Darum geht es: Erstmals haben Flüchtlingsrat und kommunale Spitzenverbände zu einer gemeinsamen Tagung eingeladen, um über Konzepte zur Integration von Flüchtlingen zu sprechen. Ein Kommentar von Isabel Christian.

Die ersten Notstände sind beseitigt. Die Flüchtlinge, die im Herbst 2015 in Massen nach Niedersachsen strömten, haben zu essen, einen festen Schlafplatz – im Idealfall sogar eine Wohnung – und werden medizinisch versorgt. Wer jetzt noch als Flüchtling ins Land kommt, kann darauf zählen, dass seine menschlichen Grundbedürfnisse sofort und umfassend befriedigt werden können. Doch die weitaus größere Herausforderung steht noch bevor. Der überwiegende Teil der Neuankömmlinge wird Deutschland auf absehbare Zeit nicht mehr verlassen, vielleicht sogar nie. Diese Menschen müssen integriert werden. Aber das Bedürfnis nach Integration ist leiser als das nach Brot und Schlaf. Die Not aus Hunger und Erschöpfung ist sichtbar und kann mit einfachen Mitteln gelindert werden. Der Not aus Außenseitertum und Fremdheit dagegen kann man nur begegnen, indem man Teilhabe schafft. Das aber braucht Zeit und Geduld. Die Flüchtlinge haben in der Regel beides. Sie sind es längst gewohnt, zu warten. Aber hat unsere Gesellschaft die nötige Zeit und Geduld?

Auf einer Pressekonferenz im vergangenen Juli sprach die Regionalleiterin der Arbeitsagentur Niedersachsen-Bremen, Bärbel Höltzen-Schoh, über den Fortschritt der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Und sie machte ein Geständnis. „Als die Flüchtlinge kamen, haben wir alle gedacht, die stehen uns in ein bis zwei Jahren als Arbeitskräfte zur Verfügung. Das war ein großer Irrtum.“ Doch Ungeduld mit den Flüchtlingen hat nicht nur der Arbeitsmarkt. Auch die Politik, die Verwaltung, die Helfer haben sich viel schneller viel größere Schritte nach vorn erhofft.

Es gibt Fortschritte und es gibt auch Ergebnisse. Aber sie erscheinen nur klein. Ein Flüchtlingsmädchen kann erzählen, ob es sich an der neuen Schule auch angenommen fühlt. Aber wie will man messen, ob sich 1000 Flüchtlingsmädchen an ihren Schulen wohlfühlen? Statistisch erfassbar ist nur, dass sie zur Schule gehen. Ob Integration erfolgreich ist oder nicht, zeigt sich meist nur, wenn sie misslingt. Wenn die Straftaten steigen oder sich Parallelgesellschaften bilden. Beides ist in Niedersachsen zu beobachten, aber nicht in einem Maß, in dem es besorgniserregend wäre. Das bedeutet, dass die riesige, weit verzweigte Integrationsmaschinerie irgendwie funktioniert. Doch damit das so bleibt, dürfen ihr die Teile nicht ausgehen. Flüchtlingsintegration, jetzt in den meisten Kommunen Chefsache, darf nicht wieder zum Beiwerk werden, das irgendjemandem im Sozialressort aufgehalst wird. Die große Politik darf nicht aufhören, die Kommunen bei der Integration zu unterstützen, nur weil das Thema Flüchtlinge nicht mehr die Schlagzeilen der Medien beherrscht. Und die Ehrenamtlichen, die sich in so vielfältiger Weise um Flüchtlinge kümmern, dürfen nicht den Eindruck bekommen, ihr Engagement sei letztlich sinn- weil fruchtlos. Das dauert uns zu lange – diesen Satz darf es bei der Integration von Flüchtlingen nicht geben.

Stattdessen muss die Politik verinnerlichen, dass die Integration von Flüchtlingen ein Thema ist, das noch Jahre aktuell bleiben wird. Und sie muss jetzt ein Netz schaffen, eine feste Struktur, die das Fortschreiten der Integration sicherstellt. Die Kommunen haben ein solches Netz zum Großteil schon entwickelt und etabliert. Doch es basiert immer noch stark auf Freiwilligkeit und dem guten Willen Einzelner. Um zu verhindern, dass das System zusammenbricht, wenn den Freiwilligen doch irgendwann die Geduld ausgeht, muss ein Ersatzkonzept bereitstehen. Und dazu wird Geld gebraucht. Es darf deshalb eigentlich keine Frage sein, ob die Integrationspauschale kommt oder nicht. Vielmehr sollte geprüft werden, wie viel Geld eine Kommune tatsächlich benötigt, um ein Sicherheitsnetz für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen zu pflegen.

 

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