7. Sept. 2016 · 
Kommentar

Anspruch und Wirklichkeit

Darum geht es: Mit dem Programm „Sprint-Dual“ wollen Landesregierung und Arbeitsagentur junge Flüchtlinge besser auf eine Ausbildung vorbereiten. Ein Kommentar von Martin Brüning.

An zwei Dingen mangelt es bei der Hilfe für Flüchtlinge nicht: An Geld und gutem Willen. Was in Niedersachsen in kürzester Zeit an Unterstützung aufgestellt wurde, sowohl von Freiwilligen als auch von Behörden und Unternehmen, ist beachtlich. Sprachlernklassen, das Sprint-Projekt, das IHAFA-Projekt für handwerkliche Ausbildung, regionale Ausbildungsinitiativen – inzwischen fällt es schwer, den Überblick über all die Maßnahmen und Initiativen zu behalten. Das muss derzeit (noch) kein Nachteil sein. Bei der Unterstützung der Flüchtlinge hat das Motto „viel hilft viel“ seine Gültigkeit. Jeder Praktikums- und jeder Ausbildungsplatz, der vergeben wird, kann langfristig ein Gewinn sein – für den Flüchtling und für die Gesellschaft.

Dabei muss klar sein, dass uns allen ein langer Weg bevorsteht. Das größte Integrationshemmnis ist und bleibt die Sprache. Die allerwenigsten Flüchtlinge sprechen Deutsch und auch die englische Sprache ist nicht so verbreitet, wie es vielleicht wünschenswert wäre. Schwedische Experten sprechen davon, dass der Prozess der Integration bei einem Flüchtling etwa sechs bis sieben Jahre dauert. Gerade vor diesem Hintergrund hat der Chef der regionalen Agentur für Arbeit, Klaus Stietenroth, recht, wenn er die Erwartungen in Bezug auf die Zahl der Ausbildungsplätze für Flüchtlinge dämpft und salopp sagt: „Ich freue mich für jeden, der nachher kleben bleibt.“ Die Hürde sind dabei nicht die Unternehmen. Gerade viele Mittelständler in Niedersachsen gehen finanziell in Vorleistung und bieten zahlreiche Praktikumsplätze an, die dann in Ausbildungsplätzen münden können. Die Hürde liegt eher in der Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Flüchtlinge, schnell Geld zu verdienen, und der Wirklichkeit des Arbeitsmarktes, auf dem das ohne eine passende Ausbildung nur schwer zu verwirklichen ist.

https://soundcloud.com/user-385595761/klaus-stietenroth

Dennoch werden viele Flüchtlinge in Niedersachsen am Ende die Chance auf einen guten Job haben. Die Frage, die allerdings zeitnah gestellt werden muss, lautet: Wie geht es weiter mit den Flüchtlingen, die nicht vermittelt werden konnten? Sie stellen in den kommenden Jahren eine große Herausforderung für Politik und Gesellschaft dar. Über ein entsprechendes Auffangmanagement sollte man sich bereits jetzt Gedanken machen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #160.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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