28. Feb. 2023 · 
Wirtschaft

Bürokratie, Fachkräftemangel und Schwarzarbeit fordern Handwerk heraus

Bürokratie, Schwarzarbeit, Fachkräftemangel und gestiegene Kosten machen dem niedersächsischen Handwerk das Leben schwer. Ein Jahr nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine haben die Handwerksbetriebe zwischen Harz und Küste in einer Blitzumfrage zwar eine weitgehend positive Lagebewertung abgegeben: 90 Prozent der Betriebe bewerten ihre konjunkturelle Lage zum Jahresbeginn 2023 als „gut“ oder „befriedigend“. Doch die wirtschaftlichen Erwartungen haben sich verdüstert. Der Anteil der Handwerksbetriebe, die mit Sorge in die Zukunft blicken, hat sich fast verdoppelt: 37,4 Prozent der Betriebe erwarten, dass ihre Wirtschaftslage schlechter oder sogar deutlich schlechter wird. Im Vorjahr lag der Anteil der Pessimisten noch bei 20,7 Prozent. Die Gründe für die Unzufriedenheit sind vielfältig.

Die überbordende Bürokratie ist für die Handwerksbetriebe in Niedersachsen die größte Herausforderung des Jahres 2023. | Foto: GettyImages/Pixels

Bürokratie nimmt Überhand

Der Bürokratieabbau kommt in Niedersachsen aus Sicht des Handwerks nicht voran. In der Rangliste der größten Herausforderung wählten die Unternehmen das leidige Dauerthema inzwischen sogar auf Platz eins. 70,1 Prozent der befragten Handwerker stöhnen über den immer größer werdenden Verwaltungsaufwand, der damit sogar die Energiekosten überholt hat. Für Mike Schneider, Präsident des Handwerkstags, kommt das nicht überraschend. Insbesondere das geplante europäische Lieferkettengesetz sehen die Handwerker mit großer Sorge. „Auch kleine Betriebe werden dabei mittelbar einbezogen, wenn sie als Zulieferer für die Großunternehmen arbeiten“, sagt der NHT-Präsident und sieht die Gefahr, dass Dokumentations- und Berichtspflichten „einfach durchgereicht werden“.

Quelle: NHT

Der durchschnittliche Handwerksbetrieb habe nur neun Mitarbeiter, die Buchhaltung sei dabei schon häufig ausgelagert. „Wer soll da die Dokumentationspflicht machen?“, fragt Schneider. Als weitere bürokratische Ärgernisse nannte NHT-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Sander unter anderem die Vorfälligkeit der Sozialabgaben, die Künstlersozialabgabe und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. „Die trifft alle und ist ein Riesenaufwand für den Arbeitgeber“, bestätigte Schneider. Der Unternehmer äußerte sein Unverständnis darüber, dass der Arzt nicht parallel zur Krankenkasse auch den Arbeitgeber über die Krankschreibung informieren dürfe. Dadurch müssten seine Mitarbeiter nun den Krankenkassen hinterher telefonieren und als Gebäudedienstleister habe er es mit sehr vielen unterschiedlichen Krankenversicherungen zu tun. „Was unsere Betriebe beschäftigt ist einfach die Fülle an Aufgaben. Die Masse ist es, die für Verunsicherungen sorgt“, sagte Ute Schwiegershausen, Geschäftsführerin der Unternehmerverbände Handwerk Niedersachsen (UHN). Die Vielzahl der Vorschriften trübe die Freude am Unternehmertum und an der Selbstständigkeit, weil am Ende jemand für die Einhaltung aller Regeln den Kopf hinhalten müsse.

Handwerk fordert Taskforce

Damit der Wust an Vorschriften endlich kleiner wird, fordert der Handwerkstag eine „Taskforce Bürokratievermeidung und -abbau“. Die Ähnlichkeit zur „Taskforce Energiewende“ ist beabsichtigt. Anders als beim Ausbau der Erneuerbaren Energien könne man bei der Bürokratiebekämpfung jedoch auf bestehende Strukturen aufbauen, schließlich sei dazu bereits 2020 eine Clearingstelle eingerichtet worden. Diese hat eigentlich die Aufgabe, alle Gesetzes- und Verordnungsvorhaben darauf zu prüfen, ob sie für kleine und mittlere Unternehmen mit einem vermeidbaren, verwaltungsmäßigen Aufwand verbunden sind. Tatsächlich klappt das aber offenbar in vielen Fällen nicht. „Ein großes Problem ist, dass die Ressorts und Ministerien sich nicht so berufen fühlen, darauf zurückzugreifen. Das macht es schwierig“, bemängelte Schneider. Er fordert, dass der Bürokratie-Check durch die Clearingstelle obligatorisch wird und die Mittel für die unabhängige Stelle entfristet werden. „Wenn es die Landesregierung mit dem Bürokratieabbau wirklich ernst meint, muss sie eine solche Stelle stärken“, ergänzte Sander.

Ute Schwiegershausen (links), Mike Schneider und Hildegard Sander fordern mehr Unterstützung für Niedersachsens Handwerksbetriebe. | Foto: Link

Energiepreisbremse greift nicht

Nach den niedersächsischen Industriebetrieben bemängeln nun auch die Handwerksfirmen, dass die Energiepreisbremse in vielen Fällen überhaupt nicht greift. Zwei von drei Handwerkern stöhnen über die gestiegenen Kosten, aber nur drei von zehn Befragten bewerten die Gas- und Strompreisbremse dabei als „zielführend“. Der Rest sieht die Maßnahmen der Bundesregierung kritisch. Die Handwerker bemängeln die zu späte Reaktion, schlechte Kommunikation und das Gefühl einer Gerechtigkeitslücke – insbesondere bei den Betrieben, die auf Heizöl oder Holzpellets gesetzt haben. „Es war daher richtig und wichtig, dass die Landesregierung durch die Wirtschaftshilfe KMU weitere Unterstützungsangebote speziell für kleine und mittlere Betriebe und somit auch für das Handwerk geschaffen hat“, lobte Schneider. Trotzdem reiche das noch nicht aus. Der Handwerkstag erwartet von der Politik eine Entlastungsoffensive. „Der Mittelstandsbauch in der Einkommenssteuer muss abgebaut werden und die Sozialversicherungsbeiträge müssen auf 40 Prozent reduziert werden. Nirgendwo ist ein Arbeitsverhältnis so teuer wie in Deutschland“, kritisierte Schneider.

Schwarzarbeit nimmt zu

Der Anstieg des allgemeinen Preislevels führt nach Einschätzung des Handwerkstags zu einem Anstieg der Schattenwirtschaft. Diese illegalen Tätigkeiten würden nicht nur dem Staat Steuer- und Sozialabgaben entziehen, sondern auch dem Handwerk schaden. NHT-Präsident Schneider forderte daher: „Die Anstrengungen zur Schwarzarbeitsbekämpfung müssen wieder intensiviert werden. Hier sprechen wir insbesondere die Kommunen an.“
Kunden müssen länger warten: Unter den Top drei der größten Herausforderungen rangiert auch weiterhin die Fachkräftegewinnung. 57,1 Prozent der Unternehmen geben an, dass ihre betriebliche Entwicklung vom Personalmangel ausgebremst wird. In drei Viertel der Betriebe müssten sich die Handwerkskunden schon jetzt auf längere Wartezeiten einstellen. „Das Handwerk ist doppelt so personalintensiv wie die Industrie, schließlich haben wir keine Roboter“, sagte Schneider und fordert gezielte Maßnahmen gegen den Fachkräfteengpass.

Inan Soylu (von links), Jil Sölter und Adama Mbaye üben im Amtshaus der Bäckerinnung in Hannover das Teigkneten und -rollen. | Foto: Link

Die Handwerksvertreter sprachen sich für Einführung von Werkunterricht in den Grundschulen sowie eine breitere Berufsorientierung in den weiterführenden Schulen aus, um dem Trend zur Akademisierung entgegenzuwirken. „Ansonsten haben wir irgendwann nur noch Häuptlinge und keine Indianer mehr. Dann ist niemand mehr da, der noch eine Heizung installieren oder ein Brötchen backen kann“, sagte der NHT-Präsident und verwies dabei auch auf die klimarelevanten Berufsgruppen. Dort gelte das Motto: „Ohne Hände, keine Wende.“ Außerdem wiederholte er die Forderung nach einer besseren finanziellen Ausstattung der überbetrieblichen Bildungsstätten: „Die ist von zentraler Bedeutung und muss im Nachtragshaushalt berücksichtigt werden.“ Zumindest die Opposition stärkt dem Handwerk in dieser Frage den Rücken. „Wenn wir modern ausbilden wollen, müssen wir die überbetrieblichen Ausbildungsstätten auch entsprechend ausstatten“, sagte Christian Frölich, der handwerkspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, im Gespräch mit dem Rundblick.

Ärger über GRW-Förderung

Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ – besser bekannt als GRW-Förderung – ist eines der wichtigsten Förderinstrumente der regionalen Wirtschaftspolitik. Doch das Bau- und KfW-Gewerbe sowie die Bäcker sind von den GRW-Fördermitteln weitgehend ausgeschlossen. Für die Vertreter des Handwerks ist diese Regelung nicht nachvollziehbar. „Denn wenn der letzte Bäcker oder Fleischer schließt, sterben Orte in ländlichen Räumen, die nicht mehr oder nur schwer wieder revitalisiert werden können“, mahnte Schneider. Der Appell an die Landesregierung lautet daher, die Handwerksbetriebe von der Negativliste für die GRW-Förderung zu streichen. Auch im Wirtschaftsausschuss des Landtags war diese Regelung zuletzt arg umstritten. Sowohl CDU-Mann Frölich als auch die SPD-Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth wunderten sich über eine fehlende „Bäckerförderung“. Laut Wirtschaftsministerium sind Nachbesserungen an der Negativliste nicht ausgeschlossen.

Dieser Artikel erschien am 1.3.2023 in Ausgabe #038.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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