Im Zusammenhang mit dem VW-Diesel-Skandal ist der Staatsanwaltschaft Hannover offenbar eine schwere Panne unterlaufen. Das hat nun zur Folge, dass ein Bußgeld von 4,3 Millionen Euro, das der Autokonzern auf Veranlassung des Landesdatenschutzbeauftragten (LfD) an das Land Niedersachsen zahlen sollte, nicht vollstreckt werden kann. Der Grund liegt nach Informationen des Politikjournals Rundblick an einer fehlenden Unterschrift: Der zuständige, vom LfD eingeschaltete Staatsanwalt hat Anfang April einen Beschwerdeschriftsatz, der an das OLG Celle gerichtet war, nicht selbst unterzeichnet. Generalstaatsanwältin Katrin Ballnus soll das bei einer internen Kontrolle festgestellt und daraufhin gebeten haben, die Beschwerde zurückzunehmen - was auch am 10. Juni geschah. Damit blieb eine erste Gerichtsentscheidung gegen das Bußgeld von Februar rechtskräftig. Am 5. Juni entschied nun aber das Verwaltungsgericht Hannover in einem parallelen Verfahren über eine Verwarnung des Datenschutzbeauftragten an VW. Dabei kam heraus, dass die ursprüngliche Bußgeld-Forderung berechtigt gewesen wäre.
Der Vorfall führt nun zu einer kuriosen Situation: Laut Verwaltungsgericht hat VW teilweise gegen Datenschutzvorgaben verstoßen, das vom Landesdatenschutzbeauftragten Denis Lehmkemper verhängte Bußgeld war also gerechtfertigt. Wegen des Formfehlers der Staatsanwaltschaft Hannover aber, die im Auftrag des Datenschutzbeauftragten tätig geworden war, kann das Bußgeld nicht mehr gerichtsfest bestätigt und eingetrieben werden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärt dazu auf Anfrage des Politikjournals Rundblick: "Eine Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist unzulässig, wenn sie nicht formwirksam begründet worden ist. Die Unterschrift ist unverzichtbare Voraussetzung der Wirksamkeit." Mit anderen Worten: Die Panne lässt sich nicht heilen, damit fällt eine Befassung der nächsten Instanz mit dem Fall aus, VW bleibt also von dem Bußgeld verschont.
Das Bußgeldverfahren war zunächst von Lehmkempers Vorgängerin Barbara Thiel ausgelöst worden – und zwar mit Blick auf die Vereinbarungen, die VW nach dem Diesel-Skandal mit den US-Behörden getroffen hatte. Bestandteil war auch die Weiterleitung personenbezogener Daten von Mitarbeitern an US-Aufsichtsbehörden. Das beanstandete der niedersächsische Datenschutzbeauftragte, der wegen des Firmensitzes in Wolfsburg für VW zuständig ist. Das Landgericht Hannover wies im Februar 2025 den Bußgeldbescheid in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ab, Lehmkemper erfuhr also eine Niederlage. Es ging dabei um die Definition dessen, was unter "personenbezogenen Daten" zu verstehen ist, und um die Frage der Orientierung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Das Verwaltungsgericht Hannover bewertete diese Frage in seinem Urteil am 5. Juni anders als zuvor das Landgericht. Es sah zwar in der Weitergabe von Daten an sich kein Problem – wohl aber darin, dass VW die Mitarbeiter darüber nicht ausreichend informiert habe. Insofern kann aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 5. Juni geschlossen werden, dass das Bußgeld von 4,3 Millionen Euro völlig berechtigt festgesetzt worden war. Die Entwicklung in diesem Streit hat bereits die Landespolitik in Hannover erreicht und dort Verwunderung ausgelöst. Wie konnte es der Staatsanwaltschaft Hannover in einem so schwierigen Verfahren passieren, dass eine Unterschrift fehlt und der Formfehler den Großkonzern VW vor einem 4-Millionen-Euro-Bußgeld bewahrt? War das nur Schludrigkeit oder hatte der Autokonzern in der Justiz einen Schutzengel?