Künstliche Intelligenz verleiht der Suche nach Windkraftflächen neuen Schwung

Der Name ist etwas gewöhnungsbedürftig: Wind-GISKI heißt die Software, die die Flächensuche für Windenergieanlagen in Deutschland revolutionieren soll. Die Bezeichnung ergibt jedoch Sinn, da es sich bei der niedersächsischen Neuentwicklung um ein Geoinformationssystem (GIS) handelt, das auf Künstliche Intelligenz (KI) zurückgreift. „Wir versuchen, sämtliche verfügbaren Geodaten zu nutzen, um eine KI damit zu trainieren, die uns dann anzeigt, welche Flächen sich am besten für den Bau von Windenergieanlagen eignen“, fasst Henning Arends von der hannoverschen Software-Entwicklungsfirma Nefino das Ziel zusammen. Das Unternehmen bietet bereits jetzt digitale Lösungen an, die Planungsträgern und Projektentwicklern bei der Suche nach optimalen Standorten für Windparks helfen. Wind-GISKI, das zusammen mit verschiedenen Forschungsinstituten aus Hannover, Oldenburg und Bremerhaven entwickelt wurde, spielt jedoch in einer ganz neuen Liga. „Klassisch betrachtet ist die Flächensuche ein sehr komplizierter und langwieriger Prozess, bei dem mehr als 100 Kriterien berücksichtigt werden müssen. Dabei können mehrere Monate Arbeit anfallen“, erklärt Arends. Wind-GISKI kann diesen Vorgang erheblich beschleunigen und somit den Ausbau der Windenergie vorantreiben.
„Wir haben Deutschland in 50 mal 50 Meter große Kacheln unterteilt und für jede Kachel verschiedene Merkmale erfasst“, erläutert Daniel Gritzner vom Institut für Informationsverarbeitung (TNT) der Leibniz-Universität Hannover die Herangehensweise. So entstanden mehr als 100 Millionen Felder, denen jeweils über 60 Merkmale aus Kategorien wie Landschaftsschutz, Siedlungsstruktur, Topographie oder Meteorologie zugeordnet wurden. „Um ein KI-Modell zu trainieren, braucht man Kontraste. Man benötigt Trainingsbeispiele, die gut geeignet sind, und Beispiele, die schlecht geeignet sind“, erklärt Gritzner. Um die Künstliche Intelligenz zu trainieren, wurden daher nicht nur bestehende Windparks detailliert analysiert, sondern auch viele Flächen einbezogen, auf denen aus verschiedenen Gründen keine Windenergie genutzt werden darf. „Die Entwicklung des Tools hat etwa zwei Monate gedauert“, berichtet der TNT-Wissenschaftler. Das Anlernen der KI hingegen sei auch nach fast zweieinhalb Jahren Entwicklungszeit noch nicht vollständig abgeschlossen. Eine funktionsfähige Demoversion stellte Gritzner am Dienstag in Hannover zwar bereits vor, doch „es ist noch kein Tool für den Endanwender“, sagt der Softwareexperte. Eine marktreife Version sei frühestens in einem Jahr zu erwarten und werde voraussichtlich noch viel mehr Ausschluss- und Bewertungskriterien berücksichtigen. „Wir haben perspektivisch die Möglichkeit, über 1000 verschiedene Kriterien einfließen zu lassen“, ergänzt Arends.
14 Prozent von Niedersachsen für Windkraft geeignet
Die größte Stärke und gleichzeitig Schwäche der KI-Anwendung sind die zugrunde liegenden Daten. Schall- und Schattenimmissionen sind in der aktuellen Version noch nicht berücksichtigt, weshalb die Bewertung in diesen Bereichen derzeit nur eingeschränkt gültig ist. Zudem werden nicht alle Daten automatisch aktualisiert, da die Datenbank aus vielen verschiedenen Quellen gespeist wird. Dennoch konnten die Projektpartner auch schwer zugängliche Informationen wie die Vogelflugrouten erfassen. „Wir haben sogar fast alle Daten der Bundeswehr; nur die Tieffluggebiete für Hubschrauber unterliegen der Geheimhaltung“, berichtet Arends. Der Datenschatz ist bereits jetzt enorm und umfasst das gesamte Bundesgebiet. Laut dem Programm kommen etwa 17 Prozent der Fläche Deutschlands für Windenergie in Frage, in Niedersachsen sind es etwa 14 Prozent.
Bei entsprechender Weiterentwicklung könnte Wind-GISKI in Zukunft geeignete Windkraftflächen auf Knopfdruck finden. Bis dahin darf die Künstliche Intelligenz jedoch nur unter menschlicher Aufsicht eingesetzt werden. „Eine abschließende Abwägung der vorgeschlagenen Flächen erfolgt nach wie vor durch die Planungsträger. Eine rechtssichere Planung auf dieser Grundlage ist somit gewährleistet“, betont Carlos Kuhlmann vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) Niedersachsen. Die Windkraftbranche hofft, dass mithilfe der neuen Software noch mehr und größere konfliktarme Flächen identifiziert werden können. „Das Besondere an Wind-GISKI ist, dass die KI nicht an fest vorgegebene Abstände gebunden ist, sondern diese Abstände selbstständig herausfinden soll“, erklärt LEE-Referentin Tomke Menger.
Dieser Artikel erschien am 23.10.2024 in der Ausgabe #185.
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