19. Juni 2022 · 
Finanzen

Scharfe Kritik an Beamten-Plan: „Entwurf verstößt gegen die Gleichberechtigung“

Wie der öffentliche Dienst in Niedersachsen zukunftsfest wird, diskutierten die Gewerkschaften mit Vertretern der Landespolitik beim DGB-Beamtenforum in Hannover. | Foto: Wallbaum

Die Landesregierung will noch in dieser Wahlperiode eine grundlegende Reform des Beamtenrechts auf den Weg bringen. Damit soll zum einen die scharfe, auf Verfassungsgerichtsurteilen fußende Kritik von Gewerkschaften und Beamtenbund an der schlechten Bezahlung der Beamten entkräftet werden. Zum anderen ist noch ein „Familienergänzungszuschlag“ vorgesehen. Doch gegen diesen wird jetzt, wie aus einigen dem Politikjournal Rundblick vorliegenden Unterlagen hervorgeht, heftige Kritik geäußert. Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat der Osnabrücker Studienrat Torsten Schwan ein Gutachten erstellt, das zu einem vernichtenden Ergebnis kommt. Der „Familienergänzungszuschlag“ stehe in der Praxis „dem Grundrecht auf Gleichberechtigung deutlich entgegen“. Das Prinzip führe nämlich dazu, so meint Schwan weiter, dass Teilzeittätigkeiten aufgegeben werden – und diese würden in der Praxis sehr oft von Frauen ausgeübt. Damit wende sich der Gesetzentwurf gegen die Berufsausübung von Frauen.

Finanzministerium rückt von traditionellem Rollenbild ab

Die von Finanzminister Hilbers vorgelegte Novelle sieht mehrere Teilschritte vor. So soll zunächst das Weihnachtsgeld für Beamte in niedrigen Lohngruppen angehoben werden, dann noch das Weihnachtsgeld der Beamten mit zwei und mehr Kindern. Der dritte Vorschlag ist der neue „Familienergänzungszuschlag“: Dieser soll gezahlt werden, wenn das gemeinsame Einkommen beider Elternteile (des Beamten und seiner Partnerin) nicht ausreicht, den Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau zu gewährleisten. Dies soll aber nur für Familien von geringbesoldeten Beamten mit zwei und mehr Kindern gelten. Das Finanzministerium in Hannover gibt offen zu, dass es sich hier um eine Abkehr von der bisherigen Annahme handelt, dass nur ein Elternteil – der Beamte als Hauptverdiener – allein für den Unterhalt der Familie aufkommt. „Wir tragen damit dem inzwischen gewandelten Bild der Familie in der Gesellschaft Rechnung“, hatte Hilbers bei der ersten Vorstellung der Konzeption erklärt. Der Gutachter Schwan zieht diese Darstellung nun in Zweifel.

Gender-Gap bei Teilzeitquote ist riesig

Aus einer Statistik von 2019 gehe hervor, dass die Teilzeitquote von Frauen in Familien mit minderjährigen Kindern bei 66,2 Prozent liege, bei Männern nur bei 6,4 Prozent. Nun gibt das Ministerium an, auf die veränderten Lebensbedingungen einzugehen und den Mitverdienst der Lebenspartner anzurechnen, den Beamten also nicht mehr als Alleinverdiener anzusehen. Doch die Folge ist, wie Schwan darlegt, dass viele Mütter nicht mehr ihren Beruf ausüben: „Denn entsprechende Zuschläge fördern familiär die Entscheidung, Teilzeittätigkeiten aufzugeben, da die mit den geplanten Zuschlägen zwangsläufig einhergehenden Bemessungsgrenzen sie deutlich unattraktiver machen als eine Vollzeittätigkeit.“ Schwan sieht die Gefahr, dass hier tradierte Rollenzuweisungen zu Lasten der Frauen durch mittelbare rechtliche Regeln verstärkt werden – und das widerspreche dem Grundgesetz. Da also das Partner-Gehalt angerechnet wird, lohnt sich ein Nicht-Verdienst des Partners für diese Beamtenfamilie mehr.

Der Grund für den von Hilbers angepeilten Vorschlag ist eine Regelung, die auch schon in anderen Ländern versucht wird. Mit dem Sonderzuschlag kann die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Besserstellung von niedrig besoldeten Beamten mit mehr als zwei Kindern erreicht werden, ohne dass eine kostenaufwendige Erhöhung aller Beamtenbezüge erforderlich wäre – zumal eine solche Erhöhung zu massiven Mehrausgaben in dreistelliger Millionenhöhe zwingen würde.

Das Thema der Beamtenbesoldung spielte vor wenigen Tagen auch in einer Veranstaltung des DGB-Landesbezirks eine Rolle. Der DGB-Landesvorsitzende Mehrdad Payandeh nannte den Regierungsentwurf „verfassungswidrig“, ohne das näher auszuführen. Verdi-Landesleiter Detlef Ahting kritisierte die Schlechterstellung innerhalb des Beamtensystems: Mitglieder der (kommunalen) Berufsfeuerwehr Wilhelmshaven würden zur Bundeswehr-Feuerwehr am gleichen Ort wechseln, da sie dort „einige 100 Euro im Monat mehr verdienen“ könnten. Nötig sei auch ein Wahlrecht für Beamte, ob sie – wie bisher – in der privaten oder in der gesetzlichen Krankenversicherung registriert sein wollen.

In einer Diskussionsrunde nahmen Landtagsabgeordnete zu den aktuellen Themen Stellung. André Bock (CDU) und Sebastian Zinke (SPD) warben für konsequente Digitalisierung. Zinke erklärte, die Verwaltung der Zukunft müsse zwangsläufig mit weniger Köpfen auskommen. „Der Heidekreis hat 850 Beschäftigte. Ich sehe nicht, wie diese in einigen Jahren vollständig ersetzt werden können.“ Marco Genthe (FDP) warb für eine Reform des Zulagensystems im Beamtenrecht („Das versteht kein Mensch mehr.“), Christian Meyer (Grüne) betonte, ein „starker Staat“ dürfe keine Konzepte zum Stellenabbau vorlegen – wie es allerdings bei CDU-Chef Bernd Althusmann angeklungen sei.

Dieser Artikel erschien am 20.6.2022 in Ausgabe #115.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail