Niedersachsen bereitet sich weiter auf die Ankunft der „afrikanischen Schweinepest“ (ASP) vor. Inzwischen sind bundesweit 125 infizierte Tiere identifiziert worden, der Großteil davon in Brandenburg. Am vergangenen Wochenende wurde nun ein erstes infiziertes Wildschwein in Sachsen gemeldet. Das Tier wurde bei einer Jagd erlegt und standardmäßig auf ASP getestet. Der Fundort befindet sich nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums in der Nähe der polnischen Grenze in der Oberlausitz, im Landkreis Görlitz.

Schweinepest auf dem Vormarsch: Das Problem ist nicht das erste tote Tier, sondern die anderen, die noch leben – Foto: Budimir Jevtic

„Bislang war überall dort, wo die ASP aufgetreten ist, eine dynamische Entwicklung zu beobachten“, erklärte eine Sprecherin des niedersächsischen Agrarministeriums auf Rundblick-Anfrage. Man sei über den neuen Fund daher nicht überrascht, aber beunruhigt. Die Experten gehen davon aus, dass die ASP früher oder später auch in Niedersachsen ankommen wird – allerdings eher aufgrund einer Verbreitung durch unachtsame Menschen und nicht über ein infiziertes Tier. Es sei doch sehr unwahrscheinlich, dass ein erkranktes Wildschwein die Elbe überquert, sagte kürzlich der Tierseuchen-Experte des Landesagrarministeriums, Michael Kühne.


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Um das ASP-Risiko zu senken, setzt das Land Niedersachsen auf eine vermehrte Jagd auf Wildschweine. Dass dies auch unter den Beschränkungen der Corona-Verordnung erlaubt ist, stellte Niedersachsens Agrarministerin gestern ausdrücklich klar. Neben der Einzeljagd seien auch Drückjagden zulässig, da diese der beruflichen Tätigkeit oder einer Tätigkeit der Gefahrenabwehr zuzuordnen sind. „Die Infektionskette bei der Übertragung des ASP-Virus kann nur durch niedrige Schwarzwildbestände verringert oder unterbrochen werden. Daher ist eine effektive Bejagung der Schwarzwildbestände jetzt vorrangig“, sagte Otte-Kinast.

Krisenstab übernimmt die Planung

Sobald der erste ASP-Fall in Niedersachsen festgestellt wird, tritt unmittelbar eine Sachverständigengruppe aus Jägern und Biologen zusammen – der ASP-Krisenstab. Wird ein ASP-Ausbruch in einer Wildschweinpopulation festgestellt, müssen die zuständigen Behörden in Absprache mit den Fachleuten ein Seuchengebiet und eine Pufferzone einrichten. Innerhalb des gefährdeten Gebietes kann zudem ein sogenanntes Kerngebiet eingerichtet werden. Die genauen Grenzen hängen eng mit dem Fundort des Tieres und der Umgebung zusammen und lassen sich nicht vorab einteilen – wo verlaufen Flüsse, Waldstücke, Autobahnen? In Brandenburg erstreckte sich das Gebiet zunächst über drei Landkreise.

Nach Angaben des niedersächsischen Agrarministeriums wird das Seuchengebiet einen Radius von 15 Kilometern rund um den Fundort des erkrankten Tieres haben, inklusive Pufferzone reicht das betroffene Gebiet dann 30 Kilometer um den Fundort herum. Im Seuchengebiet kann dann ein zeitlich befristetes Jagdverbot ausgesprochen werden, an das sich später eine verstärkte Bejagung anschließt. In der Pufferzone werden die Wildschweine direkt stärker bejagt. Womöglich werden auch Jagdschneisen angelegt. Dabei handelt es sich um breite Streifen auf landwirtschaftlichen Flächen wie etwa Maisfeldern, die kahl gemäht werden, damit sich dort keine Tiere verstecken können und die Jagd erleichtert wird. Die Behörden werden im Seuchengebiet zudem die Suche nach tot aufgefundenen Wildschweinen und die Untersuchung aller tot aufgefundenen oder erlegten Wildschweine anordnen. Es kann außerdem zu Einschränkungen bei der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommen. Das enger gefassten Kerngebiet kann zudem eingezäunt und mit einem Betretungs- und Befahrungsverbot belegt werden. Eine gesetzliche Pflicht dazu gibt es allerdings nicht.

Ein Zaun allein reicht nicht

Die Experten aus dem Agrarministerium warnen jedoch: „Man kann ein Seuchengeschehen nicht mit Mauern in der Natur eindämmen“, sagte Barbara Gottstein, im Landesagrarministerium zuständig für Tierseuchenbekämpfung. Sie gibt zu bedenken, dass sich die Wildtiere ins Dickicht zurückziehen, wenn sie krank sind. Bei der „afrikanischen Schweinepest“ handele es sich um eine sehr unangenehme Erkrankung. Sie führe zu inneren Blutungen bei den Tieren, die dann quasi von innen ertrinken. Das Blut wiederum sei äußerst ansteckend für andere Wildschweine – und das sogar noch nach langer Zeit, selbst wenn es in den Boden eingesickert ist.

„Kern des Problems ist nicht das erste tote Tier“, erläuterte Gottstein, sondern vielmehr diejenigen, die noch am Leben sind. Es sei nicht ratsam, durch zu schnelle Maßnahmen die kranken Tiere weiter zu verunsichern. Ein übereilter Zaunbau könnte womöglich zur Flucht der Tiere führen, die sich eigentlich gerade zum Sterben zurückgezogen hatten. In dieser Phase komme es dann vielmehr auf die Ortskenntnisse der heimischen Jäger an – die wüssten am besten, wo sich die Tiere für gewöhnlich aufhalten, und welche Orte sie für ihren Rückzug aufsuchen.

In Belgien und Tschechen hat sich diese Methode letztlich bewehrt: Eindämmen, tote Tiere auflesen und die übrigen Tiere töten. Dort konnte der ASP-Ausbruch innerhalb relativ kurzer Zeit eingedämmt und aufgehalten werden. Inzwischen gelten beide Staaten wieder als ASP-frei. Dieses Ziel ist auch für Deutschland besonders wichtig. Denn solange die Bundesrepublik als ASP-Fälle hat, unterbrechen zahlreiche außereuropäische Staaten den Schweinefleisch-Handel mit Deutschland.