Brauchen Projekte für geschlechtliche Vielfalt mehr Geld vom Land? Beim „Queeren Netzwerk Niedersachsen“ (QNN), das als Erstempfänger die Verteilung der Landesmittel an Projekte für Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie Trans- und Intergeschlechtliche (kurz: LSBTI) koordiniert, wünscht man sich jedenfalls eine Anhebung des Förderetats. Diese Forderung formulierten am vergangenen Freitag die QNN-Vorstandssprecher Frederick Schnittker und Franziska Fahl beim „queeren Neujahrsempfang“.

Die QNN-Vorstandssprecher Frederick Schnittker und Franziska Fahl wünschen sich eine Anhebung des Förderetats. | Foto: Niklas Kleinwächter

Zurzeit liegt die Fördersumme, die aus dem Etat des Sozialministeriums bereitgestellt wird, bei 370.000 Euro im Jahr. Zudem stellt das Kultusministerium jährlich 100.000 Euro für das Aufklärungs- und Antidiskriminierungsprojekt „Schlau“ zur Verfügung. Allerdings sei das Volumen, über das das QNN verfügen kann, bereits Ende Februar so gut wie ausgeschöpft, schilderten die QNN-Vorstandssprecher. Niedersachsen liege im Vergleich mit anderen Bundesländern gemessen an der Bevölkerungszahl noch unterhalb des Durchschnitts.

Mit dem Geld solle beispielsweise eine auskömmliche Finanzierung der lokalen „queeren Zentren“ sichergestellt werden. Solche Einrichtungen, die Anlaufstellen für LSBTI und Träger örtlicher Initiativen sein können, gibt es derzeit in Braunschweig, Gifhorn, Göttingen, Hannover, Lüneburg und Oldenburg. Finanziert werden zudem kleinere Aktivitäten wie Lesungen oder Fachtagungen.

Betroffene erfahren im Gesundheitsbereich häufiger Diskriminierung

Die Notwendigkeit solcher Angebote begründete Schnittker mit einer „Gleichzeitigkeit von rechtlicher Gleichstellung und alltäglicher Diskriminierung“, die es noch immer gebe. Zwar habe sich die Situation für Angehörige sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in den vergangenen 30 Jahren stetig gebessert, doch noch immer gebe es einiges zu tun. Als Beispiel führte Schnittker den Gesundheitsbereich an, der stark an Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität ausgerichtet sei, weshalb es dort häufig noch zu Diskriminierungserfahrungen komme. Aber auch tatsächliche Gewalttaten gegen LSBTI seien ein Problem.

Julia Hamburg möchte verhindern, dass „queerpolitische“ Anliegen erneut aus dem Fokus rücken. | Foto: Niklas Kleinwächter

Adressat dieser Botschaften war neben zahlreichen anwesenden Landtagsabgeordneten, darunter Grünen-Fraktionschef Detlev Schulz-Hendel mit weiteren Fraktionskollegen, Dirk Toepffer und Martina Machulla von der CDU sowie Marten Gäde von der SPD, auch die Vize-Ministerpräsidentin Julia Hamburg (Grüne). In ihrem Grußwort anlässlich des 30-jährigen Bestehens des QNN, das bis 2017 noch unter dem Namen „Schwules Forum Niedersachsen“ firmierte, hat sie das Engagement für die Anerkennung und den Schutz von sexuellen Minderheiten in Niedersachsen gelobt.

Vize-Ministerpräsidentin lobt Arbeit von „Schlau“

Angesichts der parallel stattfindenden Demonstrationen zum Jahrestag der russischen Invasion seien ihr zwei Gedanken gekommen, sagte Hamburg. Zum einen, meint die Grünen-Politikerin, zeige der Blick auf andere Regionen der Welt, dass man sich freuen könne, wie weit Deutschland in dieser Angelegenheit bereits sei. „Es ist ein guter Tag, sich das bewusst zu machen.“ Zum anderen sorgten die Energiepreissteigerungen und andere Herausforderungen in Folge des Kriegs dafür, dass „queerpolitische“ Anliegen erneut aus dem Fokus der öffentlichen Betrachtung gedrängt würden. Auch bei der Corona-Pandemie sei das bereits der Fall gewesen, erinnerte sich Hamburg und beklagte, dass die Situation der Kinder – beispielsweise des ungeouteten Jugendlichen, der im Lockdown zuhause bleiben musste und keinen Austausch mit Altersgenossen suchen konnte – zu wenig Beachtung gefunden hätte.



Politisch möchte die rot-grüne Regierungskoalition an der Kampagne für sexuelle Vielfalt und geschlechtliche Identität anknüpfen, die sie bereits von 2013 bis 2017 aufgelegt hatte. Als besonderen Erfolg der damaligen Kampagne hob Hamburg hervor, dass zahlreiche Angebote in der Fläche des Landes entstanden seien und nicht nur in den großen Zentren. So habe es zeitweise ein „queeres Zentrum“ in Meppen gegeben und noch immer gibt es jährlich eine Demonstration zum „Christopher Street Day“ im ländlichen Aurich oder Cloppenburg.



Hamburg berichtete nun, dass sie das entsprechende Kapitel des Koalitionsvertrags ausgerechnet mit Andreas Philippi (SPD) verhandelt hatte, in dessen Ressortzuständigkeit als Sozialminister die Förderung des QNN nun auch falle. Derzeit würden Nachfolgeprojekte der damaligen Kampagne geplant. Zudem stehe nun an, die dritte Geschlechtsoption in Schule, Polizei, Verwaltung und Gesellschaft umzusetzen, sagte Hamburg.

Bezüglich ihres eigenen Ressorts, der Kultuspolitik, lobte sie zunächst die Arbeit von „Schlau“, bei der geschulte Gleichaltrige in Schulklassen über Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit aufklären. Die Kultusministerin bedauert allerdings, dass es kein vergleichbares Angebot gibt, das sich an Lehrkräfte richtet.