Es ist nur eine Zahl, und deren Aussagekraft ist in der Krise noch weniger aussagekräftig als in wirtschaftlich ruhigeren Zeiten. Bei 91 Punkten steht der sogenannte Konjunkturklimaindikator der IHK Niedersachsen (IHKN), im Vergleich zum vorigen Quartal ist er um zwei Punkte gestiegen. Die Steigerung könnte zu der Annahme verleiten, dass sich die Wirtschaft langsam wieder erholt, aber so ist es nicht. Vielmehr manifestiert sich immer stärker eine massive Spaltung: Die einen kommen auch in der Corona-Zeit gut über die Runden, die anderen stehen vor der Pleite. Die Wirtschaftslage bleibe „stark branchenabhängig“, hieß es dazu gestern bei der IHKN. „Die Stimmung kippt gerade in vielen Branchen und schwankt zwischen frustriert und zunehmend auch verzweifelt. Die Unternehmen und ihre Mitarbeitenden haben mittlerweile große Existenzängste“, erklärte Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. Bei vielen Unternehmen sei das Eigenkapital inzwischen aufgebraucht, sie stünden vor dem Nichts, zumal es starke Verzögerungen bei den staatlichen Hilfen gebe. Bielfeldt sprach von einer großen zeitlichen Lücke zwischen den Hilfszusagen und der Möglichkeit, die Gelder überhaupt zu beantragen. Bei den Abschlagszahlungen wiederum habe es technische Probleme gegeben, wodurch hier bisher nur ein Drittel der Unternehmen die Abschläge erhalten hätten.

    Vor allem der Einzelhandel hat riesige Probleme, wenn es nicht gerade um Supermärkte oder Drogerien geht, die nach wie vor öffnen dürfen. Dem Handelsverband zufolge droht 5000 der insgesamt 40.000 Unternehmen im Land die Insolvenz. Für die Geschäfte sei der zweite Lockdown seit Mitte Dezember eine „wirtschaftliche Katastrophe“, erklärte Bielfeldt. Und so ist der Indikator beim Handel auch weit von den 91 Punkten entfernt. Er liegt unterhalb der 60 Punkte-Marke und die Richtung zeigt abwärts, die Einschläge in Form von Insolvenzen kommen immer näher. Die Süßmarkenwaren wie Arko, Hussel und Eilles hat es schon erwischt, ebenso die Modekette Adler. Esprit und Hallhuber haben das Schutzschirmverfahren beantragt. Bielfeldt erklärte, die Insolvenzen auch großer Ketten zeigten, dass Mittelständler wie Großunternehmen gleichermaßen zu kämpfen hätten. Für den Handel braucht man langfristig ihrer Meinung nach eine Dreifach-Strategie. Als erstes werde es um zügige Hygienekonzepte gehen, wenn die Läden wieder öffnen. Danach werde man sich darüber Gedanken machen müssen, wie man schöne Einkaufserlebnisse ermöglichen könne, bei denen sich Kunden auch sicher fühlten. Der dritte Punkt sei besonders wichtig: „Wir brauchen eine Langfrist-Strategie zur Zukunft der Innenstädte. Dabei wird es auch staatliche Anreizsysteme geben müssen.“

    Neben dem Handel sieht es aktuell auch in anderen Branchen düster aus. Busse und Taxen sind laut IHKN derzeit kaum rentabel zu betreiben, Veranstalter haben nach wie vor so gut wie keine Aufträge. Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Zahlen etwas hoffnungsvoller erscheinen. So hat sich die Industrie Bielfeldt zufolge schneller erholt. Hier seine eine Belebung der Nachfrage aus dem In- und Ausland festzustellen, die Geschäftslage der Banken sei zufriedenstellen. Insgesamt rechnet man nur in 16 Prozent der knapp 2000 Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, mi einer günstigen Geschäftsentwicklung. Rund die Hälfte geht davon aus, dass sich nicht viel ändern wird, mehr als Drittel sieht dunkle Wolken am Horizont und erwartet eine negative Entwicklung. Das führt auch dazu, dass die Personalplanung insgesamt im negativen Bereich bleibt, neue Stellen werden also nicht entstehen.