(rb) Ministerpräsident Stephan Weil hat am Montag gemeinsam mit den „Landesfürsten“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der Unternehmerverbände (UVN), der Katholischen Kirche und der Konföderation evangelischer Kirchen das Aktionsbündnis „Niedersachsen packt an!“ in Hannover präsentiert. Natürlich geht es dabei um Flüchtlinge und Asylsuchende. Alle Niedersachsen sind jetzt „eingeladen“ zu zeigen, was das Land ausmacht: Solidarität, Toleranz und gesellschaftlicher Zusammenhalt, heißt es in dem Aufruf zum „offenen“ Bündnis. Das klingt nach rotgrünem Koalitionsvertrag bzw. erinnert an den Aufruf von Kirchen, UVN und DGB vom 8. September. Damals lautete die Überschrift „Jetzt ist Zeit zu handeln!“.
Und richtig: Regierungschef Weil traf sich am 28. September mit den vier Initiatoren. Man verabredete weitere Schritte und war seither zu fünft. Gute acht Wochen später lautet die Botschaft an möglichst alle Niedersachsen: bildet eine „breite gesellschaftliche Allianz“, packt mit an, damit Flüchtlinge und Asylbegehrende möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeit ankommen, lebt mit ihnen und nicht neben ihnen, schützt sie vor Fremdenfeindlichkeit und Terror, vernetzt Eure Projekte, engagiert Euch… Nachdem die evangelischen Kirchen ihren Gemeinden und Kreisen bereits acht Millionen Euro in diesem und dem kommenden Jahr für lokale, ehrenamtliche Flüchtlingsprojekte in Aussicht gestellt haben, kündigte Weil am Montag an, das Land werde im nächsten Jahr eine Million Euro für das Aktionsbündnis locker machen – vornehmlich für die Öffentlichkeitsarbeit.
Unter „www.niedersachsenpacktan.de“ kann sich jede/r mit oder ohne Foto ganz flink als Unterstützer/in eintragen und von dort auch den Aufruf „Niedersachsen packt an!“ per Facebook unterstützen. Es ist zweifellos ein gutes Gefühl, sich selbst auf einer großen Fan-Fotowand für den guten Zweck im Netz zu entdecken. Ob das den Flüchtlingen bei deren ganz konkreten Problemen mit der deutschen Sprache und Bürokratie hilft bzw. den Druck der Kommunen mildert, viele Menschen Tag für Tag warm und trocken, möglichst nicht in Zelten oder Turnhallen unterzubringen, sie zu ernähren und medizinisch zu versorgen, angemessenen Wohnraum zu finden, besonders Kinder, Mädchen und Frauen vor Gewalt zu schützen etc., ist fraglich.
Die Initiatoren sagen, es gehe ihnen mit ihrem Aufruf zunächst darum, eine gemeinsame Haltung zu definieren, also um Menschlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Anfang 2016 soll es eine große Auftaktveranstaltung zu „Niedersachsen packt an!“ geben. Geleitet wird das Aktionsbündnis von einer Steuerungsgruppe, in der zunächst die Initiatoren vertreten sein werden, später weitere aktive Institutionen. Aufgabe sei der Informationsaustausch, die „ideelle Förderung von Integrationsaktivitäten jeglicher Art“ sowie die Vorbereitung von regelmäßigen Integrationskonferenzen, die bis zu drei Mal im Jahr stattfinden sollen. Ein weiteres Gremium mit (zu) vielen Mitgliedern, das sich in Symbolpolitik übt? Das kann niemand gebrauchen. Die angestrebte Allianz „der Engagierten und Vernünftigen“ sollte schnell praxistaugliche Ergebnisse liefern. briDieser Artikel erschien in Ausgabe #222.