Mit jedem Tag, an dem der Abrisskalender für 2023 dünner wird, werden die Sorgenfalten der niedersächsischen Gastwirte etwas tiefer. Zum Jahresende läuft nämlich der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Speisen in der Gastronomie aus, womit sich der nächste Preisschub ankündigt.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine müssen Café- und Restaurantbesucher bereits durchschnittlich zwölf Prozent mehr für die gleiche Leistung bezahlen. Durch die Rückkehr zu dem alten Umsatzsteuersatz von sieben auf 19 Prozent könnte sich die Teuerung noch einmal verdoppeln. So weit will es die Branche aber erst gar nicht kommen lassen. „Ein Auslaufen des reduzierten Mehrwertsteuersatzes würde die finanzielle Situation vieler Hotel- und Gastronomiebetriebe überstrapazieren und die Wettbewerbsfähigkeit – auch im internationalen Vergleich – bedrohen“, warnte der Meppener Hotelier Wolfgang Hackmann jüngst in einer Veranstaltung der IHK Niedersachsen (IHKN) in Verden.
Der Vorsitzende des Fachausschusses Tourismus der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim verdeutlichte, warum der verminderte Steuersatz für seine Branche so wichtig ist. „Die aktuellen Herausforderungen für die Betriebe könnten kaum größer sein: enorme Kostensteigerungen bei Lebensmitteln, Energie und Gehältern. Dazu kommt oft noch die Tilgung pandemiebedingter Kredite. Diese Mehrkosten können nicht vollständig weitergegeben werden, denn auch unsere Gäste sind durch Preissteigerungen und Inflation belastet“, sagte Hackmann.
„Kommt jetzt die nächste Teuerungswelle durch die höhere Mehrwertsteuer, ist das Restaurantsterben vorprogrammiert."
Patrick Junge
„Kommt jetzt die nächste Teuerungswelle durch die höhere Mehrwertsteuer, ist das Restaurantsterben vorprogrammiert“, prophezeit Patrick Junge. Der Chef der Burger-Kette „Peter Pane“ mit Sitz in Lübeck weist den Vorwurf der Angstmacherei zurück. „Das ist keine Panikmache, sondern Mathematik. Die Politik kann und muss meiner Meinung nach eingreifen: Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie muss unten bleiben“, fordert Junge und argumentiert: „Die Inflation und die Energiepreise treffen die Gastronomie härter als andere Branchen. Denn zu Hause essen müssen alle, aber Restaurantbesuche sparen die Menschen sich leicht.“

Für Dehoga-Präsident Guido Zöllick steht die dauerhafte Geltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes ebenfalls ganz oben auf der Agenda. „Nur mit den sieben Prozent ist es gelungen, die explodierenden Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Personal zumindest teilweise aufzufangen. Bei einer Anhebung der Mehrwertsteuer müssten die Betriebe die Kostensteigerungen zwangsläufig 1:1 über höhere Preise an die Gäste weitergeben“, sagt Zöllick und ergänzt: „Das kann nicht gewollt sein.“
„Was wir an Steuereinnahmen verlieren, gewinnen wir durch die Sicherung der zukünftigen Existenz unserer gastronomischen Einrichtungen umso mehr zurück."
Daniel Rinkert
Bundesfinanzminister Christian Lindner will zumindest keinen weiteren Preisanstieg in der Gastro-Branche und steht hinter der Branchenforderung. Der FDP-Politiker hat sich deswegen auch schon einen giftigen Briefwechsel mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geliefert, der andere Ausgabeposten für wichtiger hält. Und auch Teile der SPD bremsen eine Verstetigung der Umsatzsteuersenkung mit Verweis auf die Kassenlage aus.

„Die drittgrößte Subvention, die sich die Bundesrepublik Deutschland leistet, ist die temporäre Mehrwertsteuersenkung auf Speisen in der Gastronomie. 3,3 Milliarden Euro umfasst das“, sagte der SPD-Finanzexperte Tim Klüssendorf jüngst in der Bundestagsdebatte über einen CDU/CSU-Gesetzesentwurf für die Entfristung der Mehrwertsteuersenkung. Innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion ist diese Position allerdings umstritten, die Mitglieder des Tourismus-Ausschusses vertreten eine andere Haltung als ihre Kollegen aus dem Finanzausschuss.
„Was wir an Steuereinnahmen verlieren, gewinnen wir durch die Sicherung der zukünftigen Existenz unserer gastronomischen Einrichtungen umso mehr zurück. Denn eine geschlossene Gaststätte, ein Restaurant oder ein Café bringen keine Steuereinnahmen“, sagte SPD-Bundestags-Newcomer Daniel Rinkert aus NRW. Wo die Sozialdemokraten aus Niedersachsen in dieser Debatte stehen, ist noch unklar. Wirtschaftsstaatssekretär Frank Doods (SPD) machte beim IHKN-Tourismusparlament in Verden deutlich, dass die Landesregierung den Tourismus als „bedeutsamen Wirtschaftsfaktor“ wertschätzt. „Die Ergebnisse des Tourismussatellitenkontos für das Vor-Corona Jahr 2019 belegen, dass in- und ausländische Touristen rund 23,2 Milliarden Euro in Niedersachsen ausgegeben haben“, sagte Doods. Gleichzeitig stehe die Branche vor großen Herausforderungen zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht alle pandemiebedingten Rückschläge überwunden seien. „Diesen Herausforderungen muss sich die Branche stellen, dabei unterstützt die Landesregierung vielfältig. Gemeinsames Ziel ist es, den Tourismus zukunftsfähig aufzustellen“, versprach Doods.