Wird das für kommenden Montag geplante Krisengespräch zur Lage der Schweine-Branche die erhofften Lösungen hervorbringen? Erst vor wenigen Wochen hatte es eine erste Gesprächsrunde gegeben. Neben der Erzeuger-Seite soll nun erstmals auch der Handel mit an den Tisch geholt werden. Doch worin liegt eigentlich das Problem?

Richtig offensichtlich wurde die Misere des Systems in den zurückliegenden Monaten, etwa seit Herbst des vergangenen Jahres. Zuerst sorgten Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen zu Verzögerungen in der gesamten Produktionskette. Am Ende stauten sich die Tiere im Stall, weil sie nicht rechtzeitig geschlachtet werden konnten. Hinzu kam dann die „afrikanische Schweinepest“ (ASP). Als die ersten positiven Fälle bei Wildschweinen in Brandenburg auftraten, brachen für Deutschland Teile des wichtigen asiatischen Exportmarktes weg. Die Pandemie hat zudem den landeseigenen Absatzmarkt gestört, weil Festzelte und Kantinen geschlossen blieben. Es gibt immer mehr Tiere aber immer weniger Geld – ein gestörter Markt.

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Als Sinnbild der landespolitischen Krise im Schweinesektor ist einigen noch der Tränenausbruch von Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) in Erinnerung. Während des Landtagsplenums im Oktober 2020 unterrichtete sie die Abgeordneten über die dramatische Lage der schweinehaltenden Betriebe, eindrucksvoll schilderte sie deren Existenzängste. Sie appellierte an die Betriebe, jetzt eigenständig die Bestände zu verringern – mit mäßigem Erfolg.

Zwischenzeitig vertrat man im Landesagrarministerium dann jedoch sogar die Ansicht, die Lage der Schweinehalter sei längst nicht mehr so angespannt. Noch im Mai erklärte eine Vertreterin des Hauses im zuständigen Agrarausschuss des Landtags: „Vom Schweinstau ist derzeit nichts mehr zu spüren.“ Das Gegenteil sei sogar der Fall, zu Weihnachten erwarte man Engpässe auf dem Markt, erläuterte sie. „Preisverfall, Absatzeinbrüche, Schweinestau, Exporteinschränkungen und Abbau von Schlachtkapazitäten sind Schlagworte, die aktuell nicht zum tatsächlichen Marktgeschehen passen“, wird sie im Ausschussprotokoll zitiert. Offensichtlich teilt man diese Einschätzung nun doch nicht mehr. Miriam Staudte, agrarpolitische Sprecherin der Grünen, hält dem Ministerium deshalb vor, die Lage komplett falsch eingeschätzt zu haben.

Doch wie kann es nun weitergehen? Fest steht: Die Veränderungen, die auf den gesamten Sektor zukommen, werden größer sein als bislang bekannt. Die Branche wird sich radikal wandeln müssen, der Rückgang der Tierzahlen scheint der einzige Ausweg zu sein. Wie dieser aber geregelt werden kann, dazu stehen zwei unterschiedliche Ansätze im Raum:

Abwrackprämie für Schweinebetriebe:

Die Befürworter einer radikalen Verringerung des Schweinebestands verweisen gern auf Niedersachsens westlichen Nachbarn: die Niederlande. Dort hat der Staat eine Art Abwrackprämie für Schweinebetriebe angeboten. Wer seinen Betrieb dauerhaft dichtmacht und umsattelt auf irgendetwas anderes, erhält dafür einen guten Batzen Geld als Startkapital für das neue Geschäft. Die Sorge mancher Entscheidungsträger in Niedersachsen ist jedoch, dass sich das Grundproblem dadurch nicht lösen lässt, sondern nur verlagert. Es gibt Berichte über Unternehmer, die das Geld aus den Niederlanden genommen und in eine neue Schweinehaltung im Osten investiert haben sollen.

Die Folge wäre dann im schlimmsten Fall ein Ausbluten der ländlichen Räume in Niedersachsen mit allen negativen Folgen für die Infrastruktur und die dazugehörige Produktionskette – ohne nennenswerten Effekt auf die Schweinezahlen. Bei den Landwirten bilden sich derweil zwei Lager: Die einen lehnen die Prämie ab, die anderen sehen ihre Zukunft in Gefahr und hoffen darauf, damit wenigstens etwas Positives mitzunehmen.

Langfristige Zusagen vom Handel:

Worauf die Ministerin am kommenden Montag voraussichtlich besonders vehement pochen wird, ist derweil das klare Bekenntnis des Marktes zu höheren Preisen und verlässlichen Zusagen an die Erzeuger. Eine Zielvereinbarung könnte dahingehend formuliert werden, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt im Lebensmitteleinzelhandel nur noch tierische Produkte vertrieben werden, bei denen alle fünf Produktionsschritte von der Zeugung bis zur Verarbeitung in Deutschland stattgefunden haben. Damit könnte dem gewachsenen Bedürfnis nach heimischer Produktion in der Gesellschaft nachgekommen und diese gleichfalls gestärkt werden.

Zu den langfristigen Zusagen an die Landwirtschaft gehören zudem auch die Ergebnisse der sogenannte Borchert-Kommission. Die Pläne zur mittelfristigen tierwohlgerechten Umgestaltung der Landwirtschaft wurden vom Bundesagrarministerium zwar beauftragt aber in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt. Papiere ohne Umsetzung ändern jedoch ähnlich wenig wie Appelle.