
Die neue rot-grüne Landesregierung ist zwar erst knapp drei Wochen im Amt, aber in einer wichtigen Frage knirscht es bereits zwischen Sozialdemokraten und Grünen: Ein umfangreicher Plan für den Personaltausch zwischen verschiedenen Ministerien wird nicht so schnell verwirklicht, wie viele Beteiligte anfangs gedacht hatten. Angeblich soll der Grund dafür in Unstimmigkeiten über die Frage bestehen, wie viele zusätzliche Stellen künftig im Kultusministerium angesiedelt werden sollen. Für ihren Stab als Vize-Ministerpräsidentin soll Ministerin Julia Hamburg (Grüne) 15 neue Stellen angefordert haben. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick stößt die Verwirklichung dieser Absicht jedoch auf Hindernisse. Dabei spielen auch unterschiedliche Interpretationen über die Frage eine Rolle, wie viele Stellen 2017 der damals neue Vize-Ministerpräsident Bernd Althusmann (CDU) für seine „politische Koordinierung“ bekommen hat.
Als SPD und CDU vor fünf Jahren ihre neue Regierung bildeten, genehmigten sich beide über ihren Nachtragshaushaltsplan 99 neue Stellen – verteilt über mehrere Ministerien. Das Wirtschaftsministerium hatte damals mit 26 Stellen profitiert, darunter je neun für die Digitalisierung und die „Ressortkoordinierung“, je drei für den Bürokratieabbau und die Beratung zum VW-Aufsichtsratsmandat, zusätzlich zwei für die Planungsbeschleunigung. Wie es heißt, sind für die engere Tätigkeit des Vize-Ministerpräsidenten derzeit fünf Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium aktiv, die anderen 2017 geschaffenen Stellen konzentrieren sich angeblich auf die Digitalisierung und weitere Aufgaben, die spezifisch zum Wirtschaftsministerium gehören. Das ist die Lesart des Wirtschaftsministeriums. Im Kultusministerium wird offenbar anders gerechnet, dort heißt es, die für Digitalisierung bestimmten Stellen hätten bisher der Unterfütterung des Sonder-Staatssekretärs bei Althusmann für diesen Bereich gedient. Da nun nicht mehr das Wirtschafts-, sondern das Kultusministerium zwei Staatssekretäre hat, sei jetzt auch der Bedarf an Zuarbeitern im Kultusministerium größer. Ein anderes Problem ist, dass auf all diesen bisher im Wirtschaftsministerium verankerten Stellen CDU-nahe Leute sitzen. Würden sie ins Kultusministerium wandern, läge die Vermutung nahe, dass Hamburg sie in nachrangige Bereiche versetzen wollte. Doch freie Stellen gibt es angeblich im Kultusressort nicht, sondern – wie es heißt – lediglich im Sozialministerium. Im Nachtragshaushaltsplan, der Mittwoch den Landtag passieren soll, hat die Landesregierung keine zusätzlichen neuen Stellen vorgesehen. Das erschwert jetzt die Personalrochade zusätzlich.
Wie es heißt, soll womöglich kurzfristig der Konflikt gelöst werden, sodass Abteilungsleiter Björn Ungruhe, ein Lies-Vertrauter, aus dem Umwelt- ins Wirtschaftsministerium wechseln soll, die Abteilung „Zentrale Aufgaben“ übernimmt und die zügige Verlagerung von Stellen ins Kultusministerium organisieren soll. Dann könnten weitere ungeklärte Personalfragen, etwa die des Wechsels von Staatssekretär a.D. Berend Lindner in den Rechnungshof, entschieden werden.
Unterdessen verkündet heute die neue Ministerin für Regionalentwicklung, Wiebke Osigus, zwei wichtige Personalien. Von den vier Landesbeauftragten für regionale Entwicklung, die politische Beamte sind und nach B6 besoldet werden, sollen zwei in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden: Dinah Stollwerck-Bauer (CDU) für den Bereich Leine-Weser mit Sitz in Hildesheim und Monika Scherf (CDU) für den alten Regierungsbezirk Lüneburg. Osigus will heute die beiden Nachfolgerinnen vorstellen: Karin Beckmann (SPD) für Lüneburg und Frauke Patzke (Grüne) für Leine-Weser. Beide sind offenbar nach B3 eingestuft. Beckmann ist derzeit Referatsleiterin im Regionalministerium, sie war bis 2017 Landesbeauftragte für den Bereich Leine-Weser, ist in der SPD Burgwedel verwurzelt und hatte 2011 für das Amt des Bürgermeisters dort kandidiert. Die Volkswirtin hat lange als Bereichs- und Abteilungsleiterin in der N-Bank gearbeitet. Patzke ist Juristin und leitet bisher das Referat für Justiziariat und Innerer Dienst im Wissenschaftsministerium. Sie hatte 2021 für die Grünen für das Amt der Regionspräsidentin kandidiert. Vor ihrer Mitarbeit im Ministerium war sie als Rechtsanwältin und im Stab der Leibniz-Uni in Hannover aktiv. Gestartet hatte Patzke ihre politische Arbeit bei der SPD, später wechselte sie zu den Grünen.
Frauke Patzke | Foto: Regine Rabanus Karin Beckmann | Foto: Landeshauptstadt Hannover
Auch ein weiterer Landesbeauftragter wird demnächst einen Nachfolger bekommen, nämlich der parteilose Franz-Josef Sickelmann in Oldenburg für den Bereich Weser-Ems. Er vollendet im Mai 2023 sein 66. Lebensjahr – und seine Nachfolge dürfte erst dann geklärt und bekanntgegeben werden.
In unserer Ausgabe am 29. November („Stellenwechsel blockiert: Rot-Grün steht vor dem ersten personalpolitischen Konflikt“) hatten wir berichtet, dass auf vielen Stabsstellen im Wirtschaftsministerium „CDU-nahe Leute“ säßen, die bei einem Wechsel im Kultusministerium nicht willkommen wären. So konnte der Eindruck entstehen, sämtliche Mitarbeiter der Stabsstelle und der koordinierenden Abteilung im Wirtschaftsministerium, die 2017 mit dem neuen Minister Bernd Althusmann gekommen waren, seien „CDU-nah“. Das trifft allerdings so nicht zu. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.