Die Population und in Folge dessen auch die Jagdstrecke der Waschbären steigt seit 20 Jahren in Niedersachsen rapide an. | Quelle: Canva, LJN

Die Zahl der invasiven Wildtierarten in Niedersachsen hat in den zurückliegenden Jahren enorme Höhen erreicht. Wie Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft, am Montag bei der Vorstellung des 20. Jagdberichtes erklärte, sind die Populationen von Waschbär, Nutria und Marderhund seit 2003 rasch angewachsen. Waren es beim ersten Jagdbericht noch knapp mehr als 1000 Waschbären, die von Jägern erlegt wurden, zählt der jüngste Bericht bereits mehr als 23.000 der zugewanderten Tiere, bei den Nutria stieg die Zahl im selben Zeitraum von knapp 900 auf 41.000 und beim Marderhund von 62 im Jagdjahr 2003 auf knapp 4000 im zurückliegenden Erfassungszeitraum. Diesen Tierarten müsse „jagdlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden“, sagte Dammann-Tamke und erläuterte, dass diese fremden Tierarten, die vom Menschen in diesem artfremden Naturraum angesiedelt wurden, Fressfeinde für die heimische Flora und Fauna seien. „Wir haben auch aus europäischer Sicht eine Verpflichtung, sie zurückzudrängen“, sagte der Präsident der Landesjägerschaft.

Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen | Foto: LJN

Eine besondere Bedrohung für allerlei Wild- und Singvögel gehe von den Waschbären aus. Diese kletterten auf Bäume, würden Jungvögel aus den Nestern werfen, um selbst darin zu hausen, oder hätten aufgrund ihrer körperlichen Veranlagung die Möglichkeit, mit ihren langen Armen die Specht-Höhlen auszuräumen. Im Harz und Weserbergland sind die Waschbären in fast jedem Jagdrevier vorhanden, Niedersachsens Landesagrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) spricht von einer regelrechten Plage. Eine andere Gefahr stellen derweil die Nutria dar, die vor allem entlang von Flussläufen das Land besiedeln. Durch ihre Tunnel gefährdeten sie die Stabilität der Deichanlagen und damit den Schutz des bewohnten Gebietes vor Fluten.

Niederlande raten zu stärkerer Bejagung von Nutria

Dammann-Tamke erläuterte, dass die Niederlande die Nutria-Plage regelrecht „bekämpften“ und den Niedersachsen rieten, das Vorgehen gegen die aus Südamerika stammende Biberratte professionell zu betreiben. Die Landesjägerschaft habe sich derzeit aber auf ein kombiniertes Vorgehen verständigt, erläuterte er. Demnach koordinieren drei Berufsjäger der Landwirtschaftskammer die Jagd der ehrenamtlichen Jäger. Beim dritten Problemfall, dem Marderhund, äußerte Dammann-Tamke Interesse an der Beobachtung, wie sich die Ausbreitung des Wolfes auf die Marderhund-Population auswirken werde, da der Wolf für gewöhnlich keine anderen Beutegreifer in seinem Revier dulde. Der Wolf wird im Übrigen erst im kommenden Jagdbericht gelistet, da die Aufnahme des Wolfes ins niedersächsische Jagdrecht erst zum Jagdjahr 2022/23 greift.

Im Filmtierpark Eschede sitzen Marderhunde hinter Gittern. In freier Wildbahn breiten sich die Tiere rasch aus. | Foto: Link

Während die Zahl der Beutegreifer in Niedersachsen stetig wachse, nehme die Zahl der anderen Wildtiere deutlich ab, berichtete Dammann-Tamke. Besondere Sorgen bereitet ihm demnach die Rotwild-Population in Niedersachsen. Diese nehme nicht nur insgesamt weiter ab, es komme auch zu einer zunehmenden Verinselung. Die Tiere bleiben also zunehmend unter sich, eine Durchmischung findet immer weniger statt. Das habe zur Folge, erläuterte Dammann-Tamke, dass auch die genetische Vielfalt immer weiter abnehme und Inzucht unter den Tieren verstärkt auftrete. „Es ist unsere Aufgabe als Landesjägerschaft, uns bei der Politik für die Lebensgrundlage dieser Tiere stark zu machen“, sagte er. Als vor mehr als zehn Jahren die Rotwild-Gebiete aufgehoben wurden, habe man einen guten ersten Schritt getan, meint Dammann-Tamke.



Junghirsche dürften nicht geschossen werden. Das hat zur Folge, dass sich die genetische Vielfalt mit den wandernden männlichen Jungtieren verbreitert. Doch schaue man sich die Landschaft Niedersachsens heute an, falle rasch auf, dass es kaum noch Strecken gebe, bei denen ein Junghirsch 50 oder 60 Kilometer zurücklegen könne, ohne von Autobahnen, Bahnschienen oder anderen Barrieren aufgehalten zu werden. Die Politik solle deshalb darauf achten, dass bei allen Infrastrukturmaßnahmen Querungshilfen miteingeplant werden. Dammann-Tamke, der bis zu diesem Jahr für die CDU im niedersächsischen Landtag saß, empfiehlt nun sogar, auch bei bestehenden Autobahnen derartige Möglichkeiten zur sicheren Überquerung für ziehende Wildtiere zu prüfen.

Junge Rothirsche werden immer häufiger von Straßen, Schienen oder Barrieren auf ihren Reisen gestoppt. | Foto: GettyImages/Mauinow1

Der Jagdbericht ist in diesem Jahr zum 20. Mal erschienen. Ministerin Otte-Kinast und Jägerschaftspräsident Dammann-Tamke lobten die regelmäßige Publikation als gemeinsame Erfolgsgeschichte von Agrarministerium und Landesjägerschaft und bezeichneten sie als entscheidendes Nachschlagewerk für Jäger, Politik und Öffentlichkeit. Finanziert wird der Jagdbericht aus der Jagdabgabe. Otte-Kinast würdigte, dass in dem an Umfang stetig gewachsenen Magazin die Informationen zur Wildtiererfassung mit den Jagdstrecken, also den getöteten Wildtieren, in Verbindung gesetzt und das Zahlenwerk zudem um erläuternde Fachartikel ergänzt werde. In dieser Ausgabe geht es etwa um die Novelle des Jagdgesetzes, die Wildarten mit ganzjähriger Schonfrist (Wolf und Goldschakal) sowie den Einsatz von Drohnen zur Wildtierrettung und um Projekte zur Umweltbildung.