Es scheint schon so lange her zu sein – und war doch erst vor wenigen Monaten. Im Jahr 2019 brachte Finanzminister Reinhold Hilbers das Kunststück fertig, einen Rettungsplan für die angeschlagene Nord/LB zu schmieden und durchzusetzen. Die Landesbank war zuvor erheblich unter Druck geraten wegen der faulen Schiffskredite, die aus der Bilanz verschwinden mussten. Das alles geschah auf der Grundlage einer extrem schwachen Eigenkapitalbasis der Bank. Eine heftige und intensive Suche nach Auswegen begann, über die Beteiligung privater Investoren wurde gerungen, auch über eine mögliche Aufspaltung der Bank – oder über eine Fusion mit einer anderen Landesbank.

Hauptsitz der Nord/LB in Hannover – Foto: nkw

Heraus kam eine gemeinsame Hilfsaktion der deutschen Sparkassen auf der einen Seite, des Landes Niedersachsen als nach wie vor größtem Eigentümer auf der anderen. Eine drastischer Personalabbau wurde nötig – und eine völlig neues Geschäftsmodell. Vor zwei Jahren stand das Konzept, Ende 2019 wurde es beschlossen. Seither ist es in der Öffentlichkeit um die Nord/LB eher ruhig. Wie ist das alles aus heutiger Sicht gelaufen? Nord/LB-Vorstandschef Thomas Bürkle und Hilbers, der den Aufsichtsrat der Bank leitet, zeigten sich gestern im Haushaltsausschuss des Landtags zufrieden. „Vor allem dem Land Niedersachsen muss ich danken, es hat eine entscheidende Rolle gespielt“, hob Bürkle hervor. Inzwischen zeige die Bank „eine solide Entwicklung“ – und das sei, wie er einräumt, „keineswegs selbstverständlich“ gewesen.

Viele Zahlen geben heute Anlass zur Beruhigung. Die Eigenkapitalbasis habe 2018 bei nur 6,8 Prozent gelegen, „ganz nahe am Limit“, sagt Bürkle. Die Europäische Zentralbank habe seinerzeit die Möglichkeit gehabt, „den Stöpsel zu ziehen“, aber sie habe dann abgewartet und auf den Erfolg des Rettungsplans vertraut. Heute liegt die Kapitalquote bei 14,6 Prozent, aus den umstrittenen Schiffskrediten will die Nord/LB bis Ende dieses Jahres ganz aussteigen. Kreditvergaben für Erneuerbare Energien, Agrarprojekte, Immobilien, Infrastrukturvorhaben und regionale Projekte prägen weiter das Geschäft, „auch für Flugzeuge“, wie Bürkle hervorhob. Das löste im Haushaltsausschuss Nachfragen aus. Bernd Busemann (CDU) wandte ein, im Frachtschiffgeschäft werde Geld schon wieder verdient, während der Flugzeugbau riskant bleibe.

Für drei Tage nach New York zu reisen, um dort zwei Termine wahrzunehmen, dürfte nicht mehr so oft vorkommen.

Bürkle meinte, der Ausstieg aus der Schiffsfinanzierung sei nun mal eine klare Zusage an die Träger der Bank gewesen – außerdem sei das Problem vor Jahren entstanden, weil die Nachfrage nach Containerschiffen stockte und gleichzeitig in China viele neue Werften als zusätzliche Anbieter entstanden seien. Im Flugzeugbau sei die Situation nicht so angespannt, neue Anbieter gebe es nicht. Außerdem laufe der Flugverkehr in Asien und Nordamerika längst schon wieder normal – „das ist etwas, das man aus der europäischen Perspektive im Moment nicht so sieht“. Sicher werde es so sein, dass Geschäftsreisen eingeschränkt werden: „Für drei Tage nach New York zu reisen, um dort zwei Termine wahrzunehmen, dürfte nicht mehr so oft vorkommen“, erläuterte Bürkle, schränkte aber ein: „Der Tourismus wird wieder blühen, die Leute brennen darauf, wieder raus zu können.“

Im Haus wird heute ganz anders kommuniziert als vor fünf Jahren.

Das klare Konsolidierungsziel war die Halbierung der Bank, nun liegt die Bilanzsumme aber mit 126 Milliarden Euro über der Zielmarke – eine Konsequenz auch der Tatsache, dass Corona-Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau über die Nord/LB abgewickelt werden und nicht über Sparkassen und Volksbanken. „Wir tun das aus staatspolitischer Verantwortung“, betont der Nord/LB-Chef. Von derzeit 5000 Mitarbeitern sollen bis 2024 noch 2500 übrig bleiben, und viele sind schon gegangen. Dass die verbliebene Mannschaft dennoch engagiert und motiviert arbeitet, führte Bürkle auf eine besondere „Abschiedskultur“ zurück: Im Unterschied zu früher pflege man einen lockeren Umgangston, habe eine Hierarchieebene aufgelöst und beziehe möglichst viele Kollegen in die Entscheidungen ein. Das gehe nicht immer ohne Härten, aber im Großen und Ganzen herrsche bei vielen die Vorstellung, dass sie von der Nord/LB-Spitze nicht schlecht oder unfair behandelt würden. „Im Haus wird heute ganz anders kommuniziert als vor fünf Jahren“, sagte er. 80 Prozent der Mitarbeiter befänden sich derzeit im Homeoffice, und gefördert werde derzeit vor allem Flexibilität und Delegation von Entscheidungen. So könne jemand aus einer fremden Abteilung einspringen, wenn an anderer Stelle Personalnot entstehe – etwas, was früher nur schwer vorstellbar gewesen sei. Außerdem begleitet die Nord/LB den Abbau mit dreistelligen Millionen-Investitionen in eine neue IT, die „neue Bankensteuerung“. Die Verwaltungskosten sind seit 2017 bereits um 20 Prozent gesunken.

Im Haushaltsausschuss des Landtags kamen nun besorgte Fragen, ob nicht auch die Corona-Pandemie ihre Spuren hinterlassen werde. Hilbers erklärte, derzeit treffe das einige Branchen, die noch über Rettungsprogramme am Leben gehalten werden – etwa in der Gastronomie, im Hotelgewerbe oder im Einzelhandel. Aber irgendwann könne das Problem zu den Banken herüberschwappen, auch zur Nord/LB. Die Landesbank hat nach Bürkles Angaben 426 Millionen Euro als „Risikovorsorge“ zurückgelegt, davon 385 Millionen ohne konkreten zwingenden Anlass. Der Blick fällt dabei, wie Markus Brinkmann (SPD) und Stefan Wenzel (Grüne) fragten, auf Hotels, Bürogebäude oder auch Flugzeuge. Bürkle sieht die Entwicklung jedoch nur teilweise als drastisch an. Auch wenn in vielen Unternehmen die Leute inzwischen von zuhause aus arbeiteten, hätten sie doch einen Anspruch auf einen Büro-Arbeitsplatz, der drohende Leerstand in Bürogebäuden werde deshalb nicht so groß sein – derzeit im Übrigen erlebe man hier noch keinen Nachfrage-Einbruch. Das gelte auch generell für den Immobilienmarkt.

Der Nord/LB-Chef selbst hört Ende des Jahres altersbedingt auf. Wer die Nachfolge antritt, ist noch nicht geklärt. Im Haushaltsausschuss war es für Bürkle noch keine Abschiedsvorstellung, er will dort noch öfter über den Stand der Entwicklung berichten. (kw)