Politik ist langweilig und der Wunsch, „irgendetwas mit Medien“ zu machen, ist bei Jugendlichen auch nicht mehr so verbreitet wie früher? Wer die Beiträge für den aktuellen Wettbewerb der Landesinitiative N-21 liest und hört, könnte Zweifel an diesen beiden Thesen bekommen. Seit nun 16 Jahren begleiten Schülergruppen aus niedersächsischen Schulen Plenarsitzungen des Landtags, um online darüber zu berichten. In jeder Plenarwoche übernimmt ein Landtagsabgeordneter die Patenschaft für eine Gruppe aus einer Schule in seinem Wahlkreis.

Die Auswahl und die gerechte Verteilung sind dabei gar nicht so einfach, berichtet N-21-Geschäftsführer Michael Sternberg. Schließlich stehen jedes Jahr 1100 Schulen in der Regel nur 11 Plenarsitzungen gegenüber, und die Liste der Interessenten ist lang. Schließlich gibt es nach jedem Schuljahr auch einen Preis. Einmal im Jahr werden zwei Gruppen gewürdigt, die im vergangenen Schuljahr mit ihren Beiträgen besonders überzeugt haben.

Am Montag war es wieder soweit: Landtagsvizepräsidentin Meta Janssen-Kucz überreichte eine Urkunde und ein Tablet an Desiree Feldmann, Justin Holz, Dorice Trautmann und Hilko Uphoff von der Schule „Am Extumer Weg“ in Aurich, eine Förderschule für Körperliche und Motorische Entwicklung. Sie gewannen den Preis in der Kategorie E-Paper. Ebenfalls geehrt wurden Carlotta Hohaus, Limara Leusmann, Julius Gretges und Max Spauschus vom Theodor-Heuss-Gymnasium in Wolfsburg. Sie gewannen in der Kategorie Online-Radio.

Sie sei immer wieder begeistert über die Kreativität der Schüler, sagte Landtags-Vizepräsidentin Meta Janssen-Kucz vor der Übergabe der Preise im Landtag und verwies auf das Ziel, mit der Initiative N-21 die Medienkompetenz der Schüler zu stärken und sie für Politik zu begeistern. „Ich beneide Euch nicht immer, früher war vieles auch einfacher“, sagte Janssen-Kucz den Schülern. In ihrer eigenen Jugend habe es nur eine Tageszeitung gegeben, die jeder gelesen habe. Heute fänden die Schüler in den sozialen Medien eine Flut von Informationen. Es sei schon einer Herausforderung, daraus die eigene Position zu den Themen herauszufiltern.

Was ist eigentlich ein Ordnungsruf?

Neben der Medienkompetenz hofft man im Landtag auch darauf, mit der Initiative das Interesse für politische Prozesse zu fördern. Janssen-Kucz zeigte Verständnis dafür, dass viele Schüler die Mitarbeit in Parteien häufig nicht mehr so interessant fänden, sich dabei auch an den Hierarchien störten. Die jungen Menschen wollten direkt mitmachen, sagte die Grünen-Politikerin und verwies als Beispiel auf die „Fridays-for-future“-Bewegung.

Das stehe im Gegensatz zum politischen Betrieb, in dem es oft langsam und zäh vorangehe. „Damit gebt Ihr Euch nicht zufrieden. Ich finde es richtig, dass Ihr uns Dampf macht“, sagte Janssen-Kucz. Die Schülerreporter, so hofft man im Landtag, können durch den Einblick in die Plenarwochen aber vielleicht auch verstehen, warum eben nicht immer alles so schnell geht, wie mancher es sich wünschen mag.

Ich fand’s ja ein bisschen langweilig, ich hoffe, Euch ging es nicht genauso.

Dass die Schüler mit politischen Themen kreativ umgehen können, haben sie auch in diesem Jahr wieder bewiesen. Für Begeisterung bei der Jury sorgte zum Beispiel ein Glücksrad-Roulette, das sich die Gewinner vom Theodor-Heuss-Gymnasium (THG) ausgedacht und daraus einen Podcast gemacht hatten. Dabei rollt die Kugel und fällt auf den Anfangsbuchstaben eines Fachbegriffes, der dann mit eigenen Worten erklärt wird. Was macht eine Enquetekommission? Was bedeutet Indemnität? Und was ist eigentlich ein Ordnungsruf?

Die letzte Frage hatte für die Schüler vom THG eine ganz besondere Bedeutung, schließlich kassierte ihr Pate, der FDP-Abgeordnete Björn Försterling, ausgerechnet in der Sitzung nach elf Jahren Parlamentszugehörigkeit seinen ersten Ordnungsruf. „Sie haben sich hier wirklich widerwärtig benommen“, sagte er am Rednerpult an die Adresse der AfD im Landtag. Im Interview mit den Schülern erklärte er später, den Ordnungsruf habe er dafür gerne in Kauf genommen.

An der Arbeit der Schüler aus Aurich, deren Pate der SPD-Abgeordnete Wiard Siebels war, gefiel der Jury unter anderem der Mut zur Meinung. „Bemerkenswert ist, dass die Redaktion zu einer eigenen Stilnote findet, indem den Berichten durchgängig Kurzkommentare hinzugefügt werden“, heißt es in der Bewertung der Juroren. Die Schüler hätten das eigene Erleben und die eigene Perspektive in die Berichterstattung eingebracht. Besonderes Lob bekam auch die Rubrik „Zwischendurch“, eine Art persönlicher Tagebuchnotiz. Sie mache deutlich, so die Jury, „dass eine langweilig scheinende Debatte, durch einen emotionalen, verbalen Schlagabtausch durchaus spannend werden kann“.

Nicht jede Plenarsitzung kann eben spannend wie ein Krimi sein. „Ich fand’s ja ein bisschen langweilig, ich hoffe, Euch ging es nicht genauso“, sagte auch der FDP-Abgeordnete Försterling am Ende der Sendung im Interview zu den Schülern des Theodor-Heuss-Gymnasiums. Für sie aber war die Plenarwoche eine spannende Erfahrung. Das „L“ für Langeweile kam im Glücksrad-Roulette der Schüler gar nicht vor. (MB.)