14. Okt. 2021 · 
Inneres

Viele Rechnungen: Koalition ringt um die Reform der Wahlkreisgrenzen

Der Landtagswahltermin steht fest, und nun herrscht bei SPD und CDU höchste Eisenbahn. Ein Konzept muss her, mit dem die 87 Wahlkreise neu zugeschnitten werden. Der Zwang folgt aus der jüngsten Bevölkerungsentwicklung – zwei Wahlkreise im Norden, Lüneburg und Osterholz, überschreiten die oberste Toleranzschwelle, sie liegen mehr als 25 Prozent über dem Landesdurchschnitt. Das ist nicht zulässig.

Allen Widerständen von Uwe Schwarz zum Trotz könnten Einbeck (Foto) und Northeim zu einem Wahlkreis werden. | Foto: Klaus Wallbaum

Belässt man es dabei, so könnte das Ergebnis der Landtagswahl vom 9. Oktober 2022 juristisch erfolgversprechend angefochten werden. Da auch im Süden ein Wahlkreis vom Durchschnitt um 25 Prozent abweicht, nämlich Einbeck, liegt die Lösung eigentlich recht nah: Man würde im Norden einen zusätzlichen Wahlkreis schaffen und dafür im Gegenzug im Süden einen streichen – denn was im Norden zu viel ist, ist in Einbeck zu wenig. Die CDU strebt diesen Weg schon seit Wochen an, die SPD indes zeigte sich zurückhaltend: Der SPD-Sozialexperte Uwe Schwarz, der selbst in Bad Gandersheim wohnt und den Wahlkreis Einbeck im Landtag vertritt, kündigte seinen entschiedenen Widerstand gegen einen Zusammenschluss von Einbeck und Northeim zu einem Wahlkreis an. Dabei spielt offenbar auch eine Rolle, dass schon bei der Gebietsreform die Zusammenführung von Einbeck und Northeim bei den Einbeckern einigen Widerstand verursachte.

Entscheidung über die Wahlkreiszuschnitte
soll im November-Plenum fallen

Intern gilt in der Koalition die Ansage, dass im November-Plenum (9. bis 11. November) unbedingt eine Entscheidung über die neuen Wahlkreiszuschnitte fallen muss. Das wird auch Zeit, weil die Parteien allmählich beginnen wollen, die Kandidaten in den Wahlkreisen aufzustellen. Sollte man auf den Nord-Süd-Tausch verzichten, würde alles viel komplizierter, dann müsste man nämlich fast jeden der 87 Wahlkreise neu vermessen und zuordnen, es müssten dann Hunderte Wahlkreisgrenzen verschoben werden. Dafür, heißt es intern, ist es jetzt fast schon zu spät. Also wird mit zunehmendem Zeitverlauf der Nord-Süd-Tausch immer wahrscheinlicher. Aber wie soll das geschehen? Was den Norden angeht, liegt der Plan schon vor: Mindestens fünf Gemeinden und Samtgemeinden aus den Kreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg würden von ihren bisherigen Wahlkreisen 49 (Lüneburg) und 48 (Lüchow-Dannenberg-Elbe) abgezogen, außerdem noch die Gemeinde Ilmenau aus 47 (Uelzen). Sie würden einen neuen Wahlkreis Lüneburg II bilden. Aber was würde dann im Gegenzug im Süden Niedersachsens geschehen? Diskutiert werden aktuell einige Varianten:

Einbeck und Northeim: Allen Widerständen von Uwe Schwarz zum Trotz könnten 19 (Einbeck) und 18 (Northeim) zu einem Wahlkreis werden. Das wäre deshalb gut möglich, weil die Abgeordnete Frauke Heiligenstadt (Northeim) in den Bundestag gewählt wurde und nicht erneut zur Landtagswahl antritt. Dagegen spricht, dass dann Dassel und Uslar zum Wahlkreis 20 (Holzminden) gehen müssten, Kalefeld müssten zum Wahlkreis 13 (Seesen). Diese Aufteilung von Einbeck stößt vor Ort auf Widerstand.

Goslar und Seesen: Wenn Northeim und Einbeck ein Tabu bleiben, könnten auch die Wahlkreise 13 (Seesen) und 14 (Goslar) verschmelzen – die bisherigen Abgeordneten Alexander Saipa und Petra Emmerich-Kopatsch (beide SPD) scheiden aus dem Landtag aus und werden am 1. November Landrat und Bürgermeisterin. Aber in der örtlichen SPD gibt es gegen diesen Plan heftigen Widerspruch – es müssten dann einige Gemeinden in einen Nachbarwahlkreis wandern. So würden Grenzen zwischen Kommunen entstehen, von denen man demnächst eine Fusion miteinander erwartet.

Duderstadt auflösen: Ein anderer Vorschlag, der in der SPD große Sympathien genießt, wäre die Auflösung des Wahlkreises 15 (Duderstadt). Dessen Gebiet könnte auf die umliegenden Wahlkreise verteilt werden. Da Duderstadt der einzige „schwarze Fleck“ in einer an sich SPD-geprägten Gegend ist, stößt diese Idee in der CDU auf Gegenwind – allerdings nur eingeschränkt. Denn der bisherige Duderstädter Abgeordnete Thomas Ehbrecht ist nicht unumstritten, auch in den eigenen Reihen nicht. Nur: Wenn die CDU-Hochburgen Duderstadt und Gieboldehausen den Wahlkreisen 12 (Göttingen-Harz), 17 (Göttingen-Stadt) oder 16 (Hannoversch Münden) zugeschlagen werden sollten, würde das die Wiederwahl-Erfolgschancen der dortigen SPD-Direktkandidaten Karl-Heinz Hausmann, Gerd Hujahn und Gabriele Andretta, der Landtagspräsidentin, schmälern.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #183.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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