Gut drei Stunden haben die Unterhändler von SPD und CDU am Mittwoch zusammengesessen, und am Ende traten Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und CDU-Verhandlungsführer Bernd Althusmann sogar gemeinsam vor die Presse. Beide empfahlen ihren Landesvorständen, jetzt offizielle Koalitionsverhandlungen zwischen Sozial- und Christdemokraten aufzunehmen. Die beiden Vorstände segneten das am Abend dann auch ab.

Ausgerechnet im Fraktionsraum der FDP trafen sich SPD und CDU zum Gespräch – Foto: MB.

Wie Teilnehmer der internen Sondierungsrunde hinterher berichteten, haben sich beide Seiten ein weiteres großes Stück angenähert. Damit rückt eine Große Koalition jetzt in greifbare Nähe. Der interne Terminplan sieht nun so aus: Sozial- und Christdemokraten bilden Untergruppen der Verhandlungskommission, die über Fachfragen beraten. Diese fangen morgen mit ihrer Arbeit an, bis 9. November sollen sie Resultate vorlegen, sodass die große Verhandlungsrunde mit den Parteispitzen die Zwischenergebnisse am 10. November absegnen kann. Am darauf folgenden Dienstag, dem 14. November, ist die konstituierende Sitzung des Landtags, parallel sollen dann die Ergebnisse der Gespräche in Papiere eingearbeitet werden, die den Entwurf eines Koalitionsvertrages ergeben.

Dieser Vertrag, der am 15. oder 16. November fertiggestellt sein soll, dürfte dann auf einem SPD-Landesparteitag und einem „kleinen Parteitag“ der CDU am 18. November diskutiert und abgestimmt werden. Wenn alles glatt läuft und die Parteigremien ihr Ja-Wort zu den Verhandlungen geben, wählt der Landtag am Mittwoch, 22. November, Stephan Weil erneut zum Ministerpräsidenten. Gleich anschließend würde Weil sein SPD/CDU-Kabinett vorstellen, voraussichtlich mit Althusmann an Vize-Ministerpräsidenten.

Wir haben in allen Bereichen festgestellt, zum Teil einig und zum Teil uneinig zu sein. – Stephan Weil, niedersächsischer Ministerpräsident

War die Atmosphäre des ersten SPD/CDU-Treffens in der vergangenen Woche anfangs noch etwas frostig, so hieß es gestern, es sei „überraschend harmonisch“ und „entspannter“ gewesen. Alle Themenbereiche der Landespolitik seien angesprochen worden, weil man testen wollte, ob es in irgendeinem Feld unüberbrückbare Hindernisse für eine gemeinsame Regierungsarbeit geben könnte. Diese Frage wurde am Ende verneint, und sowohl Weil als auch Althusmann verwendeten später den Begriff vom „Pragmatismus“: „Wir haben in allen Bereichen festgestellt, zum Teil einig und zum Teil uneinig zu sein. Da hilft dann Pragmatismus, damit wir in vielen Bereichen schnell konkret werden können“, hob der Ministerpräsident hervor und fügte hinzu: „Es gibt eine hinreichend breite Basis, jetzt in konkrete Verhandlungen zu gehen.“

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Althusmann sagte, er sei „sehr zuversichtlich, dass es gelingen kann, schnell eine gemeinsame Regierung zu bilden“. Weil meinte, die SPD sei sich bewusst, dass man nach der Absage der FDP an eine Ampel „unter den gegebenen Umständen nur die eine Option mit der CDU hat, eine stabile Regierung zu bilden“. Althusmann meinte: „Die Vertrauensbasis ist gelegt, sie wird weiter wachsen.“ Eine Große Koalition müsse etwas Neues bieten, sie müsse „auch für Aufbruch stehen“. Weil drückte sich etwas vorsichtiger aus und sagte, die Verhandlungen mit den Christdemokraten könnten gelingen oder nicht gelingen, sie würden aber „auf jeden Fall in aller Ernsthaftigkeit geführt werden“.

In den Gesprächen haben beide Parteien ihre größten Unterschiede vor allem in der Innen- und Bildungspolitik festgestellt. Die CDU hatte eine bis zu 18 Monate dauernde Vorbeugehaft für „Gefährder“ gefordert, aus Sicht der SPD ist dies viel zu lang. Außerdem plädiert die Union dafür, Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern bis zur Entscheidung über den Antrag in Aufnahmezentren zu belassen und sie nicht auf die Kommunen zu verteilen. Die SPD sieht das anders. Die SPD will ein Kommunal-Förderprogramm an konkrete Bedingungen knüpfen, die CDU will stattdessen die Summen der Landeszuschüsse an Kommunen ohne Zweckbindung erhöhen. Die CDU hat im Wahlkampf erklärt, die bestehenden Förderschulen erhalten und die Inklusion mit gedämpfter Geschwindigkeit einführen zu wollen. Die SPD hingegen warnte vor einer Pause im gemeinsamen Unterricht für behinderte und nicht-behinderte Kinder.