Die Corona-Pandemie trifft alle gleich – und doch jeden ganz anders. Seit über einem Jahr stellt das Virus den Alltag der Niedersachsen auf den Kopf. Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter hat mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten gesprochen und sie gefragt, wie sich ihr Leben verändert hat, woraus sie nun Kraft schöpfen und was sie von der Politik erwarten. Unser heutiger Gesprächspartner ist Katja Schröder, Leiterin einer Grundschule in Hannover und Kommunalpolitikerin.

Katja Schröder, Leiterin einer Grundschule in Hannover und Kommunalpolitikerin – Foto: Henning Scheffen Photography

Rundblick: Erzählen Sie uns bitte, was Ihren beruflichen Alltag ausgemacht hat, bevor die Corona-Pandemie ausgebrochen ist.

Schröder: Ich leite eine Grundschule mit derzeit etwa 300 Schülerinnen und Schülern, aber es werden immer mehr. Ab dem nächsten Schuljahr sind wir in jedem Jahrgang vierzügig. Wir haben ein sehr altes Schulgebäude in einer gut-bürgerlichen Gegend, würde ich sagen. Als Schulleiterin trage ich natürlich die Gesamtverantwortung für das System, ich habe die Personalverantwortung, ich achte darauf, dass der Unterricht stattfinden kann, ich muss versuchen, die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Ich mache Unterrichtsbesuche und natürlich erteile ich auch selber Unterricht. Außerdem bin ich für die Verwaltung zuständig, schreibe Elternbriefe und solche Dinge. Und natürlich muss ich auch darauf achten, dass Verwaltungs- und Rechtsvorschriften eingehalten werden, ich habe mit dem Bauamt und der Schulbehörde zu tun – das war früher sicher nicht so anspruchsvoll wie nun.


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Rundblick: Erinnern Sie sich noch an den Tag, an dem klar wurde, dass die Osterferien vorgezogen und die Schulen dicht gemacht werden?

Schröder: Ja, sehr genau. Ab Donnerstag haben wir es erwartet, am Freitag kam dann die Aussage über unseren obersten Dienstherrn, den Kultusminister. Im ersten Moment kann man so etwas gar nicht glauben. Man funktioniert einfach, wie man das in einer Krisensituation einfach tut. Ich habe also zunächst eine Durchsage gemacht, das ist dann für die Schulgemeinschaft immer etwas ganz besonderes, weil alle wissen: das geht uns jetzt alle an, da passiert etwas! Den Schülern habe ich auf diesem Wege mitgeteilt, sie sollen all ihre Schulsachen mit nach Hause nehmen, weil zunächst in der nächsten Woche aller Voraussicht nach kein Unterricht stattfinden wird. Danach habe ich die Lehrkräfte um 14 Uhr zur Konferenz ins Lehrerzimmer eingeladen. Das Verrückte war ja: Niemand wusste, was jetzt passieren würde, auch die Eltern hatten noch keine Ahnung.

Deshalb bin ich in solchen Situationen am liebsten mit den Kleinen zusammen: die werden nicht panisch, sondern richten den Blick wieder auf das Wesentliche.

Rundblick: Wie reagierten denn die Kinder auf diese Ankündigung?

Schröder: Die Kinder gingen zunächst ganz unbeschwert mit solchen Situationen um. Die sind aufgeschlossen, neugierig, stellen Fragen. Deshalb bin ich in solchen Situationen am liebsten mit den Kleinen zusammen: die werden nicht panisch, sondern richten den Blick wieder auf das Wesentliche. Einige Kinder haben sich auch einfach nur gefreut. Wir waren ja eh kurz vor den Ferien, da sehnen viele natürlich die freien Tag herbei, das ist ganz normal. Aber als sie dann das erste Mal nach Wochen wieder zurückkamen, haben sie mir erzählt, wie sie das alles zu Anfang noch schön fanden – sie hätten aber nicht geahnt, wie schrecklich es sein kann, wenn man dann zuhause bleiben muss und niemanden mehr sehen kann und auch nicht in die Schule darf. Da konnten sich einige noch gut daran erinnern, wie sie sich erst gefreut haben und dann die Stimmung umgeschlagen ist.

Rundblick: Wie ging ihr beruflicher Alltag dann weiter, nachdem die Kinder in die vorgezogenen Ferien geschickt wurden?

Schröder: Ich durfte ja weiterhin zur Schule gehen und musste dann erst einmal extrem viel kommunizieren. Das war mir wichtig: so transparent und offen wie möglich zu kommunizieren und alle Schritte in einfachen Worten zu erklären. Die Situation war ja für alle ungewohnt. Für die Eltern aber auch für meine Kollegen. Die haben das mit dem Distanzunterricht ja noch nie gemacht – und ich habe auch noch nie in einer Pandemie eine Schule geleitet.

Rundblick: Was passierte als nächstes?

Schröder: Als nächstes mussten wir versuchen, die unzähligen Auflagen umzusetzen, die ein paar Tage später teilweise schon wieder hinfällig waren. Und es musste organisiert werden, dass alle Kinder ihre Arbeitspakete erhielten, auch jene ohne Drucker oder die sich das Material nicht abholen konnten. Wir haben außerdem versucht, die Schule auf die Rückkehr der Kinder vorzubereiten mit Markierungen und Abständen. Der Schulalltag hat sich aber komplett verändert. Wir waren immer eine offene Schule und hatten viele Menschen von außerhalb bei uns. Da gab es die Lesementoren, die Studenten oder auch die Sportvereine oder die Musikschule, die in unserer Schule einfach dazugehörten. Plötzlich war alles zu.

Wir haben auch viel Positives daraus gewonnen, zum Beispiel neue Unterrichtsformate. Und unsere Schulgemeinschaft ist unheimlich stark zusammengerückt.

Rundblick: Wenn Sie jetzt mit einem Jahr Abstand auf dieses verrückte Jahr zurückschauen, was fühlen Sie da? Wie bewerten Sie den Umgang mit der Corona-Pandemie?

Schröder: Ich bin total stolz, dass wir so viel geschafft und neu dazugelernt haben. Wir haben auch viel Positives daraus gewonnen, zum Beispiel neue Unterrichtsformate. Und unsere Schulgemeinschaft ist unheimlich stark zusammengerückt. Das Vertrauen zueinander hat sich ganz neu entwickelt, weil jeder gemerkt hat, wie wichtig es ist, dass wir alle an einem Strang ziehen. Ich würde sagen, dass ich auch selber unglaublich viel gelernt habe. Ich habe zum Beispiel noch nie so viele E-Mails geschrieben, wie in dieser Zeit. Ich glaube, dass sich gezeigt hat, dass Führung in dieser Krise ganz, ganz wichtig ist. Es muss jemand da sein, der die Fäden zusammenhält.

Rundblick: Gibt Ihnen dieser Zusammenhalt die Kraft, um trotz aller Widrigkeiten durchzuhalten?

Schröder: Auf jeden Fall, das großartige Team stützt da sehr. Was mit aber auch sehr wichtig ist, bleibt der Kontakt zu den Kindern. Die geben mir unglaublich viel Kraft, deshalb gehe ich auch immer wieder gern in den Unterricht.

Rundblick: Wenn Sie nun drei Wünsche an die Politik frei hätten: Was wünschen Sie sich für die kommende Corona-Politik?

Schröder: Drei Wünsche reichen da wahrscheinlich gar nicht aus. Es hat zwar sehr vieles geklappt, aber die Bürokratie ist noch ein riesiges Problem. Unsere Personaldecke ist extrem dünn, aber wir haben da draußen Menschen, die uns helfen wollen. Die Bürokratie macht uns da aber einen Strich durch die Rechnung. Ich denke da zum Beispiel an die vielen Studenten, für die es auch ein Gewinn wäre, jetzt in der Schule zu unterstützen, weil sie dort auch viele Erfahrungen sammeln könnten. Aber so einfach geht es dann nicht. Ich sage immer: Wenn man in der Behörde sitzt, hat man nicht die Kinder vor der Tür stehen. Wir haben aber jetzt im Wechselmodell jeden Tag 150 Kinder vor der Tür und müssen sehen, dass es genug Betreuer für die Gruppen gibt.

Rundblick: Also weniger Bürokratie. Noch ein Wunsch?

Schröder: Ich mache mir große Sorgen um die Kinder und Jugendlichen im Sekundarbereich I, die jetzt nicht in die Schule dürfen. Ich erlebe, wie die Kinder bei uns wieder aufblühen. Aber ab der fünften Klasse gibt es das nicht und die sind wirklich unglücklich. Die Kinder müssen wieder in die Schule kommen. Dazu müssen wir rein praktisch eine gute Teststrategie entwickeln und im Schulbereich flächendeckend impfen.