6. Sept. 2016 · 
Justiz

Die Justiz und die brodelnde Gerüchteküche

Wer bekommt einen neuen Posten – und läuft sich schon jemand dafür warm? Nirgendwo scheint das Gerede über diese Frage ausgeprägter zu sein als in der Justiz. Der Kreis von hohen Richtern, Gerichtspräsidenten und führenden Mitarbeitern der Justizverwaltung ist überschaubar, man kennt sich, begegnet sich bei verschiedenen Anlässen – schätzt sich. Oder auch gerade nicht. Seit Wochen kursiert in Justizkreisen der Hinweis, dass Justiz-Staatssekretärin Stefanie Otte, die seit Juni vergangenen Jahres im Amt ist, demnächst zur neuen Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle aufsteigen kann. Sie würde dann auf Peter Götz von Olenhusen folgen, dessen Amtszeit regulär am 1. August 2017 endet. Wenn man Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) danach fragt, zuckt sie mit den Schultern und sagt „alles Spekulation“. Tatsächlich hängt die Personalie von vielen Bedingungen ab. Götz von Olenhusen müsste seine Bereitschaft zum Abschied signalisieren. Womöglich könnte er verlängern, sodass erst nach der Landtagswahl unter der nächsten Landesregierung die Entscheidung fällt. Gäbe es eine Konkurrentenklage, so wäre die Verzögerung wohl automatisch, in der Folge könnte die Präsidentenstelle des OLG Celle sogar längere Zeit unbesetzt bleiben. Nun stehen sich zwei Sichtweisen gegenüber. Die einen betonen, wie gut geeignet Stefanie Otte für die Aufgabe in Celle wäre: Sie war dort schon mal als Richterin tätig, hatte dann verschiedene Stationen im Justizministerium, gilt parteiübergreifend als äußerst fähig und wird, heißt es, auch vom derzeitigen OLG-Präsidenten geschätzt. Da Frauen in leitenden Stellen in der Justiz noch immer in der Minderheit sind, wäre ihre Benennung auch ein Signal zu mehr Gleichberechtigung. Die anderen rümpfen die Nase und sprechen von einer „fragwürdigen Personalpolitik“. Stefanie Otte ist derzeit Staatssekretärin, eine politische Beamte. Sie wird nach B 9 besoldet. Käme es in knapp zwei Jahren zu einem Regierungswechsel, so könnte sie ohne Begründung sofort in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Wenn sie aber vorher als Bewerberin für eine OLG-Präsidentenstelle auf den Plan tritt, hätte sie wegen ihrer bisherigen Spitzenqualifikation als Staatssekretärin einen unschätzbaren Vorteil gegenüber allen anderen Bewerbern, die niedriger eingestuft sind. Sie wäre also sofort die Favoritin, die „ganz von oben kommt“ – und sie hätte riesige Erfolgschancen. Als OLG-Präsidentin wäre sie später dann bei jedem Regierungswechsel vor einer Entlassung geschützt, denn Gerichtspräsidenten sind keine politischen Beamten. Ist der Staatssekretärsposten im Justizministerium also eine Art „Durchlauferhitzer“ zur Beförderung von Getreuen der Ministerin auf die begehrten Präsidentenstellen? FDP-Landeschef Stefan Birkner sieht es so: „Ein erneuter Wechsel von der Staatssekretärsposition im Justizministerium auf eine Präsidentenposition würde den Anschein haben, dass Rot-Grün auf diesem Wege versucht, die Justiz personell parteipolitisch zu besetzen und zu durchdringen. Das wäre ein großer Schaden für das Ansehen und die Unabhängigkeit der Justiz.“ Birkner verweist auf Ottes Vorgänger Wolfgang Scheibel. Auch der ging nach seinem Abschied vom Amt des Staatssekretärs auf eine freiwerdende Gerichtspräsidentenstelle, er leitet jetzt das Oberlandesgericht in Braunschweig. Scheibel war mit B 9 so gut qualifiziert, dass ein Mitbewerber gar keine Chance hatte gegen ihn. Ist also die Beförderung von Staatssekretären auf die sicheren Posten von Gerichtspräsidenten eine Methode des Justizministeriums? Im Umfeld von Niewisch-Lennartz wird das als böse Unterstellung angesehen, denn Scheibel ging seinerzeit aus persönlichen Gründen nach Braunschweig, ein Vorgang, der 2015 parteiübergreifend im Landtag akzeptiert worden war. Es sei überhaupt nichts Anrüchiges daran, heißt es aus dem Ministerium. (kw)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #159.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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