Wilhelm Stuckart (1902-1953), ehemaliger Staatssekretär im Reichsinnenministerium und SS-Obergruppenführer, spielt in den derzeitigen Rückblicken auf die sogenannte „Wannseekonferenz“ vor 80 Jahren eine Rolle – so auch im Fernsehfilm, der am Montagabend (24. Januar) im ZDF ausgestrahlt wird und ab sofort in der ZDF-Mediathek verfügbar ist.

Am 20. Januar 1942 treffen sich in einer Villa in Berlin-Wannsee hochrangige Vertreter des NS-Regimes zu einer Besprechung, die als Wannsee-Konferenz in die Geschichte eingeht. Das ZDF hat aus dem historischen Stoff einen Fernsehfilm gemacht. | Foto: ZDF/Julia Tjerung

Stuckart gehörte zu den Teilnehmern dieser Runde, die unter Leitung von Reinhard Heydrich die Ermordung von elf Millionen Juden in Europa plante und organisierte. Vorher hatte er gemeinsam mit Adenauers späteren Kanzleramtschef Hans Globke die juristischen Kommentare zu den Nürnberger Rassegesetzen geschrieben. Weitgehend unbekannt ist, dass Stuckart nach 1945 in Niedersachsen eine merkwürdige Karriere machte.

Erst Nazi, dann Stadtkämmerer in Helmstedt

Wilhelm Stuckart auf der Anklagebank am 1. Oktober 1948. | Foto: US Army Signal Corps

Wie der Celler Historiker Eike Frenzel erläutert, der über den „Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE) geforscht hat, wurde Stuckart zunächst Stadtkämmerer in Helmstedt, wechselte dann aber bald zum „Institut zur Förderung der niedersächsischen Wirtschaft“. Dabei soll der Goslarer CDU-Politiker Otto Fricke eine Rolle gespielt haben. Das Institut habe das Ziel gehabt, antikommunistische Parteien finanziell zu stützen. 1947 war Stuckart wegen seiner wichtigen Rolle im System zunächst der Prozess gemacht, das Strafmaß wurde aber auf drei Jahre und zehn Monate bemessen, seine bisherige Untersuchungshaft wurde berücksichtigt, er kam damit gleich wieder frei. Bei der Entnazifizierung wurde Stuckart erst als „Mitläufer“ eingestuft, ein späteres Verfahren in Berlin rollte die Sache dann wieder auf.

Am 20. Januar 1942 treffen sich in einer Villa in Berlin-Wannsee hochrangige Vertreter des NS-Regimes zu einer Besprechung, die als Wannsee-Konferenz in die Geschichte eingeht. Das ZDF hat aus dem historischen Stoff einen Fernsehfilm gemacht. | Foto: ZDF/Mathias Bothor

Stuckarts Idee: Zwangssterilisation von „Halbjuden“

Stuckart trug damals vor, in der Wannseekonferenz die Zwangssterilisation von sogenannten „Halbjuden“ vorgeschlagen zu haben – in der Absicht, deren Ermordung zu verhindern. Außerdem gab er an, wie Frenzel erforschte, dass er in Kontakt mit den Hitler-Attentätern des 20. Juli 1944 gestanden habe. In Niedersachsen wurde Stuckart „strategischer Berater“ der BHE-Landtagsfraktion, die von 1951 bis 1963 in verschiedenen Koalitionen unter Hinrich-Wilhelm Kopf (SPD) und Heinrich Hellwege (DP) sogar an der Regierung beteiligt war.

Im Konferenzraum: Die Besprechung beginnt. Von hinten rechts nach links: Dr. Rudolf Lange (Frederic Linkemann), Dr. Eberhard Schöngarth (Maximilian Brückner), Dr. Josef Bühler (Sascha Nathan), Dr. Georg Leibbrandt (Rafael Stachowiak), Dr. Alfred Meyer (Peter Jordan), Adolf Eichmann (Johannes Allmayer), Ingeburg Werlemann (Lilli Fichtner), Heinrich Müller (Jakob Diehl), Reinhard Heydrich (Philipp Hochmair), Otto Hofmann (Markus Schleinzer), Dr. Gerhard Klopfer (Fabian Busch), Friedrich Wilhelm Kritzinger (Thomas Loibl), Dr. Wilhelm Stuckart (Godehard Giese), Martin Luther (Simon Schwarz), Erich Neumann (Matthias Bundschuh), Dr. Roland Freisler (Arnd Klawitter). | Foto: ZDF/Julia Terjung

Im Hintergrund habe er etwa mitgeholfen, BHE-Positionen zur Kommunalverfassung zu schreiben. Stuckart kam einen Tag vor seinem 51. Geburtstag ums Leben, und zwar bei einem Autounfall auf der Fahrt von Hannover in seinen Wohnort Lemmie (Stadt Gehrden/Region Hannover).