Beim „kleinen Triell“ im NDR kamen am frühen Dienstagabend die Spitzenkandidaten der drei Parteien zu Wort, die nach den aktuellen Umfragen neben SPD und CDU gute Chancen auf einen Einzug in den nächsten Landtag haben – Julia Hamburg von den Grünen, Stefan Birkner von der FDP und Stefan Marzischewski-Drewes von der AfD. Stephan Weil und Bernd Althusmann waren nicht dabei, da sie sich drei Stunden später direkt beim Fernsehduell allein gegenüberstehen.

Eine Stunde lang wurden die drei „Kleinen“ von den Moderatoren Susanne Stichler und Jan Starkebaum befragt – und den breitesten Raum nahm dabei die Energie- und Klimapolitik ein. Etwa zur Halbzeit gerieten die Diskutanten so sehr aneinander, dass fast eine halbe Minute lang alle gleichzeitig sprachen und niemand mehr zu verstehen war. Der AfD-Politiker hatte zuvor den Begriff „Klima-Religion“ verwendet, sehr zum Unmut der anderen.

Die Spitzenkandidaten von Grüne, FDP und AfD im Triell (von links): Julia Hamburg, Stefan Birkner und Stefan Marzischewski-Drewes. | Quelle: Screenshot NDR

Marzischewski-Drewes nutzte die Chance, gleich mehrfach provokant aufzutreten, seine AfD als „marktwirtschaftlich“ zu bezeichnen und auf eine „grün-sozialistische Umverteilungspolitik“ zu schimpfen. Hamburg blieb zurückhaltend, wirkte fast staatsmännisch. Birkner war die ganze Zeit über ernst, schien aber über weite Strecken defensiv zu bleiben. Er war über den AfD-Vertreter neben ihm sichtlich verstimmt. Als das Thema Kindergärten aufgerufen worden war, konnten die Vertreter von Grünen und AfD ausführlich ihre Position darlegen, Birkner aber nicht. Die Begründung lautete, er sei vorher schon mit den längsten Wortbeiträgen dabei gewesen und müsse jetzt mal aussetzen.

Vor allem in der Energiepolitik wurden die Unterschiede der kleinen Parteien herausgearbeitet. Birkner und Marzischewski-Drewes plädierten für den weiteren Betrieb von Kernkraftwerken, damit die Grundlast für den erhöhten Strombedarf gewährleistet bleiben kann – und eine Basis für die Strompreisdeckelung geschaffen wird. Hamburg widersprach und meinte, der Stresstest habe gezeigt, dass die Rolle der Kernkraft in der gegenwärtigen Debatte nur sehr klein und damit zu vernachlässigen sei. Daher sollten sie wie geplant abgeschaltet werden.



Als Hamburg sagte, das AKW in Lingen blockiere sogar den Windstrom, rief Birkner „Unsinn“ dazwischen, Marzischewski-Drewes sagte „kompletter Blödsinn“. Der AfD-Spitzenkandidat meinte, seine Partei stehe „für den freien Markt“. Anders als von der Bundesregierung entschieden, hätte er den Konzern Uniper „pleite gehen lassen“ – „dann wäre die Insolvenz gekommen und wir hätten neu damit anfangen können“. Hamburg und Birkner protestierten, Birkner nannte diese Haltung „verantwortungslos“, da die Energieversorgung dann zusammengebrochen wäre.

Hamburg: Weniger Klagerechte bei Windkraft-Projekten

Hamburg räumte ein, dass bei der nötigen Planungsbeschleunigung für Windkraftanlagen auch die Bürgerbeteiligung eingeschränkt werden müsse. Birkner plädierte dafür, das Thema Fracking ernsthaft zu prüfen. Marzischewski-Drewes gab zu, dass seine Partei vor Ort diejenigen unterstützt, die sich gegen neue Windräder wenden. „Wenn neben Ihrem Haus eine solche Anlage gebaut wird, erleidet das Haus einen Wertverlust.“


Das könnte Sie auch interessieren:

#LTW22: Rundblick-Bingo zur Landtagswahl


Als der AfD-Politiker sich über den Begriff „grüner Wasserstoff“ lustig machte („Wasserstoff ist doch farblos“), wurde die Stimmung gereizter. In der Schulpolitik rügte Birkner die Mängel der Großen Koalition, da diese nicht pragmatisch genug vorgehe – Lehrer, die nur ein Fach unterrichten könnten, würden ebenso abgewiesen wie Pensionäre, die sich für die Schulleitung bereitfänden. Hamburg erläuterte ihr Modell, junge Kräfte in Kindergärten einzustellen und ihnen ein sechsjähriges berufsbegleitendes Studium anzubieten. Der NDR-Moderatorin Stichler passierte es zwei Mal, dass sie FDP-Landeschef Birkner als „Herr Lindner“ ansprach, also mit dem Namen des FDP-Bundesvorsitzenden. Birkner konnte darauf nur mit einem gequälten Lächeln reagieren, versinnbildlichte das doch sein Dilemma, gegenwärtig unter dem Bundestrend seiner Partei zu leiden.

Marzischewski will erneutes Zerbrechen der AfD-Fraktion verhindern

Nach einer kurzen agrarpolitischen Debatte sollten die Spitzenkandidaten erläutern, wie sie sich die Arbeit in der nächsten Wahlperiode vorstellen. Marzischewski-Drewes versprach, dass er die nächste AfD-Landtagsfraktion fünf Jahre lang zusammenhalten und ein erneutes Zerbrechen verhindern werde. Birkner erklärte, er wolle mit der Partei koalieren, mit der die FDP ihre Ziele am besten durchsetzen könne. Dies würden die Verhandlungen zeigen. Hamburg meinte, mit der SPD gebe es die meisten Überschneidungen im Programm – und Althusmann habe einige Positionen vertreten, die „nicht gerade eine Einladung an die Grünen“ darstellten.



Als Wahlziel nannte Marzischewski-Drewes „12 Prozent plus X“, Hamburg nannte „unser Bundestagswahlergebnis“ (14,8 Prozent), aber „über 20 Prozent würde ich mich auch unfassbar freuen“. Birkner betonte, die FDP müsse „nicht zittern“, ein zweistelliges Ergebnis habe er „als Ziel auch nicht aufgegeben“.