Der Geburtsfehler, wenn man ihn so nennen will, ist schon 2019 geschehen. Damals gelang es dem Land Niedersachsen und anderen Akteuren, eine Rettung der angeschlagenen Nord/LB zu erreichen – über einen demonstrativen Schulterschluss der Sparkassenfamilie. Alle anderen Landesbanken und alle Sparkassen in Deutschland kauften sich bei der Landesbank mit Sitz in Hannover ein und sicherten ihr so die notwendige Kapitalbasis. Warum war das ein Geburtsfehler? Weil die zur Schau gestellte Gemeinsamkeit am Ende doch nicht über einen Umstand hinwegtäuschen kann: Die Sparkassen und die Landesbanken untereinander sind eben nicht nur Brüder und Schwestern, sondern auch Konkurrenten. Das zeigt sich gerade jetzt.

Foto: BLSK

Während sich die niedersächsische Landeshauptstadt anschickt, die letzten Vorbereitungen für ein Großereignis zu treffen, den Deutschen Sparkassentag, laufen hinter den Kulissen mehr oder weniger intensiv noch weitere Gespräche über einen besonderen Plan: Die „Braunschweigische Landessparkasse“ (BLSK), bisher ein unselbständiger Teil der Nord/LB, könnte aus dem Kuchen der Nord/LB herausgeschnitten werden. Das würde sich überschneiden mit Forderungen von Kommunalpolitikern aus den Städten Braunschweig und Salzgitter, den Kreisen Wolfenbüttel, Helmstedt und Holzminden.

Kommunen wünschen sich mehr Kontrolle über BLSK

Sie bemängeln seit vielen Jahren, in der Konstruktion der Nord/LB zu wenig Einfluss auf die BLSK zu haben. Auf diese in ihrem Gebiet zuständige Sparkasse hätten sie als Kommunen gar keinen Einfluss, und das sei nicht in Ordnung. Die Wunschvorstellung der Oberbürgermeister und Landräte aus der Region lautet, dass sie selbst die Hoheit über die BLSK haben soll – so, wie es in den meisten anderen Städten und Kreisen der Republik der Fall ist. Auf der Seite der niedersächsischen Landesregierung waren diese Rufe indes jahrelang nicht erhört worden. Nun aber kommt offenkundig Bewegung in die Sache.

Foto: BLSK

Aus Teilen der Landesbanken- und Sparkassenfamilie, vorrangig wohl aus Süd- und Westdeutschland, wird die seit einigen Monaten erkennbare aufstrebende Entwicklung der Nord/LB nämlich mit Neid und Missfallen beäugt. Eine stärker werdende Landesbank in Hannover könnte in Geschäftsfelder vordringen, die sich andere Landesbanken gern stärker vornehmen möchten. So hatten sich das einige nicht gedacht, als sie 2019 die am Boden liegende Nord/LB aufgepäppelt hatten. Nun stellt sich als Schwäche der Nord/LB-Konstruktion heraus, dass sie in ihren Entscheidungsstrukturen auf die Mitwirkung der anderen Landesbanken und Sparkassen zwingend angewiesen ist.

Konkret benötigt die Nord/LB gerade eine neue IT-Infrastruktur, Investitionen in Höhe von 500 Millionen Euro sind notwendig. In den Gremien der Landesbank jedoch wäre für eine solche Ausgabe eine Zustimmung von 80 Prozent nötig. Die beiden Gesellschaften, die die Anteile der anderen Landesbanken und aller nicht-niedersächsischen Sparkassen bündeln, sie heißen „Fides“, stellen zusammen aber 24 Prozent und haben damit eine Sperrminorität. Diese üben sie auch aus, indem sie bisher die Zustimmung zur IT-Anschaffung verweigern. Von „Blockadehaltung“ ist die Rede, einige sprechen gar von Erpressung.

Wird die Fides-Gruppe neuer Eigentümer der BLSK?

Das Problem könnte sich so lösen: Wenn die Nord/LB den Bedenken der Fides-Gruppe entgegenkommt und die Bilanzsumme absenkt, also schrumpft, könnte ja womöglich auch eine kleinere IT-Infrastruktur erforderlich werden – und dem könnte Fides dann zustimmen. Als relativ einfacher Schritt einer „Schrumpfung“ wird insofern das Abstoßen der BLSK verstanden. So hat es der Sparkassenverband Westfalen-Lippe im vergangenen März schon einmal direkt geäußert. Diskutiert wird auch, ob die Fides-Gesellschaften dann direkt Eigentümer der aus der Nord/LB herausgelösten BLSK werden könnten.



Das würde vermutlich nur vorübergehend denkbar sein – und mit der Erwartung verknüpft werden, dass irgendwann die Städte Braunschweig und Salzgitter, sowie die Kreise Helmstedt, Wolfenbüttel und Holzminden dann Geld aufbringen, um selbst Eigentümer der BLSK zu werden. Nur dann nämlich wäre die BLSK tatsächlich in kommunaler Obhut und das kommunalpolitische Ziel des Braunschweiger Landes wäre endlich erfüllt.

Zwischendurch war auch diskutiert worden, dass für die notwendige IT, die eine aus der Nord/LB herausgelöste BLSK benötigt, Verträge mit anderen Einrichtungen geschlossen werden könnten – etwa mit dem zentralen Dienstleister der Sparkassen. Auch eine enge Partnerschaft mit einer anderen größeren niedersächsischen Sparkasse wäre vorstellbar.

Wie auch immer: Die Lösung dieser Probleme setzt noch einige Verhandlungen voraus, an denen einer immer eine zentrale Rolle hat: Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere, der Vorsitzende des Nord/LB-Aufsichtsrates. Er muss mehrere Interessen unter einen Hut bekommen. Zum einen braucht die Nord/LB grünes Licht für die IT-Investition, die Blockade von Fides in den Gremien muss aufhören. Dann ist Heeres Interesse darauf gerichtet, die Nord/LB in ihren Entwicklungsmöglichkeiten und Geschäftsfeldern nicht zu stark einzuengen, sie soll ja auch nicht gegenüber anderen Landesbanken ins Hintertreffen geraten.

Schließlich muss Heere auch den Erwartungen und Hoffnungen der Politiker aus dem Braunschweiger Land gerecht werden, die den gegenwärtigen Streit um die BLSK mit hoffnungsfrohen Blicken begleiten. Ob der Deutsche Sparkassentag in Hannover am 31. Mai und 1. Juni nun eine Chance bietet, endlich zum Durchbruch zu kommen? Anzeichen dafür gibt es bisher nicht.