Gibt es in den Ministerien des Landes einen ungebremsten Trend zum Aufbau neuer Führungs- und Leitungspositionen? Eine Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Christian Grascha legt den Verdacht nah, dass bei den Regierungsparteien SPD und CDU Sparsamkeit in diesem Punkt nicht mehr gewünscht ist.

Niedersachsens Ministerien dürfen weiter in den Himmel wachsen / Foto: Niklas Kleinwächter

Grascha nahm Bezug auf den Bericht des Landesrechnungshofes von vergangenem Jahr, in dem die Prüfbehörde auf die 2013 festgelegte „Zielorganisation“ abhob und die Regierung an die Einhaltung von Obergrenzen erinnerte. So war 2013 festgelegt worden, dass es in den Ministerien maximal 265 Referate, maximal 40 Abteilungen und 6 Referatsgruppen (also die Zusammenfassung mehrerer Referate unter einer Leitung) geben solle. 2013 war dieses Konzept geringfügig überschritten worden mit einer Referatsgruppe und acht Referaten zusätzlich.

Inzwischen 48 statt 40 Abteilungen

Wie aus der Antwort der Landesregierung auf Graschas Anfrage hervorgeht, ist bis heute, also acht Jahre später, das Wachstum der leitenden Stellen in den Ministerien deutlich weitergegangen. Es gibt demnach gegenwärtig nicht nur 40, sondern sogar 48 Abteilungen, die jeweils von einem Leiter (in der Regel nach B6 besoldet) geführt werden.

Die Zielvorgabe ist bei den sechs Referatsgruppen erfüllt, allerdings gibt es 325 Referate in den Ministerien – also Einheiten, die jeweils von einem Referatsleiter geführt werden, der nach A 16 oder B2 besoldet sein kann. Die 2013 angepeilte Obergrenze der Referate wird also um 60 überschritten.

In der Stellungnahme der Staatskanzlei zu der FDP-Anfrage wird ausgeführt, dass Stabstellen, persönliche Büros der Minister und Verbindungsbüros der Landesbeauftragten für bestimmte Fragen in die Übersicht einbezogen worden seien. Berücksichtigt werden müsse auch dien Einrichtung der neuen Abteilung Corona-Steuerung mit allein fünf neuen Referaten im Sozialministerium.

Wie aus der Übersicht hervorgeht, hat seit 2017 das Innenministerium vier Referate und eine Referatsgruppe neu geschaffen, aber nur ein Referat abgebaut. Im Sozialministerium kamen sechs Referate hinzu, im Justizministerium drei und im Kultusministerium vier. Das Agrarministerium hat unterm Strich zwei Referate mehr, das Umweltministerium und das Wirtschaftsministerium ebenfalls, auch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Vier neue Abteilungen entstanden im Sozial-, Kultus-, Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium.

Flexible Anpassung statt starrer Quote

Zur Erklärung und Rechtfertigung des Wachstums an leitenden Stellen in den Ministerien vollzieht die Landesregierung jetzt, im September 2021, eine Abkehr von dem im April 2013 gefassten Beschluss. Jetzt heißt es: „Die Anzahl der für die Aufgabenerledigung notwendigen Organisationseinheiten wird auch zukünftig flexibel anzupassen sein. Die starre, absolute Festlegung von Zielgrößen für den organisatorischen Aufbau der Ministerien sowie von Leitungsspannen für Referate und Referatsteile hat sich durchweg als schlicht hinderlich für die aufgabenadäquate Wahrnehmung neuer gesamtgesellschaftlicher Aufgaben gerade im Hinblick auf den schnellen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Wandel verstanden.“

Ergänzend wird dann von der Staatskanzlei noch hinzugefügt, dass die Minister „jeweils nach außen die politische Verantwortung für ihre organisatorischen Maßnahmen tragen und ihren Stellenbedarf selbst in den Landtagsausschüssen vertreten“. Diese Praxis habe zu dem enormen Wachstum der Anzahl von Abteilungen und Referaten geführt. Daher, so erklärt die Staatskanzlei, habe man „keine Veranlassung gesehen, die Zielkonzeption 2013 weiterzuführen oder diese in irgendeiner Form auf einen neuen Zielzeitpunkt fortzuschreiben“. Das klingt nun ganz so, als distanziere sich die Staatskanzlei mit dieser Antwort leicht von dem Verhalten der Ministerien.