Manches spricht dafür, dass die politische Landschaft in Niedersachsen am 12. und dann am 26. September kräftig durchgerüttelt wird. Denn in mehr als der Hälfte der Kreise, Städte und Gemeinden sind nicht nur die allgemeinen Wahlen für die kommunalen Vertretungen, die Kreistage, Stadträte und Ortsräte, sondern zugleich auch noch Direktwahlen der Verwaltungschefs. Sollte am 12. September noch kein Bewerber über 50 Prozent kommen, finden dort parallel zur Bundestagswahl die Stichwahlen zwischen den beiden Bestplatzierten statt. Unter den rund 250 Kommunen mit Direktwahlen sind 22 der insgesamt 37 Landkreise, daneben werden noch elf Oberbürgermeister neu bestimmt. Der Rundblick schaut nun in die Orte, wo sich vermutlich die interessantesten Vorgänge abzeichnen.

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Lampenfieber in Oldenburg, Göttingen und Goslar

Seit es die OB-Direktwahlen gibt, hat es noch nach jeder Wahl in Oldenburg einen neuen Amtsinhaber gegeben. Diese Weisheit dürfte Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) nicht beruhigen. Sein CDU-Herausforderer Ulrich Gathmann, pensionierter Manager, will „Stadtvater“ sein und lässt alles ruhig angehen, der Grünen-Bewerber Daniel Fuhrhop hingegen wirkt forsch und zupackend, er könnte Krogmann gefährlich werden.

In Goslar war OB Oliver Junk (CDU) stets sehr populär, mit der Richterin Urte Schwerdtner (SPD) bekommt er nun aber eine starke, in der Stadt gut vernetzte Gegenkandidatin. In Göttingen wirken die Kandidaten von CDU und Grüne recht forsch. Der in Teheran geborene CDU-Bewerber Ehsan Kangarani, promovierter Jurist, bringt Farbe in den Wahlkampf wie auch Doreen Fragel (Grüne), Geschäftsführerin der Energieagentur. SPD-Bewerberin Petra Broistedt, bisher Corona-Krisenstableisterin, vertritt eher das gewohnte Establishment. Das Rennen ist hier völlig offen.

CDU hofft auf Wolfsburg und Osnabrück, SPD auf Braunschweig

Die CDU setzt darauf, dass der Erste Stadtrat Dennis Weilmann (46) in Wolfsburg gute Chancen auf den OB-Posten hat. Die SPD präsentiert die auch von der FDP gestützte Jugenddezernentin Iris Bothe, die Grünen den Ratsherrn Frank Richter. Im benachbarten Braunschweig setzt die SPD auf die Kompetenz ihres Kandidaten Thorsten Kornblum, des Rechts- und Ordnungsdezernenten, der lange Zeit Büroleiter von Innenminister Boris Pistorius war.

Der CDU-Kandidat Kaspar Haller inszeniert sich als jemand, der von außen die Politik aufmischen will – für den Geschmack manches Beobachters übertreibt er dabei aber. Drei andere Bewerber, darunter die Architektin Tatjana Schneider (Grüne), gelten als wenig aussichtsreich. In Osnabrück bringt die CDU-Bewerberin Katharina Pötter Schwung in das Kandidatenfeld, die bisherige Sozialdezernentin dürfte die besten Chancen haben. Der SPD-Kandidat und Landtagsabgeordnete Frank Henning fällt hinter ihr zurück, für die Bewerber von Grünen und FDP gilt das auch.

Sichere Bank in Salzgitter, Hildesheim und Hameln

Die OBs in Hameln (Claudio Griese, CDU), Salzgitter (Frank Klingebiel, CDU), und Hildesheim (Ingo Meyer, parteilos) bekommen Herausforderer – doch eigentlich können alle drei ganz frohen Mutes sein, sie gelten als Favoriten. In Hildesheim stellt die CDU einen eigenen Bewerber auf, obwohl Meyer eigentlich als „bürgerlicher“ Kandidat gilt. In Delmenhorst kann sicher von einer Stichwahl ausgegangen werden, es gibt zehn Kandidaten und keinen Favoriten, nicht einmal eine favorisierte Partei.

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In Lüneburg bleibt das Feld auch ungeklärt: Dezernentin Pia Steinrücke wird von der SPD aufgeboten, die bisherige Landesbeauftragte Monika Scherf von der CDU. Claudia Kalisch, bisher Samtgemeindebürgermeisterin von Amelinghausen, tritt für die Grünen an. Der Unternehmer Holger Meyer, der früher in der SPD aktiv war, bereichert das Feld noch. Überraschungen sind möglich, Vorhersagen schwierig.

SPD Favoritin im Kreis Göttingen, CDU in Helmstedt

Der Erste Kreisrat im Kreis Göttingen, Marcel Riethig, ist wohl Favorit für die Landratswahl und Nachfolge von Bernhard Reuter (SPD). Für die CDU tritt Dezernentin Marlies Dornieden an, für die Grünen Marie Kollenrodt. In Helmstedt hat Landrat Gerhard Radeck (CDU) wohl die besten Chancen gegenüber SPD-Bewerber Jan Fricke.

Spannend wird die Wahl im Heidekreis: Landrat Manfred Ostermann hat erklärt, erneut antreten zu wollen, bekommt aber einen von CDU, SPD, Grünen und Bürgerunion gemeinsam getragenen Gegenkandidaten – den bisherigen Leiter der Landesaufnahmebehörde, Jens Grote.

„Bereinigtes Feld“ in sieben Landkreisen

In etlichen Kreisen ist am Ende zur ein Bewerber übrig – zuweilen auch, weil die Parteien im Vorfeld eine Verständigung erzielt haben. So stützt in Wittmund die CDU Landrat Holger Heymann (SPD), in Vechta bleibt CDU-Bewerber Tobias Gerdesmeyer ohne ernstzunehmenden Herausforderer, in Leer Landrat Matthias Groote (SPD) und in Celle der CDU-Landratskandidat und bisherige Erste Kreisrat Axel Flader. Das gilt auch für Landrat Bernd Lütjen (SPD) in Osterholz.

In Rotenburg/Wümme wollten SPD und Grüne Volker Herling aufstellen gegen den CDU-Kandidaten Marco Prietz – doch Herling zog dann wieder zurück. Im Kreis Oldenburg tritt der umtriebige Christian Pundt an, bisher Bürgermeister von Hatten. Der parteilose Verwaltungswirt und Polizeiausbilder hat inzwischen fast alle politischen Kräfte im Kreis hinter sich versammelt – eine CDU-Interessentin aus Köln, die zwischenzeitlich auch im Gespräch war, erkannte das und schmiss das Handtuch. In Cloppenburg wird Landrat Johann Wimberg (CDU) zwar von Stefan Riesenbeck (SPD) herausgefordert, dürfte aber in dieser Konstellation der klare Favorit sein.

Für manche Abgeordnete wird es knapp

Sieben Landtagsabgeordnete wollen Landräte werden. In Gifhorn will MdL Tobias Heilmann (SPD) Landrat Andreas Ebel (CDU) ablösen, der Ausgang ist offen. In Stade möchte MdL Kai Seefried (CDU) Landrat werden, die SPD bietet mit Björn Protze einen zweiten Bewerber auf, nachdem der erste aufgegeben hatte. Trotzdem kann es für Seefried knapp werden. MdL Jens Nacke (CDU) stößt als Landratskandidat im Ammerland auf Karin Harms, die von SPD, Grünen und UWG gestützt wird, auch hier ist nichts sicher. Im Kreis Goslar stößt MdL Alexander Saipa (SPD) auf einen schwachen CDU-Gegenbewerber, deshalb spricht viel für seinen Sieg.

In Hildesheim hingegen, einem eigentlich sozialdemokratisch geprägten Landkreis, ist der Erfolg von MdL Bernd Lynack (SPD) als Landratskandidat nicht sicher – für die CDU tritt die Erste Kreisrätin Evelin Wißmann an, die nach dem Aus des bisherigen Hildesheimer Landrats die Amtsgeschäfte im Kreishaus führt. Spannung verspricht die Wahl im Kreis Northeim, einer eigentlich auch „roten“ Gegend. MdL Christian Grascha (FDP) wird von seiner Partei, der CDU und der Bürgerliste gestützt, er fordert Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (SPD) heraus. Gerade in Einbeck ist Grascha sehr beliebt. In Wolfenbüttel werden MdL Björn Försterling (FDP) hingegen eher geringere Chancen zugesprochen, er tritt gegen die amtierende Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD) an. Für die CDU bewirbt sich Uwe Schäfer, ein volkstümlicher Versicherungskaufmann, für die Grünen der junge Architekt Leo Pröttel. Steinbrügges Erfolg ist keineswegs wahrscheinlich.

Unübersichtlichkeit in vier Kreisen

In vier Landkreisen ist der Ausgang schwer kalkulierbar: In der Region Hannover treten Steffen Krach (SPD), Christine Karasch (CDU), Frauke Patzke (Grüne) und Siegfried Reichardt (AfD) für das Amt des Regionspräsidenten an. Derzeit ist schwer kalkulierbar, wer die Nase vorn hat – viel spricht für eine Stichwahl. Die SPD betreibt gegenwärtig starke Sympathiewerbung für Krach – „ohne Krawatte, voller Energie“ lautet ein Spruch. Im Kreis Peine hat die dort erfolgsverwöhnte SPD den Kreisrat Henning Heiß aufgestellt. Die Grünen halten mit der Sozialarbeiterin Stefanie Weigang dagegen, die CDU wagt ein Experiment und präsentiert in einer konservativen Gegend die aus dem Iran stammende Banafsheh Nourkhiz, bisher Gleichstellungsbeauftragte beim Landkreis. Vermutlich ist Heiß der Favorit.

Im Kreis Wesermarsch ist völlig unklar, wer unter den Landratsbewerbern die Nase vorn haben wird – der Kaufmann Stephan Siefken (CDU), der Wattenmeer-Forum-Geschäftsführer Frank Ahlhorn (SPD und WG) oder der Verwaltungsmitarbeiter Harm Ellinghusen (Grüne). Das gilt auch für den Kreis Lüchow-Dannenberg, wo sich der Bankkaufmann Hanno Jahn (CDU), die Krankenschwester Heike Bade und die Kreisbedienstete Dagmar Schulz (Einzelbewerberin, gestützt von den Grünen) gegenüberstehen. Hier fällt jede Prognose sehr schwer. (kw)