29. Jan. 2023 · 
Inneres

Strack-Zimmermann: Die deutsche Wirtschaft droht zu abhängig von China zu werden

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist in Hannover nicht nur als Rednerin gefragt. Viele Besucher des FDP-Neujahrsempfangs wollen auch ein Foto mit der Bundesabgeordneten. | Foto: Wallbaum

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat die deutsche Wirtschaft vor einer zu starken Ausrichtung auf den Handel mit China gewarnt. Sie sei gerade von einer Reise nach Taiwan zurückgekehrt, und die Taiwanesen erwarteten nicht, dass Deutschland ihnen bei einer möglichen Besetzung durch China militärisch zur Seite stehe. „Was sie aber erwarten, ist, dass wir keine Milliardensummen mehr nach China schleppen“, sagte Strack-Zimmermann am Sonntag beim Neujahrsempfang der hannoverschen FDP. Als Lehre aus der russischen Aggression gegen die Ukraine sollten die Staaten der freien Welt ihren Handel untereinander verstärken, also Europa mit Amerika und Kanada, den Asean-Staaten und auch mit Taiwan.

Strack-Zimmermann ergänzte mit der Anspielung auf Volkswagen, dass diese Aussage schwierig sei angesichts „eines Konzerns in der Nachbarschaft, der 40 Prozent seines Umsatzes auf dem chinesischen Markt erwirtschaftet“. Dies finde sie „zutiefst beunruhigend“, und sie wage die Prognose, dass als Konsequenz von deutschen Investitionen in Fernost „uns irgendwann der chinesische Markt mit günstigen E-Autos überschwemmt, die mit unserem Know-how angefertigt werden“. Die FDP-Politikerin sagte, sie fordere „Schluss mit der unendlichen Naivität“, die vielerorts in Deutschland erkennbar sei. Die Minderheit derer, die sich gegen Militärhilfe für die Ukraine wenden, sei hierzulande „sehr laut“. „Ich wünsche mir, dass auch die Mehrheit richtig laut wird“, fügte sie hinzu. Die von Kanzler Olaf Scholz als „Zeitenwende“ bezeichnete neue globale Lage sei in Wahrheit eine „Epochenwende“. Nach der Regierungserklärung von Scholz Ende Februar 2022 sei eine lange „Zeit der Erschöpfung“ in der Politik erkennbar geworden.

„Mit Kampfflugzeugen müsste man russische Stellungen auf russischem Staatsgebiet beschießen, weil man nur so verhindern könnte, dass die Flugzeuge abgeschossen werden.“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Bundestagsabgeordnete

Strack-Zimmermann kritisierte, die parteiübergreifende Zurückhaltung in Deutschland nach Russlands Besetzung der Krim 2014 „fliegt uns jetzt um die Ohren“. Zwischen 2014 und 2022 seien 15.000 Menschen in der Ukraine gestorben, doch das sei kein großes Thema in Deutschland gewesen. Man habe sogar Verständnis für die Annexion fremder Gebiete durch die Russen gezeigt. Heute könne sie „es nicht mehr ertragen, wenn Putins Angriff vom 24. Februar 2022 relativiert wird“, und es sei ihr „schleierhaft“, warum die kürzlich zurückgetretene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht elf Monate lang nötige Bestellungen von Rüstungsgütern versäumt habe. Völlig richtig sei, dass Deutschland Kampfpanzer liefere, denn Schützen- und Kampfpanzer seien nötig, wenn die Ukrainer die Russen aus ihren Stellungen in der Ukraine zurückdrängen sollen. Genauso richtig sei es auch, keine Kampfflugzeuge zu liefern.

„Mit Kampfflugzeugen müsste man russische Stellungen auf russischem Staatsgebiet beschießen, weil man nur so verhindern könnte, dass die Flugzeuge abgeschossen werden.“ Nachdrücklich sprach sich Strack-Zimmermann dafür aus, die deutsche Informationspolitik rund um die Waffenlieferungen zu überdenken. „Jeden Donnerstag um 9 Uhr kann man im Netz nachlesen, welches Material die Deutschen für die Ukraine bereitgestellt haben. Das sind bisher schon drei Milliarden Euro. Es ist nervend: Wir geben Listen raus, damit der letzte Dösel östlich von Moskau weiß, wie wir gerade die Ukraine unterstützen.“

Die hannoversche FDP hatte Strack-Zimmermann zu ihrem diesjährigen Neujahrsempfang geladen, weil sie laut FDP-Stadtchef Patrick Döring derzeit eine der prominentesten Bundespolitikerinnen ist und für eine klare Haltung stehe. Döring warb für ein neues Image der Landeshauptstadt, denn als „Messe- und Expo-Stadt“ wirke Hannover nicht mehr anziehend. In der Frage der Verkehrspolitik hänge alles von einer Beschleunigung von Planung, Genehmigung und Bau ab. „Vor dem Neubau des Südschnellweges sind natürlich Bürger beteiligt worden – allerdings schon vor zehn Jahren. Damals waren heute 18-Jährige aber erst acht Jahre alt. Das zeigt das ganze Dilemma der Bürgerbeteiligung.“ Der niedersächsische FDP-Generalsekretär Konstantin Kuhle kritisierte den Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung. Dort seien die Gründung „einer Landeswohnungs-, einer Landesliegenschafts-, einer Landesmoor- und mehrerer Landesinvestitionsgesellschaften“ angekündigt worden. „Ich habe den Ruf nach Gründungen aber eher so verstanden, dass nicht der Staat Gesellschaften gründen soll, sondern neue Unternehmen gegründet werden.“ Kuhle bewirbt sich am 11. März als neuer Landesvorsitzender der FDP. Insgesamt sechs Bewerber gibt es bisher, aussichtsreicher Gegenkandidat von Kuhle ist der FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker aus Verden.

CDU zitiert Anton Hofreiter

Die deutsche Ukraine-Politik war am vergangenen Freitag auch Thema im Landtag. Die CDU beantragt, die Landesregierung solle die Partnerschaften mit den russischen Regionen Perm und Tjumen umgehend offiziell beenden – und neue Partnerschaften mit ukrainischen Regionen begründen. Außerdem solle die niedersächsische Landesregierung sich klar zu Waffenlieferungen an die Ukraine bekennen. In einer Plenardebatte sagte Uwe Schünemann (CDU), „das Schweigen und Zögern von Kanzler Olaf Scholz“ sei absolut unverständlich. So komme das Ja der Bundesregierung zu Leopard-Lieferungen viel zu spät, was auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter deutlich beschrieben habe.

Uwe Schünemann fordert die Landesregierung auf, die Partnerschaft mit den russischen Regionen Perm und Tjumen offiziell aufzukündigen. Derzeit ruhen sie nur. | Foto: Kleinwächter

Schünemann hegte den Verdacht, die Zurückhaltung auch der niedersächsischen SPD in dieser Frage könne mit der in Hannover gepflegten „Moskau-Connection“ zu tun haben. Immacolata Glosemeyer (SPD) und Anne Kura (Grüne) widersprachen. Glosemeyer sagte, die Partnerschaften mit Perm und Tjumen würden „ruhen“, das reiche auch. Klaus Wichmann (AfD) nannte die Kündigung dieser Partnerschaften einen „Fehler“: „Das wäre Symbolpolitik, die nicht im Interesse Deutschlands ist.“ Irgendwann müsse auch Deutschland wieder mit Russland reden, bis dahin sollten Gesprächskanäle nicht verschüttet werden.

Dieser Artikel erschien am 30.1.2023 in Ausgabe #016.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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