Im Sozialausschuss haben sowohl Regierungs- als auch Oppositionsfraktionen das Sozialministerium dazu aufgefordert, die Umfrage zur Pflegekammer nicht fortzuführen, sondern komplett neu zu starten. Das Ministerium selbst zögert aber. Abteilungsleiter Hans-Joachim Heuer erklärte am Donnerstag im Ausschuss, die Online-Befragung sei nach Hinweisen auf unerlaubte Zugriffe zunächst einmal bis zu diesem Freitag unterbrochen worden.

Heute am Freitag soll es in diesen Minuten noch einmal eine Telefonkonferenz mit der Firma Kienbaum, die die Evaluation der Kammer durchführt, und dem IT-Dienstleister aus Bonn geben, um darüber zu sprechen, wie es weitergehen kann. „Bis Montag waren 7000 Fragebögen abschließend beantwortet worden. Und an diese Daten kann auch niemand herankommen, sie sind sicher“, erklärte Heuer, der bei diesen Fragebögen nach den aktuellen Erkenntnissen mögliche Manipulationen ausschließt. Er stellte aber auch klar, dass die Befragung neu gestartet werde, wenn sich der Verdacht der Manipulation nicht sicher ausräumen lasse.

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Heuer sprach im Ausschuss von rund 100 Fällen, in denen Fragebögen manipuliert worden sein könnten. Den IT-Experten des Bonner Anbieters zufolge wurde ein Zugangscode für die Umfrage im sozialen Netzwerk Twitter veröffentlicht. Alle Mitglieder, die für die Umfrage angeschrieben worden waren, hatten einen individuellen Zugangscode erhalten.

Laut Heuer waren die Experten des Dienstleisters überrascht, dass jemand einen solchen Code veröffentlicht, so etwas sei bei ihnen noch nie vorgekommen. Durch den Code konnten Nutzer demnach auf einen Fragebogen zugreifen und diesen immer wieder verändern. Auffällig sei diesmal zum Beispiel ein Fall gewesen, bei dem ein Fragebogen mit einem Code 23 mal aufgerufen wurde. Es habe aber in diesem Sinne kein „Datenleck“ gegeben, wie es Kammergegner am Dienstag mit Verweis auf IT-Experten formuliert hatten – das Politikjournal Rundblick hatte darüber berichtet.

Regierungs- und Oppositionsfraktionen für Umfrage-Neustart

Nicht nur die Opposition, auch die Regierungsfraktionen halten es nicht für sinnvoll, die Umfrage unter diesen Umständen nach einer Fehlerbehebung einfach fortzusetzen. „Man wird es nicht hinbekommen, den Manipulationsverdacht zu 100 Prozent zu entkräften. Um das Vertrauen nicht weiter zu zerstören, muss man nicht unterbrechen, sondern abbrechen und komplett neu starten“, forderte Volker Meyer von der CDU.

Das meint auch der SPD-Sozialpolitiker Uwe Schwarz. „Man kriegt den Deckel nicht mehr zu, auch wenn man sagt, dass die ersten 7000 abgeschlossenen Umfragen sicher sind. Das mag so sein, es wird aber immer den latenten Vorwurf der Manipulation geben.“ Schwarz kritisierte das Ausmaß, das der Kampf zwischen Befürwortern und Gegnern der Kammer inzwischen angenommen habe. „Wir kommen nicht weiter, weil es militante Kräfte gibt, die mit krimineller Energie versuchen, eine Entscheidung zu verhindern“, sagte Schwarz. Das sei hochgradig demokratiefeindlich und man tue der Pflege auch keinen Gefallen, wenn man das Verfahren weiter hinauszögere.

Stephan Bothe von der AfD wies Schwarz‘ Aussagen empört zurück. Die Umfrage sei auch nicht demokratisch, sondern eine Farce. „Demokratie wäre, wenn die Pflegekräfte eine eindeutige Frage ebenso eindeutig beantworten könnten: Wollen Sie eine Pflegekammer – ja oder nein?“, erklärte Bothe. In der umstrittenen Frage 11, fast am Ende des Fragebogens, wird lediglich gefragt, ob es eine „beitragsfreie Pflegekammer“ geben soll. Aber auch hier wird der Druck auf das SPD-geführte Sozialministerium inzwischen größer. Uwe Schwarz meinte, es gebe jetzt die Möglichkeit, diese Frage zu präzisieren. Schließlich hielten auch Kammerbefürworter, die sich eine durch Beiträge unabhängige Kammer wünschten, die Frage für unglücklich. Auch Volker Meyer wünscht sich eine Konkretisierung der Frage, die FDP hatte bereits zuvor „zweideutige Formulierungen“ in der Umfrage kritisiert.

Wir kommen nicht weiter, weil es militante Kräfte gibt, die mit krimineller Energie versuchen, eine Entscheidung zu verhindern.

Abseits der technischen Panne bei der Umfrage gibt es von mehreren Pflegekräften immer wieder Kritik, dass Mitglieder nicht angeschrieben worden seien, um an der Umfrage teilzunehmen. So passierte es auch dem AfD-Abgeordneten Stephan Bothe, der vor seiner Zeit im Landtag als Pflegefachkraft im Maßregelvollzug gearbeitet hat und Mitglied der Pflegekammer ist. Er selbst habe keinen Brief bekommen, erklärte Bothe am Donnerstag im Sozialausschuss.

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So ging es auch Stefan Cornelius, Kammerkritiker und Pflegekraft aus Berge (Kreis Osnabrück). Er hatte der Kammer zwar aus Protest keine Berufsurkunde zugeschickt, aber mehrmals Kontakt mit der Geschäftsstelle und verfügt auch über eine Mitgliedsnummer. „Ich will nicht gleich eine böse Absicht unterstellen, dass ich keinen Zugangscode für die Umfrage erhalten habe, es zeigt aber die Organisationsmängel des ganzen Verfahrens“, sagte Cornelius dem Politikjournal Rundblick. (MB.)