Was passiert in den kommenden Tagen? Welche Personen kommen für neue Ämter ins Gespräch – und wer wird sich dabei durchsetzen? Wir schauen im Überblick auf die SPD, die CDU und die rot-grünen Koalitionsverhandlungen.
So geht es weiter bei der SPD:
In der SPD fallen in den kommenden Tagen die ersten wichtigen Personalentscheidungen. Auf Vorschlag des SPD-Landesvorsitzenden und auch künftigen Ministerpräsidenten Stephan Weil wird ein Kandidat für das Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden präsentiert – und in der konstituierenden Sitzung der neuen Landtagsfraktion am Dienstag gewählt werden. Bis gestern Abend war noch unklar, wer dies sein würde. Als Wunschkandidat vieler in der Partei galt schon seit Wochen der bisherige Kultusminister Grant Hendrik Tonne aus dem Kreis Nienburg. Er hat am Sonntag hauchdünn seinen Wahlkreis gewinnen können – gegen eine sonst dort übliche CDU-Dominanz.
Hätte er verloren, wäre Weil gezwungen gewesen, jemand anders zu nominieren, etwa die bisherige SPD-Generalsekretärin Hanna Naber aus Oldenburg. Tonne und Naber entsprechen dem Stil von der bisherigen Fraktionschefin Johanne Modder, den Weil so geschätzt hat: kein eigenes Profil nach außen, bedingungslose Treue zum Ministerpräsidenten.
Umweltminister Olaf Lies, über den auch als möglichen Fraktionschef diskutiert wurde, möchte lieber Minister im Kabinett bleiben und bestimmte sachpolitische Projekte vorantreiben, zur Not auch im Konflikt mit Weil. Für Sozialministerin Daniela Behrens gilt das vermutlich ebenfalls, aber sie käme sowieso nicht in Betracht, da sie ihren Wahlkreis nicht eroberte und die SPD-Landesliste wohl nicht zieht. Eng im Zusammenhang mit der Personalie des Fraktionschefs steht eine andere, nämlich die des künftigen Landtagspräsidenten. Falls nicht Tonne Fraktionschef werden sollte, käme für dieses Amt die Ärztin Thela Wernstedt in Betracht, die Tochter des früheren Landtagspräsidenten Rolf Wernstedt.
Da aber nicht drei Spitzenpositionen von Politikern des SPD-Bezirks Hannover eingenommen werden können (Ministerpräsident, Fraktionsvorsitz und Landtagspräsident), wäre ein Aufstieg von Tonne zum Fraktionsvorsitzenden vermutlich das Aus für Wernstedt als Landtagspräsidentin – es sei denn, der Bezirksproporz wird später im Kabinett auf andere Weise hergestellt. Die 55-jährige Wernstedt ist verwitwet, lebt in Hannover und gehört dem Landtag seit 2013 an. Sie hat Medizin und Philosophie studiert und ihre Doktorarbeit über „Sterbehilfe in Europa“ geschrieben. Im Landtag ist sie wiederholt durch kluge und nachdenkliche Reden aufgefallen.
So geht es weiter bei der CDU:
In der niedersächsischen CDU steht jetzt eine regelrechte Revolution bevor. Althusmann kündigte am Sonntagabend an, von seinem Amt als Landesvorsitzender zurückzutreten und einen Sonder-Landesparteitag mit Neuwahl für November vorzuschlagen. Heute tagen dazu die CDU-Gremien. Hinter den Kulissen wird schon lange über einen drastischen Generationswechsel für den Fall einer Wahlniederlage diskutiert. So scheint so gut wie sicher zu sein, dass die neue Fraktion am Dienstag den bisherigen Generalsekretär Sebastian Lechner aus Neustadt zum neuen Vorsitzenden wählt. Zwar haben langgediente Abgeordnete wie Ulf Thiele, Reinhold Hilbers oder Jens Nacke erkennen lassen, selbst weiter Verantwortung übernehmen zu wollen.
Doch die Riege der Jüngeren in der CDU, zu der auch der 41-jährige Lechner gehört, hat längst einen Pakt für die Erneuerung beschlossen. Spannend wird die Antwort auf die Frage sein, ob Lechner gleichzeitig auch den CDU-Landesvorsitz übernehmen soll und dafür seine Kandidatur erklären will. Das sehen viele in der CDU skeptisch, vor allem in der Landesgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie meinen, für eine Festlegung auf Lechner wäre es zu früh, da er als Generalsekretär neben Althusmann die Fehler in der CDU-Wahlkampagne zu verantworten hat. Der hannoversche CDU-Bezirkschef Hendrik Hoppenstedt, der Bundestagsabgeordneter für die Region Hannover ist, hat intern sein Interesse an einer Kandidatur für den Landesvorsitz bekundet – verknüpft mit der Perspektive auf eine CDU-Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2027.
Aber es gibt auch andere Stimmen. Von Hilbers ist bekannt, dass er Verantwortung übernehmen will. Die Oldenburger CDU-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Silvia Breher ist schon CDU-Bundesvize und könnte auch in Betracht kommen für den Landesvorsitz. Viele halten ihr aber vor, zu sehr in Oldenburg verhaftet zu sein und zu wenig für das ganze Land zu stehen. Der vermutlich künftige CDU-Fraktionschef Lechner ist verheiratet und hat drei Kinder. Er hat Jura und Volkswirtschaft studiert, schloss als Diplom-Volkswirt ab, arbeitete in der N-Bank und als Vorstandsassistent eines Hamburger Bankhauses. Über die Junge Union, deren Landesvorsitzender er zwischen 2008 und 2014 war, kam er in die Landespolitik, seit 2013 sitzt er im Landtag, seit 2021 ist er CDU-Generalsekretär und damit für den Wahlkampf verantwortlich. Lechner gilt als klug, strategisch und guter Redner, er ist in der CDU hervorragend vernetzt. Als künftiger Oppositionsführer fällt ihm die Aufgabe zu, im Parlament die Alternative zum Ministerpräsidenten darzustellen.
Rot-grüne Koalition:
Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen sind kein Selbstläufer – denn bei vielen Grünen herrscht das Gefühl vor, bei der Vereinbarung 2013 von der damals dominanten SPD über den Tisch gezogen worden zu sein. Was die Sachthemen angeht, zeichnen sich viele Verständigungen für einen – sehr allgemeinen – Koalitionsvertrag ab. Was die Personalfragen angeht, hört man aus den Reihen der Grünen schon Schritte, die zunächst die SPD verärgern dürften. So könnte es sein, dass die Grünen Anspruch stellen auf das Innen- und auf das Wirtschaftsministerium. Das ist deshalb schwierig, weil Boris Pistorius sein Innenministerium zunächst behalten wollen dürfte und weil Olaf Lies ein Super-Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz leiten möchte. Die Grünen wollen außerdem das Umweltministerium mit Christian Meyer besetzen, der gleichzeitig – wie Lies – sein Auge auf den Klimaschutz geworfen hat. Hier dürften noch einige Debatten folgen, denkbar erscheint auch ein eigenes Ministerium für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, das an die Grünen geht – denn Verkehrspolitik liegt ihnen sehr am Herzen. Von Weil ist bekannt, dass er das Sozialministerium für die SPD reklamiert, die Grünen haben hier auch keine übergroßen Erwartungen. Wie die Konflikte gelöst werden können, dürfte in einem Spitzengespräch zwischen den Verhandlungsführern von SPD und Grünen austariert werden.
Denkbar wäre folgender Ablauf: Die Grünen pochen mit Julia Hamburg auf das Wirtschaftsministerium – lassen es sich aber abhandeln, damit Olaf Lies wieder Wirtschaftsminister werden kann. Der Klimaschutz wandert dafür aber zu Meyer. Hamburg zielt dann doch auf das Kultusministerium, das die Sozialdemokraten loswerden und die Grünen zunächst nicht haben wollten. Die Grünen können dafür im Gegenzug mit Gerald Heere den neuen Finanzminister stellen. Der in der Finanzpolitik profilierte, aber weit links stehende Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler hätte das Nachsehen. Ministerin in einer Grünen-Ministerriege könnte auch die Osnabrücker Bundestagsabgeordnete Filiz Polat werden, die Themen Integration und Europa könnten Schwerpunkte sein.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Helge Limburg hat eine mögliche Berufung zum Justizminister ausgeschlagen. Für dieses Amt käme im Übrigen auch die Celler OLG-Präsidentin Stefanie Otte in Betracht. Die Fraktionsführung der Grünen könnten als Doppelspitze die Abgeordnete Volker Bajus (Osnabrück) und Miriam Staudte (Lüchow-Dannenberg) übernehmen. Auf SPD-Seite gelten in der Ministerriege Olaf Lies, Boris Pistorius und Daniela Behrens als gesetzt. Auch für den bisherigen Kultusminister Grant Hendrik Tonne und für Generalsekretärin Hanna Naber wird eine hohe Position reserviert sein, ebenso wie für den bisherigen Fraktionsgeschäftsführer Wiard Siebels aus Aurich. Behrens dürfte ein neues Ressort übernehmen. Hanna Naber aus Oldenburg könnte neue Sozialministerin werden. Spannend wird auch die Frage sein, ob Regierungssprecherin Anke Pörksen in ihrem Amt bleibt – oder womöglich an die Spitze des Justizministeriums wechselt. Die Braunschweiger SPD pocht auf einen Platz am Kabinettstisch. Diskutiert wurde über die Präsidentin der Universität in der Löwenstadt, Angela Ittel, im Wissenschaftsressort. Doch Kritiker meinen, sie stehe zu sehr den Grünen nahe und zu wenig der SPD.