Warum blieb verdächtiger Staatsanwalt? Das Ministerium weist Verantwortung von sich
Gegen den 39-jährigen Staatsanwalt, der seit Ende Oktober wegen Korruptionsverdachts in Untersuchungshaft sitzt, hat die eigene Behörde ermittelt, nämlich die Staatsanwaltschaft Hannover. Das sei „nicht ungewöhnlich, aber erklärungsbedürftig“, sagte der Leiter der Abteilung Strafvollzug im Justizministerium, Thomas Hackner, im Rechtsausschuss des Landtags. Die CDU hatte eine Unterrichtung beantragt. Hackner betonte, dass nicht das Ministerium diese Entscheidung über die Ermittlungsführung getroffen habe, sondern die Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft in Celle, Katrin Ballnus. Nach den Worten von Hackner sei es zwar „nie schön, wenn man gegen die eigenen Kollegen ermitteln muss“. Aber in diesem Fall gebe es gute Gründe. So lägen die Ermittler und die Korruptionsbehörde, in der der Verdächtige selbst tätig war, in unterschiedlichen Gebäuden. Außerdem gehe es um hochkomplexe Vorgänge, in die Kollegen der Staatsanwaltschaft sehr intensiv eingearbeitet gewesen seien. Da der Verdächtige jetzt in Untersuchungshaft sitzt und binnen sechs Monaten eine Klärung der Vorgänge bis zu einer Anklageerhebung erforderlich ist, habe man sich entschieden, die Untersuchungen in der eigenen Behörde anzusiedeln und die dortige Expertise für die Aufklärung zu nutzen.
Der 39-Jährige war selbst in der Korruptionsermittlung tätig, er führte Anklagen gegen Drogenschmuggler und war für harte Strafanträge bekannt. Ihm wird jetzt vorgeworfen, gegen Geldbeträge Informationen über bevorstehende Razzien und Festnahmen weitergegeben zu haben. Ihm werden Bestechlichkeit, Verrat von Dienstgeheimnissen und Strafvereitelung im Amt vorgehalten. „Das ist ein hochkomplexes und heikles Verfahren“, betonte Hackner. Gegen den Beschuldigten waren vor zwei Jahren schon einmal Vorwürfe laut geworden, dass es sich bei ihm um einen Informanten für die Szene handeln solle. Zu jener Zeit gab es eine Wohnungsdurchsuchung, bei der Ballnus, damals noch selbst Leiterin der Staatsanwaltschaft Hannover, anwesend war. Der Verdacht habe sich aber nicht erhärtet. Im November 2022 habe es auch ein Gespräch zwischen Ballnus, Hackner, dem damaligen Generalstaatsanwalt Frank Lüttig und Justiz-Staatssekretär Thomas Smollich über den Fall gegeben. Da der Staatsanwalt als einer von wenigen in zwei schwierige Verfahren eingearbeitet war, von denen eines kurz vor der Gerichtsverhandlung stand, habe Ballnus im Herbst 2022 entschieden, ihn auf seinem Posten zu belassen. Erst viel später habe man Hinweise aus entschlüsselten Chat-Verläufen bekommen, die den Staatsanwalt wieder belasteten, im Juni 2024 sei ein neues Verfahren gestartet worden. Der Staatsanwalt blieb aber bis zu seiner Verhaftung Ende Oktober 2024 auf seinem Posten.
Carina Hermann und Jens Nacke von der CDU kritisierten, dass sich Justizministerin Kathrin Wahlmann trotz der Brisanz des Vorgangs bisher nicht selbst in den Gremien des Landtags zu dem Fall geäußert hat.
Dieser Artikel erschien am 08.11.2024 in der Ausgabe #197.
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