Zwei Generationen von Gewerkschaftsführern in Niedersachsen (von links): Dietmar Schilff, Mehrdad Payandeh, Detlef Ahting, Laura Pooth und Kevin Komolka. | Foto: GdP, DGB, Jelca Kollatsch, Montage: Rundblick

Eine Szene sagt mehr als viele Worte: Am Morgen des Tages, an dem Kevin Komolka ein Telefon-Interview gibt, radelt er vom heimatlichen Harsum nach Hildesheim zum Bahnhof, nimmt das Rad mit in den Zug nach Hameln – dort ist an diesem Tag ein Kongress. Mobil, gut vernetzt, umweltfreundliche Verkehrsmittel, darauf kommt es dem 33-Jährigen an. Wer ihn so sieht und hört, mag an einen Kommunalpolitiker der Grünen erinnert sein. Aber Komolka ist in der SPD, und er ist bald einer der wichtigsten Gewerkschaftsführer in Niedersachsen. Denn der Polizeibeamte soll am 19. Mai zum neuen Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gewählt werden. Dann tritt der junge Mann an die Stelle von Dietmar Schilff (60), der die vergangenen elf Jahre an der Spitze der Organisation stand und seit fast 30 Jahren dem Landesvorstand angehört.

Kriminologe Komolka folgt auf Vollblut-Polizist Schilff

So vollzieht sich in der GdP ein Generationswechsel, der schon äußerlich hervorsticht: Es geht der Vollblut-Polizist Schilff, der von harten Polizeieinsätzen der achtziger Jahre geprägt ist, immer guten Kontakt zur Politik pflegte, für seine lauten und deutlichen Positionen bekannt ist und voller Stolz sagen kann, dass in seiner Amtszeit die Zahl der Polizisten in Niedersachsen kräftig gewachsen ist.

Es kommt der studierte Kriminologe Komolka, der auf seine Art ebenso gut vernetzt ist, aber eher das Teamspiel liebt und von dem man eher abgewogene, auf Vermittlung und Überzeugung ausgerichtete Positionen erwarten dürfte. Die vorsichtige Prognose lautet, dass er weniger polarisieren dürfte als sein Vorgänger. Komolka, der auch schon verschiedene Stationen erlebt hat vom Zugführer der Göttinger Bereitschaftspolizei bis zum Einsatzleiter in Nienburg, spricht von „Stilwechsel“. Aber vermutlich ist es mehr – und es zeigt einen Trend an, der nicht nur auf die GdP mit ihren 15.500 Mitgliedern in Niedersachsen beschränkt ist, sich hier nur zuerst bemerkbar macht.

Bei Verdi und DGB steht ein Führungswechsel bevor

In knapp einem Jahr endet auch die Amtszeit von Verdi-Landeschef Detlef Ahting (61), auch er gibt dann sein Amt in jüngere Hände. Nun trat Ahting eher differenziert und abwägend auf, anders als die klare Kante, die Schilff immer bevorzugte. Aber starke Figuren an der Spitze, bei denen alle Fäden zusammenliefen, waren sie beide. Ein wenig wirkt so auch Thorsten Gröger (53), der Bezirksleiter der IG Metall. Seine Machtposition wird dadurch unterstrichen, dass die Zentrale in Frankfurt die leitenden Personen in den Ländern einsetzt, es gibt keine Wahl wie bei den anderen Gewerkschaften – ein straffer Zentralismus wird bemerkbar, er gehört zur IG-Metall-Tradition, auch wenn er heute doch anachronistisch wirkt.

Und dann ist da noch der DGB-Landesvorsitzende Mehrdad Payandeh (61), der als junger Mann vor dem Regime im Iran nach Deutschland flüchtete, als hochkompetenter Wirtschaftswissenschaftler gilt – aber im Auftreten häufig eher klassenkämpferisch als analytisch klingt, so wie es eben bei Schilff, Gröger und sogar ansatzweise bei Ahting auch der Fall ist. Payandehs Amtszeit geht noch drei Jahre. Dann gibt es wohl auch an der Spitze des DGB einen Generationswechsel. Verändern die neuen Leute auch die Arbeit?

Für diesen alten Typ des Gewerkschaftsführers stand Schilff beispielhaft. Der Sohn eines Polizeibeamten trat 1982 in den Polizeidienst ein, erlebte als junger Polizist gewalttätige Demonstrationen vor allem von Linksradikalen, etwa bei der Bundeswehr-Vereidigung in Hannover oder bei Castor-Transporten. Zu der Antifa, die den Hass auf Polizeibeamte predigte, hat er seither ein sehr distanziertes Verhältnis, auch im Unterschied zu vielen anderen, die sich wie er als „links“ einordnen. „Es ging mir immer darum, die Wertschätzung der Polizei zu verbessern“, sagt Schilff – und spricht von Erfolgen: Der GdP-Chef erreichte erhebliche Neueinstellungen bei der Polizei.

Einer seiner Vorgänger, Horst-Udo Ahlers, zeigte schon bei der Polizeireform 1993, die das Ende der Trennung von Schutz- und Kriminalpolizei bewirkte und eine Höherstufung der Polizisten, wie man vorgeht: enge Tuchfühlung mit dem jeweiligen Innenminister und seinem Umfeld, aber zur Not auch Penetranz, wenn gute Worte allein nicht mehr helfen. Man muss den Entscheidungsträgern auf die Pelle rücken.

Mit Innenminister Uwe Schünemann (CDU) konnte Schilff nicht gut, damals musste mancher Kontakt über den Umweg eines Christdemokraten im Landesvorstand laufen. Später, zu Schünemanns Nachfolger Boris Pistorius (SPD), war der Kontakt wieder exzellent. Manches klappte auch nicht, so bemängelt Schilff heute, dass die Beförderungen von A9 auf A10 in Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz viel schneller gehen als in Niedersachsen, und eine stattliche Polizeizulage mit Ruhegehaltsfähigkeit gibt es hierzulande auch noch nicht.

GdP-Chef verabschiedet sich mit Erfolgsbilanz

Aber immerhin: Die GdP gedeiht, Schilff geht mit einer Erfolgsbilanz. Kritiker sagen, er sei eben auch nicht immer einfach gewesen und kein ausgewiesener Teamarbeiter, eher ein Einzelgänger. Am anerkannt schlechten Verhältnis zu den kleineren Mitbewerbern, der Deutschen Polizeigewerkschaft vom Beamtenbund und dem Bund deutscher Kriminalbeamter, erkennt man das schon. Immerhin: Der designierte Nachfolger Komolka hat beide zur Hauptversammlung eingeladen – ein Friedensangebot.

Außerdem will der neue Mann verstärkt die anderen Mitglieder des Vorstandes einbinden, die Kontakte zu allen demokratischen Parteien verstärken, insbesondere zu den traditionell polizei-kritischen Grünen, er will weg von den harten, apodiktisch vorgetragenen Forderungen und hin zu Gesprächen mit flexiblen, der jeweiligen Situation angepassten Lösungen. Die GdP soll sich nicht verkämpfen, sondern stets gesprächsbereit bleiben. Es sollen mehr Frauen Verantwortung tragen, und wie man Personalräte motiviert und Aufgaben delegiert, hat er in vielen Jahren der gewerkschaftlichen Jugendarbeit gut gelernt. Komolka will weniger ein Gewerkschaftsführer sein und mehr ein Gewerkschaftsmanager, der Kopf einer modernen, auf Imagebildung ausgerichteten und arbeitsteiligen Organisation.

Paradebeispiel für neuen Stil: GEW-Chefin Laura Pooth

Das ist dann schon ein Unterschied zu „den Alten“, die noch vom kalten Krieg, vom Klassenkampf und von der scheinbar unerschütterlichen Massengewerkschaft geprägt waren, für die es keine Frage war, dass tausende stets hinter ihnen standen. Ein anschauliches Beispiel dafür, wie der Generationswechsel in Gewerkschaften verläuft, bietet die GEW in Niedersachsen. Die Lehrergewerkschaft hatte diesen schon 2017 vollzogen, als die damals 39-jährige Laura Pooth die Nachfolge des langjährigen, intern nie unumstrittenen Chefs Eberhard Brandt übernommen hatte.

Brandt wirkte immer ein wenig wie Schilff – raubeinig und hart in der Diskussion, aber unglaublich kenntnisreich und gut vernetzt, auch mit guten Drähten in die Politik. Ein Gewerkschaftsführer vom alten Schlag mit allen Stärken und Schwächen. Jemand, der auf jeden Fall immer gut war für eine kämpferische Rede zum 1. Mai und für eine Kungelei im Hintergrund. Die Nachfolgerin Pooth trat ganz anders auf, wortgewandt, auch mal mit leisen Tönen, ständig bereit zu Verständigungen und Kompromissen, auch bei öffentlichen Auftritten. Da Pooth dies gut gelang, wurde sie zu höherem berufen und führt jetzt den DGB-Landesbezirk Nord, ein Karrieresprung.

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Am Montag hat sich nun entschieden, wer die Nachfolge übernimmt: Stefan Störmer aus Leer hat sich gegen Ewa Kucmann aus Hannover durchgesetzt. Viele sagen, beide stünden für die Fortsetzung von Pooths Kurs, manche meinen, beide reichten an die Vorgängerin nicht ganz heran und der Erneuerungsprozess der GEW bekomme erst einmal einen Dämpfer.

Zum Symbol der Erneuerung der niedersächsischen Gewerkschaften dürfte nun zunächst der neue GdP-Vorsitzende Kevin Komolka werden. Vorerst jedenfalls, bis die nächsten Personalentscheidungen bei den Partnerorganisationen folgen.