14. Apr. 2025 · 
Soziales

Kein Geld oder keine Nachfrage? Jobcenter und Caritas streiten über Jugendwerkstätten

Zum 1. April hat der Caritasverband des Bistums Hildesheim seine Jugendwerkstätten in Hannover geschlossen. Die Caritas erklärte, trotz monatelangem Bemühen keine solide Finanzierung gefunden zu haben, und beklagte eine zunehmende soziale Kälte. Jetzt wehrt sich das Jobcenter der Region Hannover gegen die Darstellung, die Behörde würde die Maßnahmen für junge Menschen nicht mehr fördern. Im Politikjournal Rundblick stand, das Jobcenter würde gar keine Plätze mehr buchen. Richtig ist, dass die Zahl der gebuchten Plätze von 24 im Jahr 2024 auf 16 reduziert wurde. Pro Person, präzisiert Caritas-Sprecherin Svenja Koch, werde aufgrund einer neuen Förderstruktur sogar mehr bezahlt als zuvor. Durch die Reduzierung der Plätze reiche die Gesamtsumme aber nicht mehr für den Betrieb aus. Für das Jobcenter stellt sich die Situation etwas anders dar, wie Sprecher Lasko Werner sagt: Die beiden Jugendwerkstätten, die die Caritas-Jugendsozialarbeit bis 2023 anbot, stießen nicht auf ausreichendes Interesse bei den Jugendlichen und waren daher nicht ausgelastet. „Wir suchen dann das Gespräch mit den Einrichtungen“, erklärt Werner.

Gemeinsam haben beide Partner das Folgeangebot „Jugendwerkstatt mybase“ entwickelt. „Die Auslastung war sehr gut, die Inhalte sind bei den jungen Erwachsenen offensichtlich gut angekommen“, berichtet Werner. Dazu muss man wissen: Der Besuch ist für die Jugendlichen, die aufgrund vielfältiger Probleme nicht zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen können, freiwillig. „Freiwilligkeit ist ein zentrales Merkmal der Jugendwerkstätten“, erklärt Kerstin Tack, die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege. „Viele der jungen Menschen, die hier begleitet werden, haben negative Erfahrungen mit Zwang und Ausgrenzung gemacht – sei es in Schule, Familie oder Behörden. Die Angebote setzen auf Beziehung, Vertrauen und Motivation. Die Erfahrung zeigt: Gerade weil das Angebot freiwillig ist, ist die Wirkung oft nachhaltig.“ Das heißt aber auch, dass die Zielgruppe mit den Füßen abstimmt, wenn sie den Nutzen des Angebotes für sich nicht erkennt.

Kerstin Tack | Foto: Lada

Die Ampel-Regierung hatte den Jobcentern die Mittel gekürzt, die sie für „besonders arbeitsmarktferne Zielgruppen“ einsetzen können. Das spüren die derzeit 92 Jugendwerkstätten in Niedersachsen, sagt Tack: „Förderentscheidungen fallen restriktiver aus.“ Insgesamt seien im Jahr 2025 allein in der Region Hannover rund 100 Plätze weniger durch das Jobcenter eingekauft worden, fünf Jugendwerkstätten werden gar nicht mehr eingekauft.“ Lasko Werner betont, dass nicht pauschal gestrichen, sondern von Fall zu Fall entschieden werde: „In den letzten Jahren haben wir schon einige Kooperationen nicht verlängert. Dafür fördern wir andere Plätze auch in der aktuellen Situation weiter.“ Gerne hätte das Jobcenter die Maßnahme mit der Caritas weitergeführt. Für den Caritasverband wäre das aber nur infrage gekommen, wenn entweder das Jobcenter oder die N-Bank, welche die Landesförderung für die Jugendwerkstätten vergibt, ihren Beitrag noch weiter erhöht hätten. Bereits in den Vorjahren haben die Werkstätten jährlich ein sechsstelliges Defizit verursacht. „Die Kürzungen der Jobcenter auf Bundesebene waren in diesem Fall nicht der alleinige Grund für die Schließung“, resümiert Svenja Koch. Die Werkstätten seien die einzigen Einrichtungen dieser Art im Bistum Hildesheim. Daher sei es auch nicht möglich gewesen, durch Umschichtungen Spareffekte zu erzielen. Innerhalb der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege ist die Caritas bisher der einzige Träger, der diesen radikalen Schritt gegangen ist. Laut einer Umfrage vom Herbst 2024 sorgen sich aber zwei von drei der befragten Einrichtungen in Niedersachsen um ihren Weiterbestand – „selbst die Jugendwerkstätten, für die der Einkauf durch die Jobcenter gesichert scheint“, betont Kerstin Tack: „Diese Entwicklung ist aus unserer Sicht alarmierend und gefährdet die Teilhabe- und Integrationschancen junger Menschen.“

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #072.
Anne Beelte-Altwig
AutorinAnne Beelte-Altwig

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