Darum geht es: Die Jugendorganisationen der Grünen, der SPD und der FDP in Niedersachsen planen morgen eine Demonstration gegen das Tanzverbot am Karfreitag. Sind solche Einschränkungen überhaupt sinnvoll? Ein Kommentar von Isabel Christian.

Ein flotter Discofox am Karfreitag? Eher schwierig.  –  Foto: bernhardbodo

Junge Menschen mögen keine Verbote. Schon gar keine, die religiös begründet sind und mit der Lebensrealität eines nicht christlich erzogenen Jugendlichen kollidieren. Wie das Tanzverbot am Karfreitag. „Das mit Jesus und der Kreuzigung war eine schlimme Sache, aber warum geht mich das etwas an?“ werden auch viele junge Niedersachsen denken. So ist es verständlich, dass sich die Jugendorganisationen von SPD, FDP und Grüne dem Thema annehmen und mit einer Party-Demo am Gründonnerstag in Hannover die Abschaffung des Tanzverbots an Karfreitag fordern wollen. Sie werfen dem Staat vor, sich in diesem Punkt von der Kirche gängeln zu lassen, obwohl in Deutschland eigentlich Staat und Kirche getrennt sein sollen. Gleichzeitig geht es ihnen um das Grundrecht auf Selbstbestimmung, nach dem Motto: Ich tanze, wann ich will, klar? Doch ganz so einfach ist es nicht.

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In Niedersachsen gibt es fünf sogenannte „stille Feiertage“, an denen nicht getanzt werden darf. Einer davon wird kaum bemerkt, zwei sind nachvollziehbar und einer ist lästig. Das ist der Karfreitag. Es steht außer Frage, dass wilde Partys unangemessen für den Volkstrauertag und den Totensonntag – beides weltliche Feiertage – sind. Zudem bekommen Partyfans davon kaum etwas mit, denn die Tanzverbote beginnen erst um fünf Uhr früh. Und wer sich in der Nacht zu Sonntag schon verausgabt hat, verspürt in der Regel wenig Lust, am Sonntagabend in den nächsten Arbeitstag zu tanzen. Aber der Karfreitag ist auch ein Trauertag. Für Christen bedeutet er den Tod Jesu und damit das gewaltsame Ende des Mannes, der den Frieden in die Welt bringen sollte. Auch wer nicht an die Geschichten aus der Bibel glaubt, kann daran einen Anlass zum Nachdenken finden. Darüber, was Menschen einander antun. Selbst wenn die Erzählung von Jesus nicht wahr sein sollte, Kreuzigungen hat es gegeben. Und noch heute bringen Menschen einander auf grausame Weise um. In der Debatte um einen neuen Feiertag in Niedersachsen sprechen sich die Grünen für einen Friedenstag aus. Als Friedenstag kann auch der Karfreitag verstanden werden von denen, die die christliche Tradition als nicht mehr zeitgemäß ansehen.

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Wahrscheinlich hätten junge Menschen noch Verständnis, wenn das Tanzverbot nur für den Karfreitag gelten würde. Im niedersächsischen Feiertagsgesetz steht aber, dass das Tanzverbot am Gründonnerstag um 5 Uhr früh beginnt und erst am Karsonnabend um 24 Uhr endet. Der Sonnabend ist damit der kaum bemerkte Tag, hier kann die Party eben etwas später beginnen. Doch sowohl der Gründonnerstag wie auch der Karfreitag sind für Discobesucher und Clubbetreiber „verlorene“ Abende. Die geplante Demo ist deshalb nicht bloß ein Protest, sondern auch eine Provokation. Die jungen Politiker wollen am Abend des Gründonnerstags mit lauter Musik und Tanzeinlagen durch Hannovers Innenstadt ziehen. Kann und wird das Ordnungsamt diese Demo trotz des dann schon geltenden Tanzverbots erlauben?

https://twitter.com/Leo_Kuntscher/status/851713676889518082

Es ist allerdings nicht so, dass gar keine Musik geduldet wird. Livekonzerte außerhalb von Clubs mit Bar oder Restaurants etwa sind erlaubt und sogar das spontane Tanzen – sofern es dem Charakter des Trauertags nicht entgegensteht. Die Punkrockband darf also eher nicht auftreten, über den melancholischen Singer-Songwriter kann man reden. Das sind künstlerische Darbietungen, die von der Kunstfreiheit abgedeckt sind. Hier gibt es eine Grauzone, in der von Fall zu Fall entschieden wird. Musik aus der „Konserve“, wie das Innenministerium es formuliert, zählt allerdings nicht als künstlerische Darbietung, sondern dient hauptsächlich dazu, dass die Gäste tanzen. Das wiederum ist verboten. Auch Bars dürfen öffnen, sofern sie nicht zum Tanz bitten. Man kann also nicht sagen, dass junge Menschen keine Möglichkeit haben, am Gründonnerstag und Karfreitag auszugehen und „das Leben zu genießen“, wie es im Aufruf der Grünen Jugend Niedersachsen für die Demo heißt.

Die jungen Politiker werfen dem Staat vor, sich der Kirche zu beugen und den „Eingriff in die individuelle Freiheit“ mit einer eine antiquierten Tradition zu begründen. Es stimmt, dass das Tanzverbot eine lange Tradition hat. Die hat aber auch der Karfreitag als Feiertag. Dessen Abschaffung hat allerdings noch niemand vehement gefordert. Sollte man also das Tanzverbot aufheben, weil dahinter eine religiöse Begründung steht, so wäre es nur konsequent, wenn man auch den Feiertag selbst aufhebt. Schließlich geht der Karfreitag unzweifelhaft auf den Tod Jesu zurück. Wer also an Karfreitag ausschlafen will, der muss auch mit den Regeln dieses Tages leben. Und wer feiern will, der findet bestimmt an einem anderen Tag Gelegenheit dazu.