Die Rundblick-Redaktion hat sich am Wahlabend aufgeteilt und vier verschiedene Wahlpartys in Niedersachsens Landeshauptstadt besucht. Als um 18 Uhr die erste Prognose veröffentlicht wurde, waren die Reaktionen bei den Parteimitgliedern höchst unterschiedlich. Ein Überblick.

Die SPD

…hat am Sonntagabend in Hannover eine Weile gebraucht, bis sie sich auf die richtige Temperatur zum Feiern eingestellt hat. Dabei bot das warme Spätsommerwetter im Garten der „Nordkurve“ nahe des Fußballstadions die passende Atmosphäre, rund 100 Genossen waren gekommen – die meisten davon in bester Laune. Dann aber war die Begrüßungsrede der Bundestagsabgeordneten Yasmin Fahimi so lange ausgefallen, dass die Umschaltung zur ARD-Prognose um Punkt 18 Uhr fast verpasst wurde. Die Technik klappte auch nicht, der Ton war plötzlich weg. So sah man die Balken der Prognose anfangs ohne Kommentare in die Höhe schnellen – auf zunächst je 25 Prozentpunkte für die SPD und für die Union. Ein kurzes Jubeln bei den Werten für die SPD war zu vernehmen – dann ein plötzliches Schweigen, als der erwartete Abstand zur Union sich zunächst nicht einstellen wollte.

Wie bereits vor 14 Tagen hat die SPD auch am 26. September in der Nordkurve gefeiert. / Foto: nkw

Wenig später dann schwenkte die SPD um, als einige Genossen bemerkten, dass das ZDF an diesem Abend SPD-freundlichere Werte liefern würde und die ARD eher eine stärkere CDU/CSU sah. Schnell und von der Masse unbemerkt wurde von ARD auf ZDF umgeschaltet. Und dort sah dann um 18.45 Uhr die erste Hochrechnung doch die SPD zwei Punkte klar vor der Union, und jetzt war der Jubel dann doch deutlicher zu vernehmen als um 18 Uhr. An den Tischen versammelten sich Altvordere wie Alt-Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg, die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Birgit Honé, Sozial-Staatssekretär Heiger Scholz und der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange. An den Tischen wurde gefachsimpelt, was denn das Resultat für die Koalitionsverhandlungen bedeuten würde: Kann die FDP die Preise für eine Ampelkoalition hochtreiben, wenn die von vielen in der SPD gewünschte Alternative, nämlich Rot-Rot-Grün, auf keine ausreichende Mehrheit im Bundestag käme? Würde der von vielen in der SPD erhoffte Selbstzerfleischungsprozess in der Union jetzt vielleicht ausbleiben, da CDU und CSU gegenüber den Umfragen in den vergangenen Wochen im Schlussspurt doch noch erheblich aufholen konnten?

An den Tischen wird auch über die möglichen Niedersachsen in einem von Olaf Scholz geführten Kabinett gesprochen – natürlich den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aus Peine, der auch als einer der ersten führenden Sozialdemokraten um kurz nach 18 Uhr vor die Kameras trat, ebenso den Generalsekretär Lars Klingbeil, der einen erfolgreichen Wahlkampf zu verantworten hat, und womöglich – aber das bleibt im Bereich der Spekulation – den Landes- Innenminister Boris Pistorius aus Osnabrück, der vermutlich gern in die Bundespolitik wechseln möchte.


Bei der CDU

…war die Stimmung nicht so schlecht, wie man es angesichts des historisch schlechten Ergebnisses hätte erwarten können. Dennoch herrschte bei der Wahlparty der hannoverschen Christdemokraten betretenes Schweigen, als um 18 Uhr die erste Prognose des ZDF über die Bildschirme flimmerte. Kurz zuvor standen noch die Direktkandidaten Maximilian Oppelt, Diana Rieck-Vogt und Tilman Kuban sowie Landtagsfraktionschef Dirk Toepffer auf der Bühne (etwas später stieß auch Hendrik Hoppenstedt noch dazu). Doch als der schwarze Balken für die Union nicht allzu hoch schnellte, war die Prominenz zunächst nicht mehr ganz so gut zu sehen. Die Schlauch-artige Form des Lokals, das sich die Christdemokraten diesmal ausgesucht hatten, war geradezu dafür gemacht, nirgends im Mittelpunkt stehen zu müssen.

Als die 18-Uhr-Prognose kam, waren die Kandidaten nicht so recht zu sehen. Doch als Parteichef Laschet sprach, lauschten alle vier gebannt / Foto: Niklas Kleinwächter

Ein paar trübe Gesichte sah man unter den anwesenden Parteimitgliedern, doch dann vertieften sich die meisten von ihnen auch schon wieder in angeregte Gespräche. Das TV-Programm wurde gewechselt hin zur ARD, wo die Zahlen für die Union lange etwas besser aussahen. Die Reaktion fiel vielleicht aber auch deshalb so ruhig aus, weil natürlich die Prognosen schon vorab die Runde gemacht hatten. Kaum jemand im Raum wurde um 18 Uhr also noch wirklich überrascht – manch einer vielleicht sogar nur positiv. Man war aber auch deshalb nicht allzu traurig, weil die Anwesenden zweierlei wussten: Das wird ein langer Abend, denn das Ergebnis wird sehr, sehr knapp. Und: In der Prognose sind die Briefwahlen nicht mit drin. Bei einem Briefwahlanteil von um die 40 Prozent ist da also noch viel Bewegung drin. Diese Mischung sorgte dafür, dass man bei der Union die Prognose um 18 Uhr insgesamt mit Fassung getragen hat. 

Leichter Jubel brandete dann allerdings schon ein paar Minuten nach dem 18-Uhr-Gong doch noch auf. Und zwar als die Fernsehmoderatoren die möglichen Regierungsbündnisse durchdeklinierten und deutlich wurde: Für Rot-Rot-Grün wird es wohl nicht reichen, vielleicht schafft es die Linke sogar nicht einmal ins Parlament. Immerhin das: Das „Schreckgespenst“ Linksbündnis wurde verhindert. Das kann man dann später ja auch als einen Wahlerfolg verkaufen. Am Ende des Wahlkampf schien es ja schon so, als wäre das die einzige Forderung, die Unions-Kanzlerkandidat Laschet noch zur Motivation seiner Anhänger aufwarten konnte.


Bei den Grünen

…löste die erste Prognose des Wahlergebnisse im Star-Event-Center am Alten Flughafen in Hannover zwar zunächst Jubel aus. Die Begeisterung hielt allerdings nicht lange an. Viele Anwesende hatten sich nach dem zwischenzeitlichen Umfragehoch im Mai auf mehr als nur rund 15 Prozent eingestellt. „Ich bin zufrieden. Wir haben das historisch beste Ergebnis erzielt und große Zugewinne verbucht“, kommentierte der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler, fügte jedoch hinzu: „Wir haben uns mehr erhofft. Da muss man nun drüber reden, woran das gelegen hat.“

Ganz in grün erstrahlte das Star Event Center zur Wahlparty der hannoverschen Grünen / Foto: Christian Wilhelm Link

„Ich hätte mir ein noch stärkeres Wahlergebnis gewünscht“, sagte auch Swantje Michaelsen, die auf Platz 11 der niedersächsischen Landesliste ebenfalls mit einem Einzug in den Bundestag rechnen darf. Dass eine Fortsetzung der Großen Koalition rechnerisch möglich ist, tat den Grünen am Wahlabend besonders weh. „In Klimafragen ging da bisher gar nichts. Die Ampel ist jetzt die einzige Variante, um das Thema Klimaschutz voranzubringen“, sagte Michaelsen. Festlegen wollte sie sich auf diese Koalition aber nicht.

Kindler forderte eine „progressive Regierung“ für das Land. Dass SPD und Grüne künftig zusammenarbeiten sollten, steht angesichts der Zugewinne der beiden Parteien auch für ihn außer Frage. Ob die FDP da mitspielt, vermochte der 36-Jährige nicht zu vorhersagen. Für Kindler war nur klar: „Eine weitere Groko wäre eine Katastrophe für das Land.“


Bei der FDP…

…herrschte am Abend gelöste Stimmung – und das bereits vor den ersten Prognosen. Coronabedingt waren die Plätze auf 150 begrenzt und die waren „ratzefatz weg“, erklärte Organisator Sebastian Deitrich. „Wir haben alle die Einladung per Mail bekommen, da hieß es: First come, first serve.“ Er hatte Glück und sicherte sich zusammen mit seinen Parteikollegen Davyn Dreher und Niclas del Rosario vom Stadtverband Barsinghausen Seelze einen Platz. Ihr großer Wunsch für den Abend: Die FDP bleibt bei einem zweistelligen Ergebnis, am besten vor der AfD.

Foto: Audrey-Lynn Struck

Die erste Prognose startete vielversprechend. Besonders die Tatsache, dass es wohl für eine rot-rot-grüne Koalition nicht reicht, wurde mit begeistertem Beifall aufgenommen. „Das bringt uns in die Rolle, in der wir sein wollten: Wir wollen mitgestalten“, betont FDP-Landesvorsitzender Stefan Birkner. Knut Gerschau hatte in vielfacher Hinsicht Grund zur Freude. Der mittelständische Unternehmer darf auf Listenplatz 5 für die FDP in den Bundestag einziehen: „Ich möchte nicht nur Hannover vertreten, sondern die ganze Region.“ Im Bundestag möchte er sich nun vor allem dafür einsetzen die Schulden in den Griff zu bekommen.

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt für den ehemaligen FDP-Generalsekretär Patrick Döring: „Ein rot-grünes Bündnis mit einem Verwaltungschef Steffen Krach in der Region Hannover ist nicht schön. Aber wir werden dann eben putzmuntere Oppositionsarbeit betreiben.“


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