taskforce zur Energiewende, die zur Beschleunigung des Windkraft- und PV-Ausbaus dient. Etwa 15 zusätzliche Mitarbeiter sollen in den Ministerien Platz finden. Hier werden also neue Stellen geschaffen, die vor allem im Wirtschafts-, Umwelt-, Sozial- und Kultusministerium angesiedelt werden. Darunter sind auch zwei Abteilungsleiterstellen (B6). Mit den neuen Stellen wird es möglich, beispielsweise im Kultusministerium einen Stab für Vize-Ministerpräsidentin Julia Hamburg aufzubauen. Dazu müssen nicht die Stabs-Mitarbeiter beansprucht werden, die unter Vorgänger Bernd Althusmann eingestellt wurden. Diese können in ihren bisherigen Positionen bleiben, ihre Stellen würden aber wegfallen, sobald sie aus dem Dienst ausscheiden. Den Plan, anstelle von neuen Kollegen diese Fachleute für neue Aufgaben in der Landesregierung einzusetzen, ist offenbar erfolglos geblieben.

Steuereinnahmen sprudeln heftig

Nach Auskunft von Abteilungsleiterin Wethkamp belaufen sich die Steuermehreinnahmen im Jahr 2022 bisher auf rund eine Milliarde Euro. Wie viel davon am Ende tatsächlich in der Kasse bleibt und später dann in die Rücklage fließen kann, steht noch nicht fest. Auch die erhöhten Ausgaben schlagen weiterhin zu Buche.



Polizeigewerkschaft unzufrieden

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert den Nachtragsetat, da die geforderte Erhöhung der Polizeizulage von monatlich 127 Euro auf mindestens 228 Euro (wie bei der Bundespolizei) nicht kommen solle. „Nachdem unsere Forderung trotz Zusage im Koalitionsvertrag auch im zweiten Nachtragshaushalt ignoriert wurde, erwarten wir für den Haushalt 2024 einen deutlichen Sprung. Eine sofortige Erhöhung mindestens auf das Niveau der Bundespolizei sowie die Wiedereinführung der Ruhegehaltfähigkeit sind nach über 20 Jahren Stillstand nicht nur angemessen, sondern dringend erforderlich“, sagt GdP-Landeschef Kevin Komolka.