11. Okt. 2021 · 
Parteien

FDP will gegen geplante Änderung der Kommunalverfassung klagen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner spricht von einer „demokratiegefährdenden Entwicklung“ in Niedersachsen – und er sieht als ein eklatantes Beispiel dafür die Diskussion über die Reform der Kommunalverfassung. Am Mittwoch soll der Landtag nach dem Willen von SPD und CDU beschließen, dass das Auszählverfahren für die Mandate in den kommunalen Ausschüssen verändert wird.

Foto: FDP-Fraktion Nds

Die bisherige Regelung nach Hare-Niemeyer, die kleine Fraktionen und Gruppen begünstigt, soll wegfallen. An die Stelle soll das Verfahren nach d’Hondt treten, das für die großen Fraktionen vorteilhafter ausfällt. In der Praxis kann das erhebliche Auswirkungen haben, wie der FDP-Innenpolitiker Marco Genthe am Beispiel der Landeshauptstadt Hannover erläuterte: Nach dem Wahlergebnis hat die FDP-Fraktion ein Mandat mehr im Rat der Stadt – aber weil das System der Besetzung von Ausschüssen verändert wurde, verliert die Fraktion gleichzeitig Stimmrechte in den Fachausschüssen. Sie können dort nur noch mit „Grundmandat“ mitwirken – also mit beratender Stimme, die bei den Abstimmungen aber nicht zählt. „Das führt dann im Ergebnis zu noch längeren Ausschusssitzungen, weil die FDP-Kollegen sich dann zu jedem Punkt melden und mündlich ihre Haltung verdeutlichen, die sie per Abstimmung nicht zeigen können“, berichtet Genthe. Insofern überzeuge die Begründung der SPD/CDU-Koalition nicht, die vorgeblich vor allem deshalb die Kommunalverfassung an diesem Punkt ändern will, weil die „Zersplitterung der Räte“ in viele kleine Gruppierungen die Entscheidungsfindung im Rat in die Länge ziehe.

Juristisches Gutachten:
FDP lässt geplante Reform überprüfen

Mit scharfen Worten gehen Birkner und Genthe gegen die geplante Reform an. „Das ist gesellschaftspolitisches Gift, denn das Gesetz soll geändert werden, nur damit SPD und CDU ihre Pfründe sichern“, betont Genthe. „SPD und CDU sind sich ihrer Verantwortung für die Minderheiten nicht bewusst“, ergänzt Birkner. Die Partei hat bei der Göttinger Juristin Sina Fontana ein Gutachten bestellt, und die Autorin bestätigt die verfassungsrechtlichen Probleme. Zwar sei der Wechsel von Hare-Niemeyer zu d’Hondt an sich akzeptabel, auch wenn nach d’Hondt ihrer Ansicht nach „ein Zerrbild“ gezeichnet werde, da die großen Fraktionen bevorteilt würden. Fontana sieht aber vor allem eine erhebliche Beeinträchtigung des Vertrauensschutzes.

"Das Gesetz soll geändert werden, nur damit SPD und CDU ihre Pfründe sichern.“

Marco Genthe, FDP-Innenpolitiker

Sie sagte, dass die Wähler bei der Kommunalwahl auf den Fortbestand der geltenden Gesetze bei der Umsetzung des Wahlergebnisses vertraut hätten. Nun solle es aber anders geschehen. Tatsächlich hatten SPD und CDU die Änderung des Auszählverfahrens schon vor einigen Monaten angekündigt, das Gesetz soll nun aber erst am 13. Oktober beschlossen werden – also erst nach der Kommunalwahl und mit Gültigkeit zum 1. November, wenn die am 12. September gewählten Kommunalvertretungen ihre Arbeit aufnehmen. Hier liege also ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor, des Prinzips, nach dem ein Gesetz nicht einen Sachverhalt bestimmen darf, der vor seinem Inkrafttreten liegt – hier also die für den 1. November geplante Änderung der Kommunalverfassung, die eine Folge der Kommunalwahl vom 12. September regelt.

Gutachten wird Grundlage
einer Klageschrift vor dem Staatsgerichtshof

Für Birkner und Genthe ist der Vorgang so schwerwiegend, dass das Gutachten von Sina Fontana die Grundlage einer Klageschrift vor dem Staatsgerichtshof werden soll. Auch die Grünen unterstützen die Klage, ihre Abgeordnete Susanne Menge behauptet, mit der geplanten Änderung werde „nachträglich das Wahlergebnis der kleinen Parteien beeinträchtigt“. Für eine Normenkontrollklage in Bückeburg bräuchten FDP und Grüne mindestens 28 Abgeordnete, sie kommen zusammen aber nur auf 23, mit den neun früheren Abgeordneten der AfD-Fraktion wollen sie nicht kooperieren. So richten sie einen Appell an die Fraktionen von SPD und CDU, mit Leih-Stimmen einzelner Abgeordneter die rechtliche Überprüfung der neuen Bestimmung vor dem Staatsgerichtshof zu ermöglichen. „Das würde aber nur nötig, wenn sich die Koalition nicht doch eines besseren besinnt und von dem Reformvorhaben noch ablässt“, erklärt Birkner.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #180.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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