24. Apr. 2023 · 
Kommunales

Bürgermeister grübeln: „Dieser Abschluss ist schon eine wahnsinnige Belastung“

Die Einigung bei den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen löst in vielen Rathäusern Besorgnis und Nachdenklichkeit aus. „Ich bin seit fast 40 Jahren im öffentlichen Dienst – aber einen so hohen Abschluss für die Mitarbeiter habe ich noch nie erlebt“, berichtet Clemens Gebauer, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters der Stadt Springe (Region Hannover).

Clemens Gebauer, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters der Stadt Springe | Foto: Stadt Springe

So erfreulich das für die Verwaltungsbediensteten sei, so hart stelle es manchen Kämmerer auf die Probe. Die Kommunen könnten gezwungen sein, die Mehrausgaben für Personal durch Kürzungen an anderer Stelle wieder wettzumachen. „Vor allem im nächsten Jahr dürfte es für uns schwierig werden“, sagt Gebauer. In vielen Städten wird bereits über Auswege nachgedacht. Die könnten in höheren Gebühren, einer höheren Grundsteuer oder auch im Personalabbau bestehen.

Der Tarifabschluss für die angestellten Mitarbeiter der Kommunen und des Bundes sieht nun zunächst eine steuerfreie Einmalzahlung vor – sie beträgt im Juni dieses Jahres 1240 Euro, ab Juli dann bis Februar 2024 monatlich 220 Euro. Die wirkliche Tariferhöhung folgt von März 2024 an in zwei Schritten. Erstens werden alle Entgelte um einen Betrag von monatlich 200 Euro angehoben, danach schließt sich auf den so vergrößerten Betrag eine Steigerung um 5,5 Prozentpunkte an. Mit dieser Sockel-Lösung wird vermieden, dass ein krasser Unterschied entsteht zwischen der Steigerung für die höheren Lohngruppen, die nun rund acht Prozent beträgt, und den unteren, die bei etwa 12 Prozent rangiert. Die Forderung von Verdi war zunächst, von festen Mindestbeträgen von rund 500 Euro auszugehen. Hätten sich die Verhandler darauf eingelassen, dann hätte die Spreizung zwischen höheren und unteren Lohngruppen eine Spanne von acht bis etwa 25 Prozent ausgemacht.

Im Ergebnis dürften die Auswirkungen in den Kommunen und kommunalen Betrieben erheblich sein. Bei den Krankenhäusern, heißt es, kommt die größte Last im März 2024 – sie hätten also noch Zeit, in den Verhandlungen mit den Kassen im Herbst dieses Jahres darauf einzugehen. Bei den Sparkassen konnten sich die Arbeitgeber nicht mit dem Wunsch durchsetzen, die Weihnachtsgeld-Zahlung einzufrieren – sie wird Teil der beschlossenen Dynamik sein. Im Nahverkehr könnten – außerhalb des 49-Euro-Tickets – Preiserhöhungen drohen, bei Abfall- und Abwasserbetrieben stehen womöglich Anhebungen der Gebühren bevor, diese dürften zur Kostendeckung sogar zwingend werden.



Vertreter von Verdi und Beamtenbund zeigten sich zufrieden mit der Verständigung beider Seiten. Der Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Niedersachsen (KAV), Michael Bosse-Arbogast, erklärte: „Ich bin froh, dass es eine Einigung gab. Die kommunalen Arbeitgeber in unserem Land sind teilweise über die Grenze des Vertretbaren hinausgegangen.“

Der Celler Oberbürgermeister Jörg Nigge (CDU) muss mit einer elfprozentigen Steigerung seines Personaletats (derzeit sind es 55 Millionen Euro) rechnen, er spricht von „einer wahnsinnigen Belastung“. „Wir hatten unser Defizit in den vergangenen Jahren abgebaut, der Erfolg dieses Schrittes ist jetzt wieder beseitigt“, sagt Nigge. Aktuell müsse er mit seinem Team „alle Optionen durchdenken“, auch die eines Personalabbaus bei bestimmten Dienstleistungen. Ein besonderes Problem sei die „Stauchung der Tabelle“, also die durch die Stärkung der unteren Gehaltsgruppen bewirkte Angleichung der verschiedenen Gehaltsstufen: „Künftig wird es immer schwieriger werden, für bestimmte Führungsaufgaben noch Leute zu finden – wenn die höhere Verantwortung nicht mehr durch eine bessere Bezahlung belohnt wird“, schätzt Nigge.

Jörg Nigge, Oberbürgermeister von Celle | Foto: Stadt Celle

Die Bürgermeisterin von Clausthal-Zellerfeld, Petra Emmerich-Kopatsch (SPD), begrüßt einerseits die gestiegene Attraktivität des öffentlichen Dienstes, sagt aber gleichzeitig: „Für uns wird das sehr schwer zu stemmen sein.“ Personalabbau scheide bei ihr als Variante weitgehend aus: „Wir haben schon die Situation, dass wir in vielen Bereichen nur noch einen Fachmann haben. Ist der mal nicht da, dann muss die Arbeit liegen bleiben, da niemand ihn vertreten kann.“

Petra Emmerich-Kopatsch, Bürgermeisterin von Clausthal-Zellerfeld | Foto: SPD

Dieser Artikel erschien am 25.4.2023 in Ausgabe #075.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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