Der Psychologe und Islamismusexperte Ahmad Mansour hält eine Diskussion über Leitkultur in Deutschland für unverzichtbar. „Ich weiß nicht, ob Leitkultur als Begriff richtig ist. Aber der Ansatz des Innenministers an sich ist gut“, sagte Mansour im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick am Rande einer Veranstaltung der niedersächsischen Konrad-Adenauer-Stiftung in Hannover.

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Mansour hält es für wichtig, ein Wir-Gefühl in Deutschland schaffen. „Wir müssen den Menschen klar machen, was sie persönlich davon haben, wenn sie nach dem Grundgesetz leben. Dabei muss man zum Beispiel die Frage beantworten: Was hat meine Frau oder meine Tochter von Frauenrechten? Das kostet unglaublich viel Zeit, ist aber auf lange Sicht nötig.“ Mansour fordert auch mehr Professionalität in der Integration. „Viele Ehrenamtler haben unglaublich viel geleistet. Aber Integration kann nicht nur auf ehrenamtlichen Helfern basieren“, so Mansour. Die Qualität der Integrationskurse müsse gesteigert werden. Zudem dürfe nicht nur Sprache vermittelt, sondern es müsse auch über Werte gesprochen werden.

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Auch die Journalistin Düzen Tekkal hält die Debatte für wichtig. „Der Begriff der Leitkultur ist zwar negativ, weil er wie von einer Regierungshülle umgeben wahrgenommen wird, als Kommunikation von oben nach unten. Was aber damit gemeint ist, ist sehr entscheidend“, sagte Tekkal dem Rundblick. „Leitkultur wird durch die Verfassung definiert, und wir müssen darüber sprechen, was kulturell mit der Verfassung einhergeht, und was die Kultur unseres Landes nicht leisten will.“

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Für Tekkal darf sich die Gesellschaft nicht dadurch definieren, wie sie auf andere reagiert. Sie müsse erkennen, was für sie selbst wichtig und verbindlich ist. „Da halte ich es mit dem Grundgesetz. Das sind wir auch unseren Gründervätern und -müttern schuldig – die haben unsere Freiheit erkämpft. Werte fallen nicht wie Taler vom Himmel und wir müssen nur die Schürze aufhalten und sie einsammeln. Wir müssen sie erkämpfen, und das ist verdammt anstrengend.“ Tekkal sieht zum Beispiel in den Schulen immer noch eine gläserne Decke für Migrantenkinder, plädiert aber zugleich für mehr Eigenverantwortung. „Die kollektive Aneignung der Opferrolle ist in Zuwandererfamilien ausgeprägter, weil sie auch von vielen Linksliberalen befeuert wird. Das ist falsch.“

Martin Brüning, Bernd Althusmann, Düzen Tekkal, Ahmad Mansour, Christoph Rass, Christoph Bors (v.l.n.r) – Foto: KAS Niedersachsen

Der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann hadert ein wenig mit dem Begriff der Leitkultur. Man könne darüber diskutieren, ob man das Wort nun mit „t“ oder „d“ schreiben solle. In der Debatte selbst gehe es aber um die wichtige Frage, für welche Werte die Gesellschaft steht und was sie zusammenhält. „Das ist die DNA unserer Gesellschaft. Wir sollten Flüchtlingen mit einer tiefen Grundüberzeugung deutlich machen, was von ihnen erwartet wird, ohne ihnen von oben herab etwas vorzuschreiben“, so Althusmann.

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Zugleich warnte er vor Fehlern bei der Integration und nannte dabei die Entwicklung in Salzgitter. Dort lassen sich besonders viele syrische Flüchtlinge nieder, in der Politik befürchtet man teilweise eine „Ghetto-Bildung“. Althusmann kritisierte, dass die Landeregierung auf das Instrument der Wohnsitzauflage verzichtet. „Sie hätte damit zumindest für drei Jahre etwas Luft verschaffen und mit einer Steuerung des Landes vermeiden können, dass sich Parallelgesellschaften bilden.“ Der CDU-Landesvorsitzende plädierte für eine möglichst gleichmäßige Verteilung und damit auch Integration in Niedersachsen. „Wir wollen gerade nicht, dass sich bestimmte Gruppen isolieren.“

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Mansour ging im Gespräch mit dem Rundblick auch auf das Problem des Antisemitismus ein und attestierte der Gesellschaft ein sehr kurzes kollektives Gedächtnis. „Erst 2012 wurde in Berlin ein Rabbiner auf offener Straße angegriffen. Und in deutschen Städten gibt es ‚No-go-Areas‘, in denen sich Juden mit einer Kippa nicht bewegen können.“ Antisemitismus finde man überall in der Gesellschaft. Auch der muslimische Antisemitismus sei kein neues Phänomen. „Dort hat er viel mit dem Nahost-Konflikt und Verschwörungstheorien zu tun, es gibt eine religiöse Dimension.“ Mansour sieht in diesem Zusammenhang Änderungsbedarf in der Bildungspolitik. In den Schulen werde zwar über den Holocaust und das Dritte Reich gesprochen. „Aber können die Lehrer Antisemitismus im Kontext des Nahost-Konfliktes ansprechen? Die Antwort ist meistens: nein. Denn es war weder Teil ihrer Ausbildung noch ist es in den Lehrplänen vorgesehen. Das müssen wir ändern.“