Nach 19 Jahren im Deutschen Bundestag zieht sich die CDU-Politikerin Maria Flachsbarth im Herbst aus der Politik zurück. In ihrem Ehrenamt als Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) bleibt sie aber noch eine Weile im Amt. Im Rundblick-Interview sprach sie mit Niklas Kleinwächter über ihr Wirken als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesentwicklungsminister, über Frauen in der CDU und über die Vertrauenskrise ihrer katholischen Kirche.

Maria Flachsbarth beim Rundblick
Foto: Tomas Lada

Rundblick: Vor kurzem haben Sie Ihre wohl letzte Rede im Deutschen Bundestag gehalten. Worum ging es da?

Flachsbarth: Das war eine Debatte zur Impfstrategie, und ich habe in meiner Funktion als Parlamentarische Staatssekretärin gesprochen. Es ging dabei um den „One Health“-Ansatz, den wir im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verfolgen und für den ich derzeit Beauftragte bin. Dahinter verbirgt sich das Ansinnen, Humangesundheit, Tiergesundheit und Biodiversität zusammenzudenken.

Die Bekämpfung von Zoonosen ist in unseren Partnerstaaten wichtig, um wirtschaftliche Entwicklung erst möglich zu machen.

Rundblick: Auf den ersten Blick überrascht diese Zusammenstellung. Was haben denn die Gesundheitsthemen mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit zu tun?

Flachsbarth: Als ich 2018 zum Bundesministerium gekommen bin und als „alte“ Tierärztin direkt gefragt habe, was hier denn zur Tiergesundheit getan wird, wurde ich auch erst einmal gebremst. Aber die Themen haben ganz unmittelbar miteinander zu tun. Zum einen sind Nutztiere die wesentlichen Wirtschaftsgüter der Menschen, mit denen wir in der Entwicklungshilfepolitik zusammenarbeiten. Zum anderen sind Tierkrankheiten auch immer wieder eine Gefahr für die Menschen. Die Covid-Pandemie hat dieses Problem nun für alle sichtbar gemacht, denn Corona ist eine Zoonose, also eine Krankheit, bei der Erreger vom Tier auf den Menschen übergesprungen sind – genau wie beispielsweise Tuberkulose, Salmonellen oder Tollwut. Die Bekämpfung von Zoonosen ist in unseren Partnerstaaten wichtig, um wirtschaftliche Entwicklung erst möglich zu machen. Den „One Health“-Ansatz haben wir im Ministerium nun fest verankert durch eine neue Unterabteilung. Dort werden die beide Aspekte, die mir besonders wichtig sind, zusammengefasst: der Bereich der Humangesundheit, auch die Gesundheit der Frauen und die Sexualgesundheit, sowie der Bereich der Landwirtschaft und der Welternährung, außerdem der Schutz des Umwelt. Denn durch das Vordringen des Menschen in unbewohnte Regionen entstehen immer wieder neue Krankheitserreger. Ich hoffe, dass ich damit nun im Herbst eine Struktur hinterlasse, die auch noch wirkt, wenn ich mich nun aus der Politik zurückziehe.

Maria Flachsbarth beim Rundblick
Foto: Tomas Lada

Rundblick: Es klang gerade schon an: Die Unterstützung von Frauen ist Ihnen ein Herzensanliegen. Sie möchten auch mehr Frauen in der Politik. Als Sie erklärt haben, nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren, haben Sie dafür geworben, in Ihrem Wahlkreis erneut eine Frau aufzustellen. Nun heißt Ihr Nachfolger Tilman Kuban.

Flachsbarth: Und Tilman Kuban ist zweifellos keine Frau, ja. Ich habe gehofft, mit diesem Appell noch die eine oder andere Frau zur Kandidatur zu motivieren. Aber als Tilman Kuban als Bundesvorsitzender der Jungen Union seine Kandidatur erklärt hat, hatte das natürlich Gewicht. Wenn ich eines nicht geschafft habe, dann, eine Frau als Nachfolgerin aufzubauen. Insgesamt haben wir im CDU-Bezirksverband Hannover, dessen Vorsitzende ich noch bin, mit Mareike Wulf und Diana Rieck-Vogt nun zwei Kandidatinnen. Da hatten wir schon mal mehr. Im gesamten Landesverband haben wir in diesem Jahr sieben Direktkandidatinnen bei 30 Wahlkreisen. Da hätte ich mir absolut mehr gewünscht. Es stünde der CDU als Volkspartei auch gut zu Gesichte, mehr Frauen zu haben. Es ist ja nicht so, dass sich Frauen weniger für Politik interessierten. Bei den Grünen oder bei „Fridays for Future“ gibt es viele Frauen, bei uns nicht. Das macht mich in großem Maße unzufrieden und das kann uns als Partei nicht unberührt lassen.

Wenn ich eines nicht geschafft habe, dann, eine Frau als Nachfolgerin aufzubauen.

Rundblick: Nicht nur in der CDU, auch in der Katholischen Kirche setzen Sie sich für eine stärkere Rolle der Frau ein. Wo stehen wir da?

Flachsbarth: Mit dem Katholischen Deutschen Frauenbund werbe ich seit langem für das Diakonat der Frau, also dafür, dass Frauen für die erste Stufe des Weihe-Sakraments zugelassen werden. Papst Johannes Paul II. hat die Frage sehr klar beantwortet, er sieht dafür keine Vollmacht durch Jesus gegeben. Dennoch lässt sich diese Diskussion, bei aller Strenge aus Rom, nicht so einfach vom Tisch wischen. Wir bleiben an der Sache dran: Seit 1998 feiern wir ausgehend vom KDFB einmal im Jahr den Tag der Diakonin. Anfangs gab es noch warnende Worte der Bischöfe, inzwischen wünschen uns einige gutes Gelingen.

Maria Flachsbarth beim Rundblick 3
Foto: Tomas Lada

Rundblick: Wie wird diese Debatte derzeit in Deutschland geführt?

Flachsbarth: Zum einen wird das Thema der Frauenweihe durch die Bewegung „Maria 2.0“, die wir als KDFB begrüßen, wieder befeuert. Die Impulse haben wir auch beim KDFB aufgegriffen und einen Podcast „Frauenstimmen“ gestartet, es gibt die Aktion „Maria schweige nicht“ und ein bemerkenswertes Buch der Benediktinerin Schwester Philippa Rath „Weil Gott es so will“ über Berufungen von Frauen ins Priesteramt. Zum anderen sprechen wir gerade beim „Synodalen Weg“ in zwei Foren über dieses Thema.

Rundblick: Worum geht es beim „Synodalen Weg“?

Flachsbarth: Der Auslöser waren die Missbrauchsfälle innerhalb der Katholischen Kirche. Die große Studie zu diesem Thema hat auch die rein männlichen, männerbündischen klerikalen Strukturen benannt, die den Missbrauch und dessen Vertuschung erst möglich gemacht haben. Etwas schändlicheres, als sich an Kindern zu vergehen, gibt es kaum. Die Kirche hat sich damit massiv unglaubwürdig gemacht. Der „Synodale Weg“ ist unser Angebot als Laien an die Bischöfe, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie unsere Kirche aus dieser Situation wieder herauskommen kann. Deshalb diskutieren wir dabei auch über die Rolle der Frauen in den Strukturen der Kirchen – auch wenn die Bischöfe das zuerst nicht wollten.

Rundblick: Wie schätzen Sie die Erfolgschancen ein?

Flachsbarth: Der „Synodale Weg“ beschließt alles mit Zweidrittelmehrheiten und bleibt dennoch unverbindlich. Wir werden am Ende den Bischöfen, die kirchenrechtlich immer noch „absolutistische Herrscher“ sind, nur Empfehlungen mitgeben, die sie dann umsetzen oder auch nicht. Und dann können die Bischöfe vor Ort gar nicht alles entscheiden, gerade beim Diakonat der Frau müsste eine Entscheidung aus Rom kommen.

Ich bin in der Kirche trotz allem zu Hause. Und ich glaube, dass sie reformfähig ist.

Rundblick: Das klingt aussichtslos.

Flachsbarth: Ich bin davon überzeugt, dass sich gerade etwas bewegt, auch weil der Priestermangel und die Missbrauchsfälle weltweit diskutiert werden. Die Kirche hat sich damit diskreditiert und in hohem Maße delegitimiert. Aber nein, ein Austritt kommt für mich nicht in Frage. Ich bin in der Kirche trotz allem zu Hause. Und ich glaube, dass sie reformfähig ist. Wir müssen daran arbeiten, die Kirche wieder glaubwürdig und zukunftsfähig zu machen, weil ich davon überzeugt bin, dass sie den Menschen von heute auf ihre Fragen und Suche nach dem Sinn des Lebens Antworten geben kann.

Rundblick: Kürzlich setzten sich hunderte Priester in Deutschland über das Segnungsverbot für homosexuelle Paare hinweg, obwohl der Vatikan das noch einmal bekräftigt hatte. War das eine Provokation oder eine gute Tat?

Flachsbarth: Wenn es als Provokation empfunden wurde, ist es umso schlimmer. Es geht nicht um Provokation, sondern um zwei sich liebende Menschen, die tief in ihrer Kirche verwurzelt sind und um die Segnung ihres gemeinsamen Lebensweges bitten. Es sollte möglich sein, homosexuelle Paare zu segnen, ich wünsche mir da viel mehr Offenheit. Meine Kirche sollte Antworten geben auf die Sorgen und Nöte der Menschen im Hier und Jetzt.