(rb) „Liberalkonservativ“, das ist ein Begriff, den im bürgerlichen Lager jene verwenden, die das Bedürfnis haben, sich von den ihrer Meinung nach „vaterländisch Rückwärtsgewandten“ abzugrenzen. Ihr politischer Standort macht in der Praxis oft Schwierigkeiten, denn bei gesellschaftspolitischen und sozialen Problemstellungen geraten sie nicht selten zwischen die Mühlsteine und sind zuweilen jenen näher, die eigentlich ihre parteipolitischen Gegner sein sollten. Liberal-Konservative sind Grenzgänger und halten die Realität des Lebens allemal für bedeutsamer als ideologische Verklemmungen. Zumeist basieren ihre Überzeugungen auf persönlichen Erfahrungen, die im Laufe der Jahre eine gehörige Distanz zu linken Traumwelten, aber auch zu rechten Verbohrtheiten zur Folge hatten.
Der 1941 in Ostpreußen geborene Horst Horrmann hat dies in der neuen Heimat seiner Familie in Peine nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als Real- und später Gymnasiallehrer kennengelernt: die Nöte der alleinerziehenden Mütter und die Ängste der um ihre Arbeitsplätze besorgten Stahlarbeiter. Diese Erfahrungen haben ihn geprägt und zu einem Politiker werden lassen, der die Welt so nahm, wie sie war, und der sie parteipolitisch nicht so lange zurechtbog, bis sie ihm genehm war. Der Fundus seiner Politik- und Lebenserfahrung zog eine Grenze zu den linken Ideologen, die die Welt über die Schule verändern wollten. Von ihnen gab es zu Zeiten des Abgeordneten Horrmann nicht ganz wenige im Landtag. Zugleich hielt er auch eine hinreichende Distanz zu den verbohrten Rechten in den eigenen Reihen, die sich gegen die Erkenntnis sträubten, dass ihre politischen Vorstellungen aus der Zeit gefallen waren.
Mit diesen Schwierigkeiten hatte der protestantische CDU-Kultusminister stets zu kämpfen. In seiner Partei, in seiner Fraktion und auch im Verhältnis zu seinem Chef, Ministerpräsident Ernst Albrecht, der sich eine Familie ohne eine liebevolle, ausschließlich auf ihre Kinder zentrierte Mutter und ohne einen hinreichend einkommensstarken und zugleich einfühlsamen Vater nicht vorzustellen vermochte. Die Diskrepanz der unterschiedlichen gesellschaftlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen war stets ein Problem, das bei aller sonstigen wechselseitigen Achtung zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem Minister stets eine nicht unbeträchtliche Rolle spielte. Der Spitzwegsche Sonntagsspaziergang entsprach jedenfalls nicht der Wirklichkeit, die der Peiner Bürger Horst Horrmann in seiner unmittelbaren Umgebung kennengelernt hatte. Immer wieder versuchte er, seine Wahrnehmungen auf argumentative und einfühlsame Weise zu vermitteln. Persönliche Angriffe und Beschimpfungen waren für ihn dabei keine politischen Streitinstrumente. Erfolg hatte er damit nur bedingt, denn die auf Polemik ausgerichteten Kolleginnen und Kollegen konnte er nur selten für sich gewinnen. Für Horst Horrmann ist es heute kein Trost, dass seine Vorstellungen von einer pragmatischen Schulpolitik und seine menschliche Art, politisch zu agieren, vermutlich eine Niederlage der CDU bei der Landtagswahl im Jahr 1990 verhindert hätten. Für die jetzigen Abgeordneten könnte er als Vorbild dienen. Das setzt jedoch Einsicht und Lernfähigkeit voraus.
Dass der ehemalige Kultusminister nach seiner politischen Tätigkeit Präsident des DRK-Landesverbandes Niedersachsen wurde, ist folgerichtig. Die Aufgabe entspricht seiner Überzeugung, dass ein jeder, nach Maßgabe seiner Möglichkeiten, einen Beitrag zum menschlichen Gelingen unserer freiheitlichen Gesellschaft beitragen sollte. Sein 75. Geburtstag fällt in eine Zeit, in der Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft besonders gefordert sind. Horst Horrmann hat ein Beispiel dafür gegeben, wie man diese Eigenschaften ohne große Worte leben kann. glDieser Artikel erschien in Ausgabe #85.