Die Spaltung der AfD in Niedersachsen, die im September mit dem Bruch der bisherigen Landtagsfraktion begonnen hat, gewinnt weiter an Dramatik. Während der Landesvorstand am kommenden Wochenende in Braunschweig schon frühzeitig die Landesliste für die Bundestagswahl aufstellen will, zieht sich die Gruppe um die frühere Landesvorsitzende Dana Guth immer stärker zurück: Nach Informationen des Politikjournals Rundblick führt Guth aus Herzberg (Kreis Göttingen) Gespräche mit dem Landesvorstand der „Liberal-konservativen Reformer“ (LKR).

Diese Partei, die einst vom früheren AfD-Bundesvorsitzenden Bernd Lucke gegründet worden war, versteht sich als bürgerliches Gegenstück zur AfD. Einer der Mitstreiter von Guth, der einstige AfD-Landtagsabgeordnete Jens Ahrends aus dem Ammerland, ist bereits zur LKR gewechselt und trommelt jetzt für diese Partei, die er für „eine vernünftige Alternative zur AfD“ hält. Die LKR hatte zuvor den Namen „Alfa“ (Allianz für Fortschritt und Aufbruch) trug, wird oft kurz auch mit dem Begriff „Lucke-Partei“ bezeichnet – obwohl der Parteigründer Lucke der politischen Arbeit fern bleibt und sich auf seine Arbeit als Volkswirtschaft-Professor an der Uni Hamburg widmet.


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Unterdessen setzt sich die AfD Niedersachsen kurz vor Weihnachten einer seltsamen Hektik aus: Der Landesvorstand hat die Mitglieder zu einer Versammlung eingeladen, in der die Landesliste für die Bundestagswahl aufgestellt werden soll – am kommenden Sonnabend und Sonntag im Millennium-Center in Braunschweig. Die Presse ist bisher nicht eingeladen. Es gibt Hinweise, dass der frühere Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel erneut Spitzenkandidat zur Bundestagswahl werden soll. Andere Politiker, die dem neuen Landesvorstand nahestehen, treten ebenfalls für die vorderen Listenplätze an – so der Bundestagsabgeordnete und neue Landesvorsitzende Jens Kestner, sein Bundestagskollege Waldemar Herdt, der Landtagsabgeordnete Christopher Emden und der Vize-Landesvorsitzende Uwe Wappler.

Zu dieser Gruppe, die sich „Team Sturmfest“ nennt, gehört auch ein Mitglied, das wegen fehlender Beitragszahlung die AfD verlassen musste und inzwischen über einen Umweg wieder als Fördermitglied eingegliedert wurde. Dass das Lager um Guth, das noch beim Landesparteitag im September als „etwa gleichstark“ wie die Gruppe um Kestner und Hampel eingeschätzt wurde, gegen diese Kandidaten ein Gegenkonzept präsentieren wird, galt am Mittwoch noch als unsicher. Viele Parteimitglieder bezweifeln auch, dass der Landesvorstand richtig handelt und in einer Zeit der drastischen Drosselung öffentlicher Kontakte auf einer Aufstellungsversammlung besteht. Theoretisch könnten dazu alle rund 2500 Mitglieder der Landespartei erscheinen und mitstimmen.

Es gibt Gespräche mit Frau Guth, aber über Ergebnisse kann ich noch nichts sagen.

Auf einen Machtkampf in der AfD um die Bundestagsliste deutet derzeit nichts hin. Vielmehr verdichten sich Hinweise auf eine Abspaltung. Der LKR-Landesvorsitzende Bernd Vogel aus Loxstedt (Kreis Cuxhaven) erklärte dem Politikjournal Rundblick auf Anfrage: „Es gibt Gespräche mit Frau Guth, aber über Ergebnisse kann ich noch nichts sagen.“ Guth sagte auf Rundblick-Anfrage: „Noch bin ich Mitglied der AfD – und wo die Reise hingehen wird, kann ich noch nicht sagen.“

Der LKR-Generalsekretär und Bundesvize Sascha Flegel meinte, die LKR werde für die Bundestagswahl antreten – und in Niedersachsen auch eine Landesliste aufstellen. Die Vorbereitungen liefen gut, die Partei hat in Niedersachsen bisher jedoch nur rund 100 Mitglieder, allerdings schon mehr als zehn kommunale Mandate. Täglich erlebe man neuen Zulauf „aus der AfD und auch aus der CDU“, erläuterte der Landesvorsitzende Vogel.

Die jüngsten Entwicklungen in Niedersachsen sind auch ein Alarmsignal für den AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen, der beim jüngsten Bundesparteitag in Kalkar ein flammendes Plädoyer gegen rechtsextreme Ausflüchte in der Partei hielt und daraufhin massiv unter Druck geriet. Eine Parteitagsmehrheit von 53 Prozent verhinderte, dass sein Auftritt anschließend missbilligt werden konnte. Wenn sich nun mehrere AfD-Mitglieder in Niedersachsen, die bisher Guth und auch Meuthen nahestanden, nun von der Partei abwenden, schwächt das auch das Meuthen-Lager in der AfD. Es droht dann eine weitere Radikalisierung der AfD.