Soll es in Niedersachsens Amtssprache künftig auch das Gender-Sternchen geben oder das große „Binnen-I“ in der Bezeichnung? Ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen, der am Donnerstag im Plenum erstmals diskutiert wurde, legt die Vermutung zunächst nahe. Weder die Sprecher von Sozialdemokraten noch Grünen sind in der Debatte jedoch konkreter geworden.

Diskutieren im Februar-Plenum über eine Anpassung des Gleichstellungsgesetzes (von links): Sophie Ramdor (CDU), Thela Wernstedt (SPD), Tanja Meyer (Grüne), Karin Emken (SPD) und Jessica Schülke (AfD). | Foto: Screenshot Plenar-TV

Das könnte seinen Grund in den rechtlichen Schwierigkeiten haben: Bisher wird die Amtssprache in Deutschland bundeseinheitlich von der Bundesregierung verfügt – und diese orientiert sich am unabhängigen „Rat für deutsche Rechtschreibung“. Beide stehen bisher auf dem Standpunkt, dass Sonderzeichen wie Binnen-I, Sternchen oder Unterstrich bei der Benennung in der Amtssprache verboten sind. Könnte Niedersachsen nun aussteigen aus der bundeseinheitlichen Amtsregelung? „Das könnten sie tun, aber das wäre dann auch ein Abschied aus dem einheitlichen deutschen Sprachraum“, sagt Josef Lange, Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Einige Kommunen benutzen bereits eigene Gender-Regeln

Das für Gleichstellung zuständige Bundesfamilienministerium hatte im September 2021, damals noch unter Leitung von Ministerin Christine Lambrecht (SPD), für die Amtssprache folgende Hinweise gegeben: Neben der männlichen soll auch die weibliche Form benutzt werden, also etwa „Lehrerinnen und Lehrer“. Jede Sonderzeichen-, Unterstrich- oder Sprechpausenregelung indes würde „derzeit als rechtschreibwidrig“ gelten. Wie Josef Lange berichtet, befasst sich der Rat für deutsche Rechtschreibung am 14. Juli erneut mit dem Thema, eine Änderung der bisherigen Vorgaben sei aber unwahrscheinlich. Tatsächlich gibt es bereits Abweichungen von dieser Amtssprache-Regelung, die von der Bundesregierung im September 2021 noch einmal betont worden war. Einige Kommunen, unter anderem die Landeshauptstadt Hannover, nutzen eigene Gender-Regeln. Das tun sie mit Verweis auf ihr Recht der kommunalen Selbstverwaltung. Ähnlich können Hochschulen argumentieren, in denen auf Gendersprache-Regeln gepocht wird – das wäre begründbar mit der Wissenschaftsfreiheit. Eine andere Frage ist dann, ob im Schulunterricht die – amtlich rechtswidrige – Gender-Sonderzeichen als Fehler angestrichen werden können. Das, sagt Lange, sei eine schulpolitische Frage und liege im Belieben des jeweiligen Bundeslandes und seiner Schulgesetzgebung.



Nun ist allerdings fraglich, wie weitreichend der Satz im aktuellen rot-grünen Entschließungsantrag für den niedersächsischen Landtag tatsächlich gemeint ist. Er lautet: „Geschlechtergerechte Sprache muss in Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sowie in der allgemeinen Sprache und Darstellung und der öffentlichen Kommunikation in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes angewendet werden. Geschlechtergerechte Sprache soll auch Personen berücksichtigten, die intergeschlechtlich sind oder deren Geschlechtsidentität nicht binär ist.“ Insofern wäre „Lehrerinnen und Lehrer“ wohl nicht ausreichend – wobei ausdrücklich mit dem Wort „soll“ im letzten Satz gemeint ist, dass ein Ziel besteht, auch hierfür eine Regelung zu finden, aber eben keine Verpflichtung daraus folgt.

„Wenn man die Menschen im öffentlichen Dienst zwingt, trotzdem die Gender-Sprache zu verwenden, schadet das am Ende dem Ziel der Gleichstellung.“

 In der Debatte erwähnte dann Tanja Meyer (Grüne), der Vorstoß sei ausdrücklich „kein Antrag auf Genderstern, Doppelpunkt und andere Schreibweisen“. Thela Wernstedt (SPD) sagte, sie wundere sich, dass ein Detail aus der Initiative, die Gender-Sprache, so herausgestellt und medial thematisiert werde. Jessica Schülke (AfD) nannte die Stärkung der Frauenrolle im öffentlichen Dienst „diskriminierend für die Männer“. Sophie Ramdor (CDU) erklärte: „Die überwiegende Mehrheit der Deutschen lehnt die Gender-Sprache ab. Wenn man die Menschen im öffentlichen Dienst zwingt, trotzdem diese Dinge zu verwenden, tun sie das widerwillig – und das schadet am Ende dem Ziel der Gleichstellung.“

Rot-grüne Vorschläge für NGG-Reform: In der Landtagsdebatte erklärten Vertreter von SPD und Grünen, im künftigen Gleichberechtigungsgesetz solle die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten gestärkt werden. Sie sollten auch Klagerechte bekommen, wenn eine Behörde die Frauenförderung bei Leitungsfunktionen nicht beherzigt. Behörden, die keine Gleichstellungspläne aufstellen und anwenden, sollten mit Sanktionen belegt werden können. Alle Führungsfunktionen sollten zudem auch mit Teilzeit-Kräften besetzt werden können, damit sie für Frauen attraktiver werden. „Führungsfunktionen sollen nicht mehr mit dem Anspruch einer allumfassenden Verfügbarkeit ausgestattet werden“, sagte Karin Emken (SPD).