14. März 2024 · 
Umwelt

Russische Staatsbedienstete in Lingen? Rot-Grün und CDU zeigen sich skeptisch

Der französische Konzern ANF betreibt in Lingen (Kreis Emsland) eine Fabrik zur Herstellung von Brennelementen für Kernkraftwerke. Nun will das Unternehmen Brennstäbe für Atomkraftwerke russischer Bauart fertigen, die in den Ländern Slowakei, Tschechien, Ungarn, Bulgarien und Finnland benötigt werden. Ein Dilemma wird hier deutlich: Die Länder, die bei ANF nach den Brennstäben nachgefragt haben, gehören zu den Verbündeten der Bundesrepublik und stehen im aktuellen Krieg auf der Seite der EU, also auf der Seite der Ukraine. Aber ihre Energieversorgung können sie nur mit Material sicherstellen, das auf russischem Wissen basiert. Daher hat der Mutterkonzern der ANF, Framatome, in Frankreich ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer Tochter des russischen Staatskonzerns Rosatom geschlossen. ANF braucht für den Betrieb in Lingen eine Genehmigung – und die muss Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) als Aufsichtsbehörde billigen. Soll er das nun tun oder nicht?

Ein Blick in die Fertigung von ANF in Lingen. | Foto: ANF

Die Grünen-Landtagsfraktion beantragte zu dieser Frage eine aktuelle Debatte im Landtag unter der Überschrift: „Keine Geschäfte mit Putin – russischen Einfluss auf die Brennelemente-Fertigung in Lingen abwenden“. Die Grünen-Abgeordnete Britta Kellermann nannte es merkwürdig, dass Rosatom freiwillig bereit sei, sein Wissen zur Herstellung von Brennelementen mit den Franzosen zu teilen – angesichts der Tatsache, dass die Empfängerstaaten im Randbereich Russlands von diesen Brennstäben abhängig sind. Kellermann befürchtet, Russland wolle über dieses Joint-Venture mit Framatome seinen Einfluss auf die Energiepolitik der osteuropäischen Staaten erhöhen – und Putin „weitet seine Dominanz in diesem Bereich damit erheblich aus“.

Nun verweist die Grünen-Politikerin auf die Tätigkeit der amerikanischen Firma Westinghouse, die bereits in der Lage sei, ohne russische Beteiligung die Brennstäbe für Kernkraftwerke russischer Bauart herzustellen. Das geschehe in Schweden und Empfänger sei die Ukraine. „Was Westinghouse schafft, muss doch auch bei der ANF möglich sein“, sagte sie.

Britta Kellermann | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Die Sprecher von SPD und CDU äußerten sich zurückhaltender. Marcus Bosse (SPD) sagte, bei einer Entscheidung sei „die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik zu prüfen“, und dies sei „die Sache des Bundes“. Das wiederholte Bosse noch einmal, sodass man es auch als Aufforderung an Umweltminister Meyer verstehen kann, sich in dieser Frage zurückzuhalten. Laut Bosse hat ANF bisher „noch nicht das ausreichende Knowhow, ohne die Russen auszukommen“.

Jonas Pohlmann (CDU) meinte, man müsse sich die Details der Kooperation von ANF und Rosatom genau anschauen. Es wäre falsch, „wenn Minister Meyer heute schon sagen würde, dass es nicht geht“. Minister Meyer selbst sprach von einer „hochbrisanten“ Fragestellung und meinte: „Es wäre gut, wenn es eine Alternative ohne russische Beteiligung gäbe.“ Die Genehmigung könne versagt werden, „wenn die äußere oder innere Sicherheit Deutschlands gefährdet ist“. Ein Gutachten des Atomrechtlers Prof. Gerhard Roller habe beschrieben, dass es auch darauf ankomme, welche Mitarbeiter dann in Lingen tätig werden und worauf sie Zugriff bekommen könnten. Laut Meyer liegen inzwischen mehr als 10.000 Einwendungen von besorgten Bürgern gegen die geplante Kooperation in Lingen vor. Diese werde man „zusammen mit dem Bund genau prüfen“.

Der AfD-Abgeordnete Omid Najafi nutzte die von den Grünen beantragte aktuelle Debatte zu einem scharfen Angriff auf die Partei: „Im selbstgeschaufelten Grab der Energiewende ist es für die Grünen jetzt einsam geworden.“ Das klare Nein zur Atomkraft habe diesen Wirtschaftszweig hierzulande geschwächt, Russland habe damit weltweit seine Aktivität in diesem Bereich aber ausbauen können. Die Abkehr von der fossilen Energie habe bewirkt, dass Moskau seine Geschäfte mit anderen Staaten, etwa Indien, ausgeweitet habe – die Stärkung Putins sei also die Folge gewesen.

Dieser Artikel erschien am 15.3.2024 in Ausgabe #050.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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