Soll Niedersachsen einen Sonderweg gehen und die Gender-Symbole als neue Form für die Amtssprache etablieren? Als Aufforderung dazu lässt sich ein Entschließungsantrag, den die rot-grünen Mehrheitsfraktionen derzeit im Landtag beraten, durchaus verstehen. Käme es dazu, wäre das wohl wahrlich revolutionär – Niedersachsen würde sich dann als erstes Bundesland von der deutschen Einheitlichkeit der Behördensprache verabschieden. Das wäre wohl auch ein Affront gegen den unabhängigen „Rat der deutschen Rechtschreibung“, der über die Sprachentwicklung in Deutschland und in den deutschsprachigen Nachbarländern wachen soll.

Soll das Gendersternchen auch in der Amtssprache eingeführt werden? Gegen derartige Pläne gibt es viel Kritik. | Foto: GettyImages/Frank Harms

In der aktuellen Debatte fallen nun zwei Besonderheiten auf. Erstens verwenden einige Städte, so auch die Landeshauptstadt Hannover, bereits Gendersternchen. Sie können sich vermutlich auf ihr Recht der kommunalen Selbstverwaltung berufen, eine verlässliche rechtliche Würdigung gibt es dazu noch nicht. Die Gerichte müssten sich wohl damit befassen. Zweitens hat die Bundesregierung erst im September 2021 deutlich hervorgehoben, dass Sonderzeichen bei Gender-Regeln in der Amtssprache unzulässig sind, die Geschlechtergerechtigkeit soll durch Formulierungen wie „Antragstellerinnen und Antragsteller“ verdeutlicht werden. Dabei werden allerdings nicht-binäre Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann verstehen, nicht berücksichtigt. Im rot-grünen Entschließungsantrag für den Landtag heißt es bisher, dass in der Sprachverwendung auch diese Menschen angesprochen werden sollen. Wie das geschehen soll, wird allerdings nicht erläutert.

Nun wird der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ das Thema Mitte Juli wieder behandeln. Das geschieht angesichts von Umfragen, die eine übergroße Ablehnung der Bevölkerung gegenüber der künstlich und gestelzt wirkenden Gender-Sprache verdeutlichen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein erst wenige Wochen altes Memorandum der Schweizer Bundeskanzlei. Die Autoren interpretieren die geltende gesetzliche Auflage für die Schweizer. Sie lautet: „Die Bundesbehörden sind verpflichtet, sich um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache zu bemühen und auf geschlechtergerechte Formulierungen zu achten.“ Was das genau heißt, wird in dem neuen Leitfaden dann näher ausgeführt und an Beispielen erläutert. Die Texte der Behörden sollten so verfasst sein, „dass sie von möglichst großen Teilen der Bevölkerung verstanden werden“. Die generische Form (also nur die männliche Form, die dann sämtliche Geschlechter meint) habe in den letzten Jahren ihre Bedeutung verloren.

Viel Lob erfahren dann die „Paarformen“ („Leserinnen und Leser“). Der Nachteil sei, dass nicht-binäre Menschen nicht erfasst sind – und dass in längeren Texten eine Häufung von Paarformen zur Unleserlichkeit führt. Als „Sparschreibung“ wird bezeichnet, eine dargestellte Kurzform zu verwenden wie „Politikerinnen/Politiker“, die ausgesprochen wird als „Politikerinnen und Politiker“. Man kann das auch als „Politiker(innen)“ verwenden, wobei die Schweizer Bundeskanzlei das ebenso wie „PolitikerInnen“ als unzulässig bezeichnet. Die Lesbarkeit von Texten werde so beeinträchtigt. Diese Form darf in der Schweiz nicht verwendet werden.

Auch „Studierende“ statt „Studentinnen und Studenten“ wird skeptisch beurteilt, da es Personenbezeichnungen gebe, die nicht von Adjektiven oder Partizipien abgeleitet sind, etwa das Wort Bundeskanzler. Er ist zwar ein Regierender, aber kein „Bundeskanzelnder“. Besonders das Genderzeichen in mehrfach möglichen Formen (Bürger*innen, Bürger:innen, Bürger_innen) wird von den Schweizern beleuchtet. Das Urteil über diese Darstellungen fällt vernichtend aus. Diese Formen seien „aus sich selbst heraus nicht verständlich“, sie ließen sich auch beim Vorlesen nicht auflösen. Die Sprechpause (der sogenannte Glottisschlag, der gern im „heute-journal“ von Claus Kleber verwendet wurde) überzeuge nicht – denn damit könne man nur hantieren, wenn der Zuhörer es auch zu deuten weiß. Wenn man „Richter*in“ vorlese, könne der Aufnehmende nicht erkennen, ob nur eine weibliche Richterin oder ob ein Richter jedwedes Geschlechts gemeint ist. Einen problematischen Satz, der die Absurdität der Genderstern-Regeln veranschaulicht, fügen die Schweizer hinzu: „Der*die Leiter*in bezeichnet eine*n geeignete*n Mitarbeiter*in, der*die ihn*sie bei Abwesenheit vertritt.“