17. Dez. 2021 · 
Kultur

Wie die hannoversche Landeskirche die Wahl ihrer Vorstände modernisieren will

Landesbischof Ralf Meister | Foto: Jens Schulze

Den Volkskirchen geht genau wie den Volksparteien aber auch anderen Großorganisationen allmählich das Volk verloren. Der Mitgliederschwund wird von Jahr zu Jahr dramatischer. Das wirkt sich auch auf die Rekrutierung des ehrenamtlichen Personals für die vielfältigen Aufgaben und auch für Führungsfunktionen aus. 2024 werden die nächsten Kirchenvorstände gewählt. In der evangelischen-lutherischen Landeskirche Hannovers bereitet man sich derzeit schon intensiv auf dieses Datum vor. Mit einem neuen Kirchengesetz über die Wahl der Kirchenvorstände debattiert derzeit die Landessynode, also das Kirchenparlament der mitgliederstärksten Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Im Fokus steht eine straffe Modernisierung des jahrzehntealten Prozederes zur Wahl der ehrenamtlichen Gemeindeleitungen. Es geht dabei darum, den Wahlvorgang an sich attraktiver zu gestalten, aber auch, künftig wieder mehr Kirchenmitglieder für diese wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe zu gewinnen. Ein Überblick der diskutierten Maßnahmen.

Brief- und Online-Wahl statt Urnengang nach dem Gottesdienst

Auf der Herbsttagung der Landessynode hat das Landeskirchenamt den Synodalen ihre Vorstellungen für die kommende Kirchenvorstandswahl vorgestellt. Alle Wahlberechtigten Kirchenmitglieder sollen demnach von zentraler Stelle aus über die anstehende Wahl informiert werden. Damit verbunden ist die Option, per Brief, online oder per Einwurf in die Urne abzustimmen. Allerdings steht es den Kirchengemeinden frei, ob sie künftig überhaupt noch Urnen aufstellen wollen. Bei der Stimmabgabe lehnt sich die Kirche künftig an der niedersächsischen Kommunalwahl an: So sollen die Kirchenmitglieder drei Kreuze machen dürfen. Diese können auf bis zu drei Bewerber verteilt oder alle drei auf einen Bewerber vereinigt werden – ganz wie bei den Stadtratswahlen. Briefwahl soll künftig nicht mehr beantragt werden müssen, dieses Verfahren wird vielmehr zum Standard erhoben, ähnlich wie bei Sozialwahlen. Die Digitalisierung der hannoverschen Landeskirche schreitet zudem voran, denn auch die Online-Abstimmung soll eingeführt werden. Ob das Wahllokal vielleicht doch noch verpflichtend sein soll, wird von den Synodalen derzeit noch diskutiert. Als Argument für das Wahllokal brachte eine Synodale vor, dass es auch Personen gibt, die mit den langen Briefen oder der Online-Abstimmung Schwierigkeiten haben könnten. Vereinheitlicht werden soll bei der Wahl auch die Vorstellung der Bewerber. Die Landeskirche bietet den Gemeinden auch dafür einheitliche Vordrucke an.

Förderung junger Menschen: Mindestalter fürs passive Wahlrecht wird abgesenkt

Zum Modernisierungspaket der Kirchenvorstandswahlen geht auch ein Programm zur Förderung junger Menschen. Um die Repräsentation der jungen Generation im Kirchenvorstand sicherzustellen, sind die Gemeinden angehalten, einen jungen Menschen unter 25 Jahren zu berufen, sofern keiner gewählt worden war. Bei der Suche geeigneter Kandidaten sind die Gemeinden aufgefordert, die evangelische Jugend und Verbände wie etwa die Pfadfinder mit einzubeziehen. Gewählt werden können nach neuem Gesetzentwurf auch schon 16-Jährige. Das Mindestalter für das passive Wahlrecht soll mit dem neuen Kirchengesetz abgesenkt werden. Das aktive Wahlrecht wurde bereits von der vorherigen Synode auf 16 Jahre abgesenkt, so wie es auf Bundesebene nun auch die Ampel-Koalition bei nationalen Wahlen umsetzen will.

Mehr Attraktivität: Kirchenvorstände können Amtszeit verkürzen

Die Amtszeit der Kirchenvorstände soll standardmäßig weiterhin sechs Jahre betragen. Von Bewerbern für einen Vorstandsposten können aber halbe Amtszeiten angekündigt werden. Wer dies vorab tut, verpflichtet sich also nur für drei Jahre – kann allerdings vor Ablauf dieser Zeit auch noch auf die vollen sechs Jahre verlängern, sollte er seine Meinung geändert haben. Manchen Synodalen erschien dieser Passus aber überflüssig, da auch jetzt schon zu jedem Zeitpunkt das Amt niedergelegt werden kann. Eine Alternative wäre es, in der Ansprache möglicher Kandidaten einfach deutlich zu machen, dass auch nach aktuellem Recht eine verkürzte Amtszeit jederzeit möglich ist. Dann müsste niemand ein schlechtes Gewissen haben, wenn doch nach drei Jahren Schluss ist.

Keine Verwandten gemeinsam im Kirchenvorstand: Familienverbot soll wohl bleiben

Kritisch diskutiert wird derzeit noch, ob in Zukunft nahe Verwandte gemeinsam im Kirchenvorstand sitzen dürfen. Bislang ist das noch untersagt – Vater und Tochter beispielsweise dürften nach aktuellem Recht nicht gemeinsam im Vorstand ihrer Gemeinde tätig sein. Damit soll ausgeschlossen werden, dass einzelne Familien womöglich die Vorherrschaft in einer Gemeinde übernehmen könnten. Der aktuelle Entwurf zur Änderung des Kirchengesetzes hält hier noch an der alten Fassung fest, mehrere Synodale sprachen sich auf der Herbsttagung aber für eine Liberalisierung aus – auch hinsichtlich des Problems der Kirchen, überhaupt ausreichend engagierte Ehrenamtliche zu gewinnen. Bei der Evaluierung der vergangenen Kirchenvorstandswahlen habe es offenbar das mehrheitliche Meinungsbild gegeben, dass dieses Familienverbot abgeschafft werden sollte. Die Annahme, dass innerhalb einer Familie stets derselbe Kurs vertreten wird, hielten einige Synodale schlicht für nicht mehr zeitgemäß. Andere Synodale merkten jedoch an, dass schon ein Ungleichgewicht entstehen könnte, wenn bei einem fünfköpfigen Vorstand zwei Mitglieder aus einer Kernfamilie kommen. Bei Paaren im Vorstand komme hinzu, dass diese in der Regel zur selben Zeit nicht verfügbar seien (etwa aufgrund gemeinsamer Urlaube) und so die Arbeitsbelastung für den restlichen Vorstand deutlich steige. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Bis zur nächsten Wahl 2024 ist ja aber auch noch etwas Zeit.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #228.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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