„Willkommen in der Messestadt Hannover“: Wer in der Landeshauptstadt einmal mit dem Zug angekommen ist, kennt diese Begrüßung. Das Messegeschäft liege in der DNA der Stadt, heißt es bei der örtlichen Marketing- und Tourismus-Gesellschaft. Die Messegäste kamen in der Vergangenheit nicht nur mit dem Zug, sondern auch mit dem Flugzeug. Doch sowohl Messe als auch Flughafen, zwei wirtschaftliche Anker Hannovers, hat die Corona-Krise schwer getroffen. Das Messegelände blieb gespenstisch leer. Auf dem Flughafen starteten und landeten kaum noch Ferienflieger, immerhin bei der Luftfracht gab es einen Zuwachs. Viele Millionen waren nötig, um den Unternehmen über die Krise hinwegzuhelfen.

Unser Geschäftsmodell ist vollkommen intakt. Wir müssen uns keine Gedanken darüber machen, ob überhaupt noch geflogen wird.

Aber wie geht es weiter? Sowohl Messe-Chef Jochen Köckler als auch Flughafen-Chef Raoul Hille sind optimistisch. „Es wird eine Rückkehr zur Normalität geben“, sagt Köckler im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Schon im Herbst könnte es durch eine Herdenimmunität wieder Endverbrauchermessen geben, bei denen Menschen aus Deutschland mit dem Auto anreisen könnten, hofft Köckler. Und er ist überzeugt, dass die Pandemie auch mittel- und langfristig keine Besucher abgeschreckt hat. „Es wird keine Aversion geben, in Hallen zu gehen“, sagt Köckler, der bei vielen Menschen inzwischen eine gewisse „Zoom-Müdigkeit“ feststellt. Auch Hille sieht keinen Grund zu Pessimismus. „Unser Geschäftsmodell ist vollkommen intakt. Wir müssen uns keine Gedanken darüber machen, ob überhaupt noch geflogen wird“, sagt er.

Rückkehr zur Normalität

Die Prognose lautet übergreifend: Wir kommen wieder zurück zu alten Vor-Corona-Gewohnheiten – aber nicht auf allen Feldern gleich schnell und teilweise mit leichten Verschiebungen. So geht der Hannover Airport-Geschäftsführer davon aus, dass gerade der touristische Verkehr sehr schnell zurückkommen wird. „Das wird jetzt schon in den Sommermonaten losgehen. Es gibt einen unheimlichen Drang, wieder einmal rauszukommen. Die ersten packen schon die Koffer“, nimmt Hille wahr. Diese Entwicklung  habe gerade für den Flughafen Hannover eine besondere Bedeutung, weil hier der touristische Verkehr einen überproportional großen Anteil habe.

Hille sieht hier auch einen Unterschied zum Linien-Verkehr mit Geschäftsreisenden. Hier könnte es seiner Ansicht nach bis Mitte der 2020er Jahre dauern, bis das alte Niveau wieder erreicht wird – und das auch nur wegen des Wirtschaftswachstums der kommenden Jahre, denn das Vor-Corona-Niveau dürfte in den Unternehmen in diesem Bereich zunächst wohl nicht mehr erreicht werden. Und die kritische Debatte über den innerdeutschen Flugverkehr? Die könnte auf längere Sicht zwar einen gewissen negativen Einfluss haben. Allerdings müssten ja erst einmal genügend Alternativen verfügbar sein, so Hille und meint damit zum Beispiel neue Schnellbahntrassen, für die man in Deutschland beim derzeitigen Bautempo gut und gerne einmal 20 Jahre veranschlagen kann.

Man braucht eine Marke wie die Hannover-Messe, damit Aussteller für ihre Innovationen neue Kunden finden.

Insofern hat der Flughafenchef ein Interesse daran, dass sich das Messegeschäft wieder annähernd erholt. Daran hat Jochen Köckler, Vorstandschef der Deutschen Messe AG, keinen Zweifel. Das übliche Messegeschäft in den Hallen wird seiner Meinung nach wieder anlaufen – mit deutschen Gästen schneller, bei internationalen Besuchern werde es darauf ankommen, wie schnell Regionen wie Indien und China aus der Quarantäne herauskommen. Parallel dazu setzt Köckler auf digitale Varianten und verweist auf die digitale Edition der Hannover Messe, die seinen Worten zufolge großartig funktioniert hat. Mit den digitalen Varianten ließen sich neue Zielgruppen erschließen und einzelne Themen stärker in den Fokus zu nehmen.

Man könne so zum Beispiel während der Hannover-Messe 100 Produktionsleiter zusammenbringen, die sich über die Vorteile einer bestimmten Robotertechnik informieren wollen. Es sei aber auch eine Erkenntnis, dass das Digitale für sich alleine nicht ausreicht. „Man braucht eine Marke wie die Hannover-Messe, damit Aussteller für ihre Innovationen neue Kunden finden“, erklärt Köckler. Zugleich räumt er ein, dass das digitale Messe-Erlebnis auch für ihn in diesem Jahr ungewöhnlich war. „Es hat etwas Befremdliches, über ein leeres Messegelände zu laufen, wenn gleichzeitig eine Messe mit 1800 Ausstellern und 90.000 registrierten Besuchern digital stattfindet.

OB Onay: Optimismus ist Pflicht

Für Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay ist Optimismus Pflicht. Immerhin ist er selbst Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Messe, die Stadt sitzt zudem im Aufsichtsrat der Flughafens. Trotz des Trends zu mehr Nachhaltigkeit auch beim Reisen hält Onay weiteres Wachstum beim Flughafen für möglich, zumal Mobilität weiterhin eine große Rolle bei den Menschen spielen werde. Für die Messe prognostiziert Onay ebenfalls eine gute Entwicklung. „In der Wirtschaft ist richtig Dampf auf dem Kessel. Wenn sie wieder anläuft, wird die Messe eine ganz wichtige Plattform sein. Deshalb hat die Messe eine gute Zukunftsperspektive“, prognostiziert Onay im Rundblick-Gespräch.

FDP-Fraktionsvize Jörg Bode meint, die Messe sollte sich zunächst auf ihre Flaggschiffe wie zum Beispiel die Hannover-Messe konzentrieren. Das und die neuen digitalen Möglichkeiten könnten dann dazu führen, dass auch kleinere Messen wieder ins Laufen kommen. Das große Messegelände sieht Bode dabei als Pfund und Herausforderung zugleich, schließlich seien damit enorme Kosten verbunden.

Wasser in den Wein kippen will der FDP-Politiker nicht, er gibt aber zu bedenken, dass sich in der Phase der Pandemie viele Unternehmen auf eine Zeit ohne Messegeschehen eingestellt haben. „Wie sie jetzt reagieren, wenn das Geschäft wieder langsam starten kann, ist leider nicht sicher.“

Von Martin Brüning