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Der AfD-Landesvorstand ist vorläufig mit seinem Versuch gescheitert, die Landesliste per Briefwahl von den rund 2500 Mitgliedern aufstellen zu lassen. Es hatten sich zwar 74 Interessenten gemeldet, darunter fast alle bisherigen AfD-Landtagsabgeordneten, der Landesvorsitzende Jens Kestner und sein Vor-Vorgänger Armin-Paul Hampel. Aber nur einer der 74 Bewerber erreichte im ersten Durchgang das nötige Quorum von mindestens 50 Prozent Zustimmung – dabei handelt es sich um den Gifhorner Arzt für Radiologie und Allgemeinmedizin Stefan Marzischewski-Drewes (56), der auch Vorsitzender der AfD-Fraktionen im Rat der Stadt Gifhorn und im Gifhorner Kreistag ist. Alle anderen 73 Bewerber verfehlten die erste Hürde, blieben also unterhalb von 471 Ja-Stimmen, die nach den eigenen Regeln der AfD bei einer Teilnehmerzahl von 940 abstimmenden niedersächsischen AfD-Mitgliedern nötig gewesen wäre.

Abstimmung beschädigt AfD Niedersachsen

Das Resultat ist damit nicht nur ein Debakel für den Landesvorsitzenden Kestner, der gegen interne Widerstände für die Briefwahl stark gemacht hatte. Es belegt gleichzeitig die totale Zerstrittenheit der Partei. Sämtliche bisherigen Repräsentanten der AfD Niedersachsen, alle Landtagsabgeordneten und Parteifunktionäre, gehen beschädigt aus dieser Abstimmung heraus – bis auf Marzischewski-Drewes, der allerdings auch nicht unumstritten ist. Bei der Aufstellung der AfD-Landesliste 2017 war es zu einem heftigen Streit zwischen ihm und Kestner (damals Generalsekretär) gekommen, die Vorwürfe reichten damals von übler Nachrede bis hin zu heimlicher Bespitzelung und Einbruchsversuch. Die juristische Aufarbeitung verlief damals allerdings im Sande, gegen keinen Beschuldigten erhärteten sich die Vorhaltungen.

Landesparteitag soll Ende Mai stattfinden

Zwar bemüht sich der Landesvorstand derzeit angeblich noch, die Briefwahl zu retten. In einem nächsten Schritt könnte noch einmal versucht werden, die nötigen Mehrheiten zu bekommen. Intern wachsen allerdings Zweifel. Parallel bemüht sich der Landesvorstand, auf Druck des Bundesvorstandes, zu einem Landesparteitag einzuladen. Drei Hallen wurden anvisiert, die Sparkassenarena in Aurich, die LKH-Arena in Lüneburg und die Stadthalle in Walsrode. In allen drei Fällen gab es Absagen, und jeweils versucht die AfD nun auf dem Klageweg, sich ein Recht zu verschaffen – da Hallen im öffentlichen Eigentum verpflichtet sind, an Parteien zu vermieten. Ein besonderer Fokus liegt nun auf der Stadthalle in Walsrode, die für den 28. und 29. Mai gebucht werden soll. Hier soll es zunächst allerdings um einen Landesparteitag gehen, nicht um die Aufstellung der Landesliste. Die Einladungen sind schon verschickt, und darin heißt es, der Ort könne kurzfristig per „Umladung“ noch verändert werden – wenn das juristische Ringen um die Stadthalle Walsrode für die AfD erfolglos bleiben sollte. Doch wohin würde man dann ausweichen? Etwa in ein Zelt auf dem Schützenplatz in Hannover, wie in AfD-Kreisen gemunkelt wird? Kommt es zum Parteitag, so wird dort ein Vorstoß erwartet, den Landesvorstand um Kestner abzuwählen. Anträge auf einen sofortigen Stopp des Briefwahlverfahrens liegen bereits vor.

Da AfD-Landesparteitage bisher Mitglieder-Vollversammlungen sind, rechnet sich das mobilisierungserprobte Lager der Kestner-Gegner gute Chancen aus, eine Mehrheit zu haben. Ein möglicher Kandidat für den Landesvorsitz steht angeblich auch schon bereit, der Bundestagsabgeordnete Frank Rinck aus Uelzen. Bisher hat die AfD indes noch keinen Termin und auch keine Halle für die Aufstellung der Landesliste, die spätestens am 1. August bei der Landeswahlleiterin eingereicht sein muss. Theoretisch könnte die AfD für die Aufstellungsversammlung zur Landtagswahl auch den Kreisverbänden einen Delegiertenschlüssel vorgeben. Zwar sieht die AfD-Satzung diesen Weg nicht vor, wohl aber die vom Innenministerium erlassene und bisher noch nicht aufgehobene Corona-Sonderverordnung für die Nominierungen zur Landtagswahl. Diese Rechtsgrundlage lag auch der zunächst angeschobenen Briefwahl zugrunde. Mehrere Parteien haben bisher schon von der Sonderbestimmung einer Delegiertenwahl Gebrauch gemacht.