In diesem Winter wütet die Geflügelpest so stark wie zuletzt vor vier Jahren. Zwischen November und heute mussten bereits mehr als 430.000 Tiere zwangsweise getötet werden, nachdem in bislang 28 Betrieben Ausbrüche der Vogelgrippe festgestellt worden waren. Das Infektionsrisiko ist laut Friedrich-Loeffler-Institut nach wie vor hoch. Es sei daher jederzeit mit weiteren Ausbrüchen der Geflügelpest zu rechnen, erklärte das Landesagrarministerium auf Rundblick-Anfrage.

Der Schaden trifft die Geflügelwirtschaft derweil enorm. Insgesamt sind in diesem Winter Kosten in Höhe von 9.184.000 Euro in Zusammenhang mit dem Infektionsgeschehen entstanden. Der größte Teil dieser Gesamtsumme entsteht durch Entschädigungen für die Tierverluste, gefolgt von den Kosten für die Tötung der Tiere und schließlich die fachgerechte Beseitigung der Kadaver. Einen Großteil davon zahlen die Betriebe selbst – über die Tierseuchenkasse. Das Land Niedersachsen hat nach Informationen des Landesagrarministeriums allerdings auch schon einen Anteil an diesen Kosten in Höhe von 4.095.000 Euro übernommen. Die Defizite, die nun in der Tierseuchenkasse entstanden sind, müssen in den kommenden Jahren nun allerdings wieder ausgeglichen werden.

Die Geflügelspate muss die Rücklagen nun wieder auffüllen.

Georg Meiners, Vorsitzender des Tierseuchenausschusses des niedersächsischen Landvolks, geht deshalb davon aus, dass auf die Geflügel-Halter eine Beitragssteigerung zukommt. Die Beiträge der Kasse werden in jedem Jahr neu bestimmt und unterscheiden sich nach Tierart und Anzahl der Tiere pro Betrieb. „Man kann Seuchenzüge nicht vorhersehen“, sagte Meiners im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. „Die Geflügelspate muss die Rücklagen nun wieder auffüllen.“ Erst danach könne der Beitrag dann wieder gesenkt werden.

Putenbetriebe besonders stark betroffen

„In diesem Jahr ist das Virus nach allen bisherigen Erkenntnissen besonders aggressiv“, sagte Meiners. Die Gefahr einer Geflügelseuche ist immer dann besonders groß, wenn Vogelflug ist – also wenn Zugvögel in Niedersachsen einen Zwischenstopp einlegen. In den vergangenen Jahren erhöhte sich das Problem allerdings, weil die Winter so mild waren und die Tiere gar nicht mehr weiterzogen, sondern direkt hier überwinterten. Meiners erklärte, dass die Gefahr einer Übertragung des Virus in einen Geflügelbetrieb gerade bei jenen Betrieben besonders groß sei, die in der Nähe von Gewässern liegen. Denn dort rasteten die Wildtiere für gewöhnlich.

Außerdem, so stellt der Landvolk-Funktionär fest, seien Putenbetriebe sehr viel stärker betroffen als Hähnchenmastbetriebe. Nach Angaben des Landesagrarministeriums setzen sich die 28 betroffenen Betriebe zusammen aus 23 Putenbeständen, zwei Entenhaltungen, einem Masteltern-Hennen-Betrieb, einem Hähnchenmastbestand sowie einer nichtgewerblichen Kleinsthaltung. Meiners erklärt sich diese Verteilung mit der Bauweise der Ställe. Putenställe würden gelüftet, indem die Seitenwände geöffnet werden, die warme Luft steigt dann in der Mitte hoch und die frische Luft zieht seitlich ein. Über diesen Weg gelangen dann aber auch Viruserreger in den Stall. Hähnchenmastbetriebe seien hingegen eher geschlossen.

Der Erreger gelange dabei grundsätzlich über zwei Wege in einen Betrieb, erläuterte Meiners. Entweder direkt über Zugvögel – oder indirekt von Betrieb zu Betrieb, etwa durch den Austausch von Material oder Personal. Dort, wo es besonders viele Mastbetriebe gibt, sei auch die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung erhöht. Deshalb hat der Landkreis Cloppenburg in Gemeinden mit einer hohen Konzentration auch vorübergehend untersagt, leere Ställe wieder mit neuen Tieren zu befüllen.

Experte: Es muss ständig nachgestreut werden

Was Meiners besonders verunsichert, ist, dass die Regeln für die Biosicherheit eigentlich erst vor Kurzem deutlich erhöht wurden. Nach der letzten großen Vogelgrippe-Seuche im Winter 2016/17, als der Seuchenzug ähnlich heftig gewesen war, haben sich die Experten der Tierseuchenkasse die Lage genau angesehen und daraufhin die Vorgaben für die Betriebe angepasst. Die neuen Standards wurden laut Meiners auch großflächig von den Betrieben umgesetzt, da sonst Sanktionen gedroht hätten. Die Tierseuchenkassen hätten nur bei jenen Betrieben die Schäden vollumfänglich ersetzt, die sich auch an alle Vorgaben gehalten haben. Eine solche Regelanpassung bei den Putenbetrieben betraf beispielsweise das Stroh. Während ein Hähnchenmastbetrieb nur einmal Stroh eindeckt, benötigen in Putenbetriebe mehrere Lagen, weil die Tiere deutlich älter werden. Es muss ständig nachgestreut werden.

Diese Strohlager stellten aber ein Einfallstor für Viruserreger dar, hat man festgestellt. Deshalb hat die Tierseuchenkasse vorgegeben, dass die Lagerstätten für das Stroh, das später in die Betriebe kommt, unbedingt gründlich rein gehalten werden müssen und frei bleiben müssen von Wildvögeln. „Deshalb wundert es mich, dass es nun trotzdem so heftig kommt“, sagte Meiners im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Derzeit seien die Experten der Tierseuchenkasse deshalb damit beschäftigt, nach den Ursachen zu suchen und die Regeln dann erneut anzupassen. (nkw)