Niedersachsens Landeskabinett hat am Dienstag die neue Landesdüngeverordnung beschlossen. In Verbindung damit wurde auch die überarbeitete Kulisse für die nitrat- und phosphatsensiblen Gebiete, die sogenannten „roten“ beziehungsweise „grauen“ Gebiete, abgesegnet. Durch ein neues Verfahren bei der Abgrenzung der Regionen ist es dem Land nun gelungen, die ausgewiesenen Zonen auf knapp ein Viertel der Agrarflächen des Landes zu begrenzen. In der vorherigen Version waren noch knapp 31 Prozent betroffen. Weiterhin gelten 645.000 Hektar der landwirtschaftlich genutzten Flächen als nitratsensibel. Grünlandflächen sind fast gar nicht mehr betroffen. Die Bundesdüngeverordnung schreibt in den ausgewiesenen Gebieten bestimmte Maßnahmen vor, um den Grundwasserschutz zu erhöhen. So werden die Landwirte beispielsweise verpflichtet, 20 Prozent unter Bedarf zu düngen, um den Eintrag von Nährstoffen in die Grundwasserkörper zu vermeiden. Aus der Landwirtschaft wurde diese Regelung stark kritisiert, da sie die Qualität der Pflanzen mindert, ohne einen fachlich begründeten Effekt auf die Grundwasserverunreinigung zu haben.

Im Februar hatten sich Niedersachsens Umwelt- und Agrarministerium daher mit Vertretern der Landwirtschaft auf ein neues Verfahren verständigt. Zuvor hatten die Aktivisten der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ fast eine Woche lang ein Protestcamp zwischen den beiden Ministerien in Hannover unterhalten. Das damals abgestimmte Positionspapier sah beispielsweise vor, künftig das Verursacherprinzip stärker zu beachten, etwa durch die Berücksichtigung von Betriebsdaten. In einer weiteren Runde zusammen mit Vertretern der Landwirtschaft und der Wasserwirtschaft haben Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) dann im März ein vierstufiges Modell erarbeitet, nach dem die Ausweisung der „roten Gebiete“ in Zukunft immer präziser ausgearbeitet werden soll. Im ersten Schritt hat man dazu die 25 als grün (also unbedenklich) gekennzeichneten Grundwasserkörper, in denen es dennoch einzelne rote Messstellen gab, genau in den Blick genommen. Zudem soll die Emissionskulisse anhand neuer Klimadaten und Messstellen überprüft worden sein. An diesem Punkt befindet sich das Land derzeit. Bis zum Sommer 2022 sollen dann diejenigen roten Grundwasserkörper erneut überprüft und einer Regionalisierung unterzogen werden, in denen es ausreichend und angemessen verteilte Messstellen gibt. Erst danach sollen dann auch die Betriebsdaten über das landeseigene Meldesystem „Enni“ herangezogen werden. Damit ist bis Sommer 2023 zu rechnen. Die weitere Umsetzung dieser Schritte wird von einem neu eingerichteten Beirat begleitet, der sich aus Vertretern der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft und der Verwaltung zusammensetzt.
Zusätzlich wird bei der Düngebehörde der Landwirtschaftskammer Niedersachsen eine Ansprechstelle eingerichtet, die für mehr Transparenz bei dem komplexen und konfliktträchtigen Vorgehen sorgen soll, wie die Landesregierung heute verlautbaren ließ.
Dass künftig mehr grüne Messstellen mit berücksichtigt werden, ist ein klarer Erfolg.
Beim niedersächsischen Landesbauernverband löst der gestrige Kabinettsbeschluss Erleichterung aus. Viele Gespräche mit Politkern hätten geholfen, das Land zu einem Umdenken zu bewegen, sagte Landvolk-Präsident Holger Hennies gestern auf Anfrage des Politikjournals Rundblick. „Wir hatten uns vehement für mehr Regionalität und mehr Gerechtigkeit bei der Bewertung der Messstellen eingesetzt. Dass künftig mehr grüne Messstellen mit berücksichtigt werden, ist ein klarer Erfolg.“ Das Ergebnis komme zwar ein Jahr zu spät, meinte Hennies. „Aber wir sind auf dem richtigen Weg und optimistisch, dass wir nun dauerhaft vernünftige Lösungen erreichen können, die den Landwirten und dem Gewässerschutz gleichermaßen zugutekommen.“
Dies ist nicht mit den Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie vereinbar und bedeutet eine inakzeptable Abkehr vom Vorsorgeprinzip.
Dass dem so ist, wird bei der Umweltschutzorganisation BUND hingegen stark angezweifelt. Niedersachsens BUND-Geschäftsführerin Susanne Gerstner spricht gar von einem Rückschritt. Sie kritisiert, dass bei der Ausweisung die Phosphatbelastung der Fließgewässer gar keine Berücksichtigung finde. „Tatsächlich sind bis heute aber die Hälfte aller Grundwasserkörper in Niedersachsen laut EG-Wasserrahmenrichtlinie in einem schlechten chemischen Zustand. Dies ist nicht mit den Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie vereinbar und bedeutet eine inakzeptable Abkehr vom Vorsorgeprinzip“, rügt sie.